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Diskriminierungsverbot: Teilzeitkräfte haben denselben Anspruch auf Überstundenzuschläge wie Vollzeitbeschäftigte

Teilzeitbeschäftigte haben ab der ersten Überstunde denselben Anspruch auf Zuschläge wie ihre vollzeitbeschäftigten Kollegen, so das Bundesarbeitsgericht (BAG). Eine Ausnahme ist nur dann zulässig, wenn sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 05.12.2024, 8 AZR 370/20

Stand:  7.1.2025
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Das ist passiert

Geklagt hatte eine Pflegekraft, die bei einem ambulanten Dialyseanbieter in Teilzeit angestellt war. Der Tarifvertrag des Unternehmens sah für Überstunden zwar einen Zuschlag von 30 Prozent vor – allerdings erst dann, wenn die reguläre Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten überschritten wurde. Da ihre individuell vereinbarte Arbeitszeit 40 Prozent einer Vollzeitstelle betrug, erhielt sie weder einen Zuschlag noch eine Zeitgutschrift für ihre rund 129 geleisteten Überstunden. Dagegen und gegen die damit einhergehende Diskriminierung als Frau hatte die Betroffene geklagt. Sie forderte von ihrem Arbeitgeber eine Gutschrift der Überstundenzuschläge, außerdem verlangte sie eine Entschädigungszahlung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe eines Vierteljahresverdienstes.

Das entschied das Gericht

Das Arbeitsgericht wies die Klage zunächst ab. Im Berufungsverfahren hatte das Hessische Landesarbeitsgericht ihr dann zwar die Zeitgutschrift zuerkannt, jedoch die Entschädigungsforderung abgewiesen. Der Achte Senat des BAG setzte dann im Oktober 2021 das Revisionsverfahren aus und ersuchte den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) um rechtliche Klärung hinsichtlich der Auslegung von Unionsrecht. Dieser entschied am 29. Juli 2024, dass die tarifvertragliche Regelung gegen das Unionsrecht verstoße, da sie Teilzeitbeschäftigte unzulässig benachteilige.

Das BAG folgte nun den Vorgaben des EuGH und stellte klar, dass tarifliche Regelungen, die Teilzeitbeschäftigte nur dann für Überstunden entschädigen, wenn diese die Arbeitszeit von Vollzeitkräften überschreiten, gegen das Diskriminierungsverbot des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) verstoßen. Eine unterschiedliche Behandlung ist laut Ansicht des Gerichts nur dann zulässig, sofern sachliche Gründe vorliegen, die sie rechtfertigen. Einen sachlichen Grund für diese Ungleichbehandlung konnte der Senat im vorliegenden Fall aber nicht erkennen, der Klägerin wurde deshalb die verlangte Zeitgutschrift zugesprochen.

Darüber hinaus entschieden die Bundesarbeitsrichter, dass die Klägerin durch die Anwendung der tarifvertraglichen Regelung auch mittelbar wegen des Geschlechts benachteiligt wurde. In der Gruppe der Teilzeitkräfte waren nämlich zu mehr als 90 Prozent Frauen vertreten. Das BAG setzte daher eine Entschädigung in Höhe von 250 Euro fest. Dieser Betrag sei erforderlich, aber auch ausreichend, um sowohl den immateriellen Schaden der Pflegekraft auszugleichen als auch eine abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber zu entfalten. Ursprünglich hatte die Klägerin eine Entschädigung in Höhe eines Vierteljahresverdienstes – rund 4.500 Euro – gefordert.

Bedeutung für die Praxis

Diskriminierung aufgrund von Teilzeit oder wegen des Geschlechts ist unzulässig – das dürfte jedem klar sein. Wann aber eine Diskriminierung vorliegt, ist häufig nicht so eindeutig, wie man annehmen könnte. Wie man an dieser Entscheidung sieht, können tarifvertragliche Regelungen – auch wenn sie auf den ersten Blick geschlechtsneutral erscheinen – eine diskriminierende Wirkung haben, weil Frauen davon erheblich härter betroffen sind als Männer. Teilzeittätigkeiten werden nach wie vor weit überwiegend von Frauen ausgeübt. Solche Regelungen betreffen damit einen signifikant höheren Anteil von Frauen als Männer. Frauen sind somit gleich doppelt betroffen, weil die eigentlichen Gründe für die Teilzeitarbeit in der ebenfalls unbezahlten Care-Arbeit liegen.

Die Anforderungen an diskriminierungsfreie Vergütungsstrukturen steigen also. Das Urteil dürfte zudem eine Vielzahl von Tarifverträgen betreffen. Entsprechende Klauseln sind in Tarifverträgen üblich und weit verbreitet, da sie Arbeitgebern bislang viel Flexibilität beim Einsatz von Teilzeitbeschäftigten – ohne zusätzliche Kosten – ermöglichten. Damit ist jetzt aber Schluss: nach den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs und der Umsetzungsentscheidung des BAG sind solche Regelungen nicht mehr zulässig (sh) 

Vorinstanzen:

  • EuGH, Urteil vom 29. Juli 2024 (C-184/22 und C-185/22) 
  • Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 19.12.2019 (Az.: 5 Sa 436/19)

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