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Coole Typen gesucht: Versteckt sich dahinter eine Benachteiligung wegen des Alters oder des Geschlechts?

„Wir suchen coole Typen – Anlagenmechaniker – Bauhelfer“: Wenn der Arbeitgeber auf diesem Weg neue Mitarbeiter sucht, dann spricht viel dafür, dass sich ausschließlich Männer angesprochen fühlen sollen. Eine Aussage über die gewünschte Alterskategorie der Bewerber wird damit aber nicht getroffen, so das Arbeitsgericht Koblenz.

Arbeitsgericht Koblenz, Urteil vom 09.02.2022, 7 Ca 2291/21

Stand:  24.6.2022
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Das ist passiert

Die Bewerberin hatte sich erfolglos um eine ausgeschriebene Stelle beworben. Nun macht sie Entschädigungsansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz wegen Alters- und sexueller Diskriminierung sowie wegen der Weitergabe der Bewerbung an Dritte geltend.
Die Bewerberin, ihrem biologischen Geschlecht nach ein Mann, ist als selbständige Handwerkerin tätig. Die Arbeitgeberin veröffentlichte eine Stellenanzeige, in der es hieß:
„Wir suchen coole Typen - Anlagenmechaniker - Bauhelfer …“
Die Bewerbungsunterlagen übersandte die Bewerberin per E-Mail. Das Anschreiben war unterzeichnet mit
„Freundliche Grüße, Frau Markus …“
Der Geschäftsführer der Arbeitgeberin leitete die Bewerbung noch am selben Tag per WhatsApp an eine gemeinsame Kundin weiter, versehen mit der Anmerkung „Was läuft da nur falsch“ sowie einem Smiley mit heruntergezogenen Mundwinkeln. Daraufhin macht die Bewerberin gerichtlich Entschädigungsansprüche geltend.

Das entschied das Gericht

Der Bewerberin steht eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zu, entschied das Gericht. Dazu führte es unter anderem aus:
Die Arbeitgeberin habe gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 iVm § 1 AGG verstoßen. Vorliegend sei von einer unmittelbaren Benachteiligung auszugehen, die vorliege, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes (Rasse, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexuelle Identität) eine weniger günstige Behandlung erfährt, erfahren hat oder erfahren würde als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Die sich nachteilig auswirkende Maßnahme muss dabei direkt an das verbotene Merkmal anknüpfen.
Die Benachteiligung sei hier allerdings nicht wegen ihres Alters erfolgt, wie von der Bewerberin vorgetragen. Wenn die Arbeitgeberin in ihrer Stellenausschreibung „coole“ Typen suche, so ließe sich dem nicht entnehmen, dass sie lediglich Bewerber eines (wie auch immer zu bestimmenden) „jungen“ Alters suche. Bei dem Wort „cool“ handle es sich um einen mittlerweile eingebürgerten und in der allgemeinen Kommunikation gängigen Begriff, der weder ausschließlich oder typischerweise nur von jüngeren Personen benutzt noch umgekehrt ausschließlich oder hauptsächlich auf jüngere Personen angewendet würde. Cool könnten Personen, Verhaltensweisen, Ereignisse oder sonstige Umstände sein, der Begriff diene der saloppen Bezeichnung einer besonders gelassenen, lässigen, nonchalanten, kühlen, souveränen, kontrollierten, nicht nervösen Geisteshaltung oder Stimmung sowie der Kennzeichnung besonders positiv empfundener, den Idealvorstellungen entsprechender Sachverhalte. Einen Altersbezug weise er nicht auf.
Das Gericht erkannte allerdings eine Benachteiligung wegen des Geschlechts.
Die Arbeitgeberin hätte ausweislich der Stellenausschreibung „Anlagenmechaniker“ und „Bauhelfer“ gesucht, sie hätte mithin ausschließlich die maskuline Form verwendet. Dies deute darauf hin, dass sie sich nur an Männer und nicht an Personen anderen Geschlechts richten wolle. Eine solche geschlechtsspezifische Formulierung begründe ein Indiz für eine geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung und für einen Verstoß gegen das in § 11 AGG verankerte Verbot benachteiligender Stellenausschreibungen. Soweit die Arbeitgeberin coole „Typen“ suche, sei der Begriff Typ grammatikalisch zwar ein maskulines Substantiv, inhaltlich jedoch geschlechtsunspezifisch. Gleichwohl würden die auf den Begriff Typ folgenden Wörter „Anlagenmechaniker“ und „Bauhelfer“ nahelegen, dass die Arbeitgeberin tatsächlich männliche Typen suche.
Sowohl das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz wie auch die Gleichbehandlungsrichtlinie 2006/54/EG erstrecke ihren Schutz vor Benachteiligungen wegen des Geschlechts auf transsexuelle Personen, die sich nicht mehr dem Geschlecht, dem sie im Zeitpunkt ihrer Geburt zugeordnet wurden, sondern einem anderen Geschlecht zugehörig fühlen. Für diesen Schutz bedarf es weder einer Angleichung des Vornamens noch eines Statuswechsels des Geschlechts noch einer Geschlechtsumwandlung; es genüge, wenn biologisches und psychisches Geschlecht nachhaltig auseinanderfallen.
Ein Indiz für die Benachteiligung sei auch der Kommentar des Geschäftsführers der Arbeitgeberin zur weitergeleiteten Bewerbung. Der WhatsApp-Vermerk „Was läuft da nur falsch“, verbunden mit einem verdrossenen Smiley mit herabhängenden Mundwinkeln, dürfte sich als unzweifelhaft negative Aussage auf den Umstand beziehen, dass die Bewerbung von „Frau Markus …“ stammt.
Die Kammer hielt eine Entschädigung von 5.000 € für angemessen. Darüber hinaus hat das Gericht der Bewerberin eine Entschädigung dafür zugesprochen, dass die Arbeitgeberin ihre Bewerbung Dritten zugänglich gemacht hat. Die Persönlichkeitsrechts-/Datenschutzverletzung hielt die Kammer mit einem Betrag von 1.000 € für hinreichend sanktioniert.

Bedeutung für die Praxis

Immer wieder kommt es vor, dass fehlerhafte Stellenausschreibungen zu Schadensersatzansprüchen von Bewerbern führen. Im Fokus stand mit Inkrafttreten des AGG seit 2016 zunächst geschlechtsneutrale Adressierung an Frauen und Männer. Spätestens seit dem 01.01.2019 folgte die Pflicht, dass Ausschreibungen genderneutral formuliert werden müssen. Die meisten Pesonalabteilungen lösen dass mit der Abkürzung „m/w“d“ hinter der Jobbezeichnung.
Interessant ist hier zudem auch der Aspekt des Datenschutzes: Eigentlich es selbstverständlich sein, dass Bewerberdaten streng zu schützen sind. Aber es zeigt sich wie in diesem Fall doch leider immer wieder, dass damit zum Teil nicht sehr sorgfältig umgegangen wird. „Cool“ ist das nicht! (sf)

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