In Japan hat die Arbeit einen hohen Stellenwert. Viele der älteren Generation wurden noch mit der Weisheit aus der Zeit von Kaiser Hirohito erzogen: "Leben heißt Arbeit. Wer nicht arbeitet, sollte auch nicht essen." Zusätzlich erhalten viele Arbeitnehmer eher niedrige Renten. Dies wird durch die Tatsache verschärft, dass Japan weltweit den höchsten Anteil an älteren Menschen hat, so eine Erklärung des Innenministeriums in Tokio Mitte September. Es hatte Zahlen veröffentlicht, nach denen erstmals zehn Prozent der Bevölkerung mindestens 80 Jahre alt sind und knapp 30 Prozent 65 Jahre oder älter. Die Zahl der mindestens Hundertjährigen ist sogar auf ein Rekordniveau gestiegen: 92.139 Menschen im Alter von 100 oder mehr. Die japanische Regierung hat deshalb im Jahr 2023 die „100-jährige Gesellschaft“ ausgerufen: Was heißt das? Jeder Japaner, jede Japanerin soll lebenslang aktiv bleiben. Und am besten auch lebenslang arbeiten. Und das ist im Öffentlichen Leben in Japan allgegenwärtig. Ob am bei der Bahn, in Kaufhäusern, auf Parkplätzen oder auf Baustellen – überall sind die rüstigen Rentnerarbeiter zu sehen. Doch die Frage bleibt: Ist das die Lösung für den Fachkräftemangel? So lange zu arbeiten, wie Körper und Geist es zulassen?
Wann gehen die Japaner regulär in Rente?
Japan hat ein staatliches Rentensystem mit zwei Säulen: Volksrente und Arbeitnehmerrente. Zusätzlich können individuelle Vorsorgemaßnahmen getroffen werden.
Es gibt keine Mindestrentenregelung, aber das Sozialhilfesystem garantiert bei Bedarf einen Mindestlebensstandard. Das reguläre Renteneintrittsalter beträgt 65 Jahre, mit der Möglichkeit, mit Abschlägen ab dem 60. Lebensjahr in den Ruhestand zu gehen. Im Jahr 2021, mitten in der Pandemie, beschloss die japanische Regierung, Anreize für Unternehmen zu schaffen, damit die Menschen sogar bis 70 arbeiten können. Die Rentenhöhe steigt, wenn man über das 66. Lebensjahr hinaus arbeitet, aber die meisten Arbeitsverträge enden mit 60 Jahren. Will der noch rüstige Japaner nach seinem 60. Geburtstag auf seinem bisherigen Arbeitsplatz weitermachen, bekommt einen neuen Arbeitsvertrag. Die Schattenseite: An dieser Stelle darf das Unternehmen den Lohn kürzen, im nationalen Durchschnitt derzeit um 40 Prozent.
Die Proteste von Gewerkschaften werden von der Regierung überhört, aus Angst, dass Firmen in Folge keine über 60-Jährigen mehr einstellt. Auf der anderen Seite zwingt die geringe Rentenzahlung viele Japaner dazu, auch nach Erreichen des Rentenalters weiterhin im Arbeitsleben zu bleiben.
Jeder vierte Rentner in Japan ist erwerbstätig, und in der Altersgruppe zwischen 65 und 69 Jahren ist es es sogar jeder zweite!
Wie steht es um die Rechte der Arbeitnehmer?
Arbeiten bis ins hohe Alter - Ein interessanter Trend! Tatsächlich ist jeder vierte Rentner in Japan erwerbstätig, und in der Altersgruppe zwischen 65 und 69 Jahren ist es sogar jeder zweite. Japan ist weltweit gemeinsam mit Südkorea im Bereich der Altersarbeit führend.
Es gibt Stimmen von japanischen Ökonomen, die sich für eine verstärkte Förderung der Altersarbeit aussprechen. Das gesetzliche Rentenalter wurde kürzlich in Japan schrittweise auf 65 Jahre angehoben, und zukünftig sollen japanische Bürger selbst entscheiden können, bis zu welchem Alter sie erwerbstätig bleiben möchten. Kaum zu glauben! Die ältere Generation findet das gut. Laut einer Regierungsumfrage aus dem Jahr 2014 wollen drei Viertel der Bevölkerung mindestens bis zum Ende ihres 70. Lebensjahres arbeiten. 42 Prozent aller Arbeitskräfte im Alter von mindestens 60 Jahren sagten sogar, sie wollen so lange arbeiten, wie ihre Gesundheit es ihnen erlaubt. In Sachen Renteneintrittsalter unterscheidet sich das japanische System kaum von denen der Europäer. Aber die Einstellung dazu sieht komplett anders aus. In Frankreich und Deutschland geht man rund zwei Jahre früher in Rente als gesetzlich vorgesehen. Einen Abschlag beim monatlichen Einkommen nimmt der zukünftige Rentenanwärter offensichtlich in Kauf, um nicht mehr arbeiten zu müssen.
Bemerkenswert ist in Japan die Förderung älterer Arbeitnehmer.
Ideen zur Förderung von älteren Arbeiternehmern
Bemerkenswert ist in Japan die Förderung älterer Arbeitnehmer. Hier wird den Silver-Agern die Möglichkeit zur Weiterentwicklung für eine zweite Erwerbslebenszeit gegeben. Eine wachsende Zahl von japanischen Universitäten bietet kurze maßgeschneiderte Studiengänge für Senioren an. Voraussetzung – die Wissbegierigen sind über 50 Jahre. Eine der Vorreiter-Unis war die Rikkyo-Universität in Tokio: Von den 20.000 Studierenden besuchen rund 100 Personen jedes Jahr ein spezielles Studienkolleg für Senioren. Die clevere Idee erhöht nicht nur Chance auf einen neuen, vielleicht sogar fachlich anderen Job, sondern auch um den junggebliebenen Studenten danach ein qualitativ hochwertiges und ehrenamtliches Engagement zu ermöglichen. Diese Art, sich gesellschaftlich einzubringen, ist bei den Alten sehr beliebt. Das lebenslange Arbeiten und Lernen sehen viele Japaner als Möglichkeit zur Teilhabe am jungen und modernen Leben: Austausch mit jungen Menschen, ein Katalysator für eine bessere Gesundheit und auch Vorbeugung vor dem Schreckensgespenst Demenz. Umgekehrt lobt die junge Generation mit sehr viel Respekt die Ruhe, Erfahrung und Ausgeglichenheit ihrer älteren Kollegen. Eine Win-Win Situation, nicht nur für die arbeitende Bevölkerung, sondern auch für den Staat, der sich wachsende Rentenzahlungen und Sozialabgaben spart.