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Eine formularmäßige Klausel, die den Arbeitgeber berechtigt, einen Arbeitnehmer innerhalb der Kündigungsfrist ohne weitere Gründe freizustellen, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen im Sinne des § 307 BGB und ist unwirksam.
Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 22.05.2025, 5 SLa 249/25
Es geht um die Zahlung einer Entschädigung für den Entzug des Dienstwagens nach erfolgter Freistellung während der laufenden Kündigungsfrist.
Der Arbeitnehmer war seit Anfang 2022 bei der Beklagten als Gebietsleiter tätig. Er kündigte sein Arbeitsverhältnis mit der vertraglichen Kündigungsfrist von sechs Monaten zum 30.11.2024. Der Arbeitgeber stellte ihn nach Zugang seiner Kündigung einseitig mit Schreiben vom 31.5.2024 von der Erbringung der Arbeitsleistung frei und forderte ihn auf, seinen Dienstwagen bis zum 30.6.2024 an sie herauszugeben. Dieser Aufforderung kam der Kläger nach. Die Beklagte zahlte an ihn keine Entschädigung für den Entzug des Dienstwagens. Bei dem Dienstwagen handelte es sich um das einzige, dem Kläger zur Verfügung stehende Fahrzeug. Grundlage für die Nutzung des Dienstwagens war ein Dienstwagenvertrag.
Die Freistellungsreglung des Arbeitsvertrages benachteiligt den Kläger gem. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unangemessen und ist daher unwirksam.
Die in der Klausel geregelte Berechtigung, einen Arbeitnehmer im Falle einer Kündigung ohne Vorliegen besonderer Voraussetzungen freizustellen, ist mit dem wesentlichen Grundgedanken des höchstrichterlichen anerkannten Beschäftigungsanspruches eines Arbeitnehmers nicht vereinbar. Danach besteht ein Beschäftigungsanspruch grundsätzlich auch nach Ausspruch einer Kündigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist. Hintergrund dieser Beschäftigungspflicht ist eine ergänzende Rechtsfortbildung des Dienstvertragsrechts der §§ 611 ff. BGB auf Grundlage des § 242 BGB i.V.m. Artikel 1 und 2 GG. Bis zum Ablauf der Kündigungsfrist tritt dieser allgemeine Beschäftigungsanspruch nur zurück, wo überwiegende schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers oder jedenfalls sachliche Gründe entgegenstehen.
Sachliche Gründe könnte beispielsweise die Besorgnis der Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen, befürchtete Konkurrenztätigkeit oder Mitnahme von Kunden sein. Das Transparenzgebot des § 307 Abs. 2 BGB fordert weiterhin, dass die zur Freistellung berechtigenden Gründe konkret in der Vereinbarung genannt werden. Eine Klausel, wie sie hier verwendet wurde, die ohne weitere Vorbedingungen den Arbeitgeber für die Kündigungsfrist zur Freistellung eines Arbeitnehmers berechtigt, verkehrt das Verhältnis von Regel- und Ausnahmefall, ungeachtet einer in jedem Einzelfall vorzunehmenden Kontrolle bei der Ausübung eines formularmäßig eingeräumten Rechts, ob die Grenzen billigen Ermessens überschritten wurden. Die Regelung ist daher gem. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.
Das Recht eines Arbeitnehmers, im laufenden Arbeitsverhältnis nicht nur seine Vergütung zu empfangen, sondern auch die Arbeitsleistung erbringen zu dürfen, hat nach Auffassung des Gerichts einen derart hohen Stellenwert, dass allein der Umstand einer Kündigung, egal von welcher Seite, die gegenteiligen Interessen der Arbeitgeberseite nicht ausreichend zum Ausdruck bringt und daher hinter das Beschäftigungsinteresse eines Arbeitnehmers zurücktreten muss.
Auch aufgrund allgemeiner Erwägungen durfte die Beklagte den Kläger innerhalb der Kündigungsfrist nicht von der Erbringung der Arbeitsleistung freistellen. Insbesondere standen seinem Beschäftigungsinteresse keine überwiegend schutzwürdigen Interessen der Beklagten entgegen.
Eine Beschäftigungspflicht gilt allerdings nur, wenn der Arbeitnehmer die Beschäftigung verlangt. Davon kann im Regelfall ausgegangen werden. In einem ordentlich gekündigten Arbeitsverhältnis während des Laufes der Kündigungsfrist oder nach deren Ablauf kann dies allerdings zweifelhaft sein. Dann muss der Arbeitnehmer gegebenenfalls seine Beschäftigung verlangen. (dz)