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Nach § 40 Abs. 1 BetrVG trägt der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten. Hierzu gehört auch die Vergütung für einen Rechtsanwalt, dessen Hinzuziehung ein Betriebsrat für erforderlich halten durfte. Die Freistellung des Betriebsrats von den Rechtsanwaltskosten setzt keine an den Betriebsrat adressierte Rechnung voraus.
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 8. März 2023, 7 ABR 10/22
Der antragsstellende Betriebsrat verlangt in einem Beschlussverfahren von der Arbeitgeberin die Freistellung des Betriebsrats von Rechtsanwaltskosten.
Die Arbeitgeberin betreibt den öffentlichen Personennahverkehr im Gebiet der Stadt O. Im Jahr 2017 tagte eine vom Betriebsrat und der Arbeitgeberin gebildete Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand „Dienstplangestaltung“. Vor deren Tätigwerden hatte der Betriebsrat beschlossen,
„…, Rechtsanwalt H., C. Agentur, als Verfahrensbevollmächtigten in der Einigungsstelle ‚Dienstpläne‘ zu beauftragen. Die Beauftragung ist erforderlich, da die Reichweite der Mitbestimmungsrechte gem. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG und die Möglichkeiten und Grenzen der Einigungsstelle für den Betriebsrat ebenso wenig wie für den Arbeitgeber ohne rechtliche Unterstützung überschaubar sind. Im Übrigen ist H. Fachkommentator zum Thema ‚Fahrpersonalrecht‘, dessen Besonderheiten und aktueller Stand dem Betriebsrat nicht in dem erforderlichen Maße präsent ist. Der Betriebsratsvorsitzende wird ermächtigt, mit H. den vorgelegten Honorarvertrag für den Betriebsrat abzuschließen.“
Der Vorsitzende und ein Mitglied des Betriebsrats sowie Rechtsanwalt H. unterzeichneten die Honorarvereinbarung. Als Vertragspartner wurden der Betriebsrat und die „C. UG (Unternehmergesellschaft)“ benannt. Weiterhin heißt es dort:
„Für den Betriebsrat der Firma S Stadtwerke O GmbH wird Rechtsanwalt H. von der C. Agentur als Verfahrensbevollmächtigter in der Einigungsstelle „Dienstpläne“ tätig werden. Als Honorar wird vereinbart, dass an C. 70 % des Vorsitzenden-Honorars zuzügl. USt. und Reisekosten zu zahlen ist. … Der Vertrag enthält ein verbindliches Angebot der C. UG und wird durch Rücksendung in unterzeichneter Form wirksam.“
Die C. Agentur UG ist eine haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft, deren Geschäftsführer und (Mit-)Gesellschafter Rechtsanwalt H. ist. Dieser war im Jahr 2017 Rechtsanwalt in einer Sozietät und ist seit 2019 Einzelanwalt. Die Einigungsstelle tagte unter seiner Mitwirkung. Laut Sitzungsprotokollen ist er jeweils als Verfahrensbevollmächtigter des Betriebsrats aufgeführt.
Im Jahr 2019 stellte Rechtsanwalt H. für seine Vertretung des Betriebsrats in der Einigungsstelle – wie in der Praxis oftmals üblich – eine an die Arbeitgeberin und nicht an den Betriebsrat adressierte Rechnung und machte unter anderem ein Honorar in Höhe von 70 % des Honorars des Einigungsstellenvorsitzenden (8.530,45 Euro) geltend, die die Arbeitgeberin nicht beglich.
Der Betriebsrat hat vor dem zuständigen Arbeitsgericht und in der Folge vor dem zuständigen Landesarbeitsgericht einen auf diese Rechtsanwaltskosten bezogenen Freistellungsanspruch geltend gemacht. Letztendlich verfolgt der Betriebsrat mit seiner Rechtsbeschwerde vor dem BAG den Freistellungsanspruch weiter.
Das Landesarbeitsgericht hätte im Ergebnis zu Recht die Beschwerde des Betriebsrats gegen Entscheidung des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Die Arbeitgeberin sei nicht verpflichtet, den Betriebsrat gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG von der mit Rechnung des Rechtsanwalts H. erhobenen Honorarforderung freizustellen.
Nach § 40 Abs. 1 BetrVG trage der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten. Hierzu gehöre auch die Vergütung für einen Rechtsanwalt, dessen Hinzuziehung in einem Einigungsstellenverfahren der Betriebsrat – auf der Grundlage eines ordnungsgemäßen Beschlusses – für erforderlich halten durfte. Ein entsprechender Freistellungsanspruch setze neben der Erforderlichkeit der Hinzuziehung voraus, dass der Betriebsrat eine entsprechende Verbindlichkeit gegenüber dem Rechtsanwalt überhaupt begründet - diesen also mit der Vertretung im Einigungsstellenverfahren beauftragt - habe; entsprechendes gelte für eine Honorarzusage.
Anders als das Landesarbeitsgericht angenommen hätte, stehe dem Freistellungsanspruch nicht entgegen, dass Rechtsanwalt H. seine Rechnung nicht an den Betriebsrat adressiert habe. Eine solche Rechnungsstellung sei nicht Tatbestandsvoraussetzung für den Freistellungsanspruch.
Der Anspruch eines Betriebsrats auf Freistellung von Kosten gegen den Arbeitgeber nach § 40 Abs. 1 BetrVG entstehe – soweit der Anspruch erforderliche Kosten betrifft – als Befreiungsanspruch im Sinne des § 257 Satz 1 BGB grundsätzlich mit Eingehen der Verbindlichkeit, von der freizustellen sei. Vorliegend sei der Anspruch des Betriebsrats auf Freistellung von den erforderlichen Kosten prinzipiell schon mit der Beauftragung eines Verfahrensbevollmächtigten vor der Einigungsstelle entstanden.
Der Anspruch sei also demnach regelmäßig nicht daran gebunden, dass der Betriebsrat im Wege einer an ihn adressierten Rechnung in Anspruch genommen werde.
Auch der Umstand, dass der Arbeitgeber die Leistung verweigern kann, wenn der Betriebsrat die Kosten, von denen er Freistellung erstrebt, nicht ausreichend nachweist, führe zu keiner anderen Bewertung. Zwar könne der Betriebsrat einen Nachweis der erstattungsfähigen Kosten typischerweise nur nachzukommen, wenn ihm eine Rechnung gestellt worden sei, die im Zweifel auch nur er valide überprüfen könne. Entsprechend würde sich eine Rechnungsstellung an den Betriebsrat schon aus Praktikabilitätsgründen anbieten. Das Fehlen einer an ihn gerichteten Rechnung zu diesem Zweck führe aber nur zu einem (vorübergehenden) Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitgebers und beträfe nicht die Entstehung des Anspruchs auf Kostenfreistellung „an sich“.
Allerdings hätte das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Anspruch auf Kostenfreistellung nicht auf die vom Betriebsrat und von Rechtsanwalt H. unterzeichnete Honorarvereinbarung gestützt werden könne. Dies folge daraus, dass der Betriebsrat das Honorar nicht mit Rechtsanwalt H. persönlich (zwischenzeitlich als Einzelanwalt tätig), sondern mit der C. Agentur UG verabredet habe. Die Vereinbarung benenne unmissverständlich die „C. UG“ als Vertragspartnerin. Dem stünde auch nicht entgegen, dass in der Honorarvereinbarung Rechtsanwalt H persönlich genannt wird. Es könne davon ausgegangen werden, dass der Betriebsrat darauf Wert gelegt habe, seine Interessen ausschließlich durch den benannten Anwalt wahrnehmen zu lassen. Entsprechend hätte sich die C. Agentur UG – als Vertragspartner – lediglich dazu verpflichtet, ihre Dienstleistung ausschließlich durch den benannten Rechtsanwalt zu erbringen.
Die vorliegende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts lässt sich auf den Kostenfreistellungsanspruch des Betriebsrats für eine erforderliche Betriebsratsschulung übertragen. Aus Gründen der Praktikabilität adressieren Schulungsveranstalter im Einvernehmen mit dem Betriebsrat die Rechnung zum Schulungsbesuch direkt an den Arbeitgeber. Zahlt der Arbeitgeber die Rechnung nicht, ist der Betriebsrat aufgerufen, seinen Anspruch auf Kostenfreistellung vor dem Arbeitsgericht geltend zu machen. In jüngster Vergangenheit kam es häufiger vor, dass die Gerichte den Antrag auf Kostenfreistellung schon deshalb abwiesen, weil die Rechnung nicht an den Betriebsrat, sondern an den Arbeitgeber adressiert war.
Zur Begründung führten die Gerichte aus, dass ein Freistellungsanspruch des Betriebsrats gegenüber dem Arbeitgeber voraussetze, dass dieser (der Betriebsrat) von seinem Gläubiger insoweit in Anspruch genommen worden sei. Dies wiederum setze eine Rechnungsstellung voraus. Eine Übersendung der Rechnung an den Arbeitgeber reiche insoweit nicht aus. Diese Rechtsansicht findet ihren Ursprung in einer BAG-Entscheidung aus dem Jahre 2003 (BAG 4. Juni 2003 - 7 ABR 42/02).
Mit der aktuellen Entscheidung wies das BAG explizit darauf hin, dass an dieser Entscheidung nicht mehr festgehalten werde. (sf)