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Darf eine katholische Organisation einer Arbeitnehmerin kündigen, weil sie aus der katholischen Kirche ausgetreten ist, obwohl die gleiche Tätigkeit auch von evangelischen Mitarbeitern ausgeübt wird? Die Generalanwältin beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) ist der Ansicht: Nein.
EuGH, Schlussantrag der Generalanwältin vom 10.07.2025, C-258/24
Vorlagefrage des BAG vom 01.02.2024, 2 AZR 196/22
Eine Sozialpädagogin war bei einer katholischen Beratungsstelle beschäftigt, einer Einrichtung, die staatlich anerkannte Beratung zu Schwangerschaftsabbrüchen anbietet. Während ihrer Elternzeit trat sie aus der Kirche aus. Als Grund nannte sie das besondere Kirchgeld der Diözese Limburg. Hierbei handelt es sich um ein besonderes Kirchgeld in Form einer Kirchensteuer, das glaubensverschiedene Ehepartner betrifft, die sich zusammen veranlagen lassen. Die Abgabe beträgt je nach Einkommenshöhe zwischen 96 und 3.600 Euro im Jahr.
Die katholische Einrichtung als Trägerin der Beratungsstelle und Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Begründung, dass der Kirchenaustritt einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Loyalitätspflichten darstelle. Aber: Zwei Kolleginnen im sechsköpfigen Beratungsteam waren evangelisch.
Die Sozialpädagogin erhob Kündigungsschutzklage und bekam vor den Vorinstanzen recht. Die Arbeitgeberin ging in Revision, das Bundesarbeitsgericht (BAG) legte dem EuGH zur Klärung europarechtlicher Fragen ein Vorabentscheidungsersuchen vor.
In ihrem Schlussantrag stellte die Generalanwältin klar: Die Kündigung stellt eine unmittelbare Diskriminierung wegen der Religion im Sinne der europäischen Gleichbehandlungsrichtlinie 2000/78/EG dar und ist nicht gerechtfertigt.
Zwar lässt die Richtlinie in bestimmten Fällen eine Ungleichbehandlung zu, etwa wenn die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt. Diese Voraussetzungen sei im vorliegenden Fall jedoch nicht erfüllt. Die Generalanwältin argumentiert folgendermaßen:
Zum einen wird dieselbe Tätigkeit von nicht-katholischen Mitarbeitern ausgeübt, somit sei die Kirchenzugehörigkeit offensichtlich keine notwendige Voraussetzung für die Tätigkeit. Zum anderen begründe der Kirchenaustritt nicht automatisch eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Loyalitätspflichten. Das Recht religiöser Organisationen auf Autonomie dürfe nicht so weit gehen, dass damit Diskriminierung gegen das europäische Arbeitsrecht gerechtfertigt wird.
Die Generalanwältin macht deutlich: Es muss ein ausgewogenes Verhältnis zwischen dem Recht der Arbeitnehmerin, aus der Kirche auszutreten, und dem Recht der Kirche, ihre eigenen Regeln festzulegen geben. Das Recht der Kirche dürfe aber nicht so weit gehen, dass Gerichte die Entscheidung nicht mehr überprüfen dürfen. Das würde gegen Europarecht verstoßen.
Achtung: Der Schlussantrag zeig zwar eine klare Tendenz, doch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs steht noch aus. Zwar folgt der EuGH den Empfehlungen der Generalanwältin in vielen Fällen, aber eben nicht immer. Es bleibt also abzuwarten, wie das Gericht letztlich urteilt.
Die katholische und evangelische Kirche ist nach dem öffentlichen Dienst der zweitgrößten Arbeitgeber in Deutschland. Viele Arbeitsverhältnisse fallen daher unter besondere kirchliche Bedingungen, die sich von denen anderer Arbeitgeber unterscheiden. Dieser Fall zeigt, dass kirchliche Sonderregelungen nicht automatisch über den Diskriminierungsschutz gestellt werden können.
Entscheidend ist, ob die Religionszugehörigkeit tatsächlich eine wesentliche Voraussetzung für die jeweilige Tätigkeit ist, vor allem wenn Mitarbeiter verschiedener Glaubensrichtungen zusammenarbeiten. Betriebsräte sollten Kündigungen in kirchennahen Einrichtungen genau prüfen, die Entscheidung des EuGH aufmerksam verfolgen und ggf. den Dialog mit den Trägern suchen. Die Generalanwältin betont, dass die Religionsfreiheit der Beschäftigten nicht durch pauschale Loyalitätsforderungen beschnitten werden darf. Wie der EuGH letztlich entscheidet, bleibt abzuwarten. (lg)