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Ein Verstoß gegen das sogenannte Maßregelungsverbot liegt nicht vor, wenn die Rechtsausübung des Arbeitnehmers – sich gegen eine Corona-Schutzimpfung zu entscheiden – nicht der tragende Beweggrund für eine Kündigung durch den Arbeitgeber war. Dies kann der Fall sein, wenn der Arbeitgeber im Rahmen seiner unternehmerischen Entscheidungsfreiheit die Umsetzung eines bestimmten Anforderungsprofils („2G-Modell im Musicalaufführungsbetrieb“) für alle Arbeitsplätze im Betrieb anstrebt und dieses allgemeingültige Profil mit höchstpersönlichen Entscheidungen des daraufhin gekündigten Arbeitnehmers unvereinbar ist.
Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 3.2.2022 – 17 Ca 11178/21
Die Arbeitnehmerin und die Arbeitgeberin, zwei Veranstaltungsgesellschaften, streiten über die Wirksamkeit zweier Kündigungen. Die Arbeitnehmerin schloss mit der Arbeitgeberin zu 1 einen Arbeitsvertrag, der die befristete Beschäftigung als Darstellerin zum Zwecke von Proben für das Musical „Ku’damm 56“ mit einer vierwöchigen Probezeit vorsah. Ferner schloss sie mit der Arbeitgeberin zu 2 einen schriftlichen Arbeitsvertrag über die Beschäftigung als Darstellerin in dem besagten Musical bis zum Ende des Aufführungszeitraums.
Nachdem die Arbeitgeberinnen erfahren hatten, dass die Klägerin nicht über eine Schutzimpfung gegen das Coronavirus (SARS-CoV-2) verfügt, kündigten sie mit bzw. vor Vertragsbeginn ordentlich und fristgerecht.
Die Arbeitnehmerin macht insbesondere geltend, dass die Kündigungen mangels einer Corona-Schutzimpfung eine unzulässige Maßregelung darstellen.
Die Kündigungen sind wirksam und haben die Arbeitsverhältnisse zum jeweils vorgesehenen Beendigungszeitpunkt aufgelöst. Die Kündigungen sind nicht wegen eines Verstoßes gegen § 612a BGB unwirksam, so das Gericht. Nach dem sogenannten Maßregelungsverbot, darf ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Die Bestimmung diene dazu, dem typischen Ungleichgewicht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, das sich aus dem Weisungsrecht des Arbeitgebers und der Weisungsunterworfenheit des Arbeitnehmers ergibt, entgegenzuwirken.
Das Maßregelungsverbot greife dann, wenn die zulässige Rechtsausübung der tragende Beweggrund ist, also das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme. Dies sei hier nicht der Fall.
Zwar sei es Ausdruck des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmerin, sich gegen die Inanspruchnahme einer gesetzlich nicht vorgeschriebenen Schutzimpfung zu entscheiden und den Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit nicht hinzunehmen. Indem sie ihre Absicht bekundet hat, ihre Beschäftigung ohne den Impfschutz aufzunehmen, habe sie zudem auch ein bestehendes Recht ausgeübt. Durch die beiden Kündigungen werde die Arbeitnehmerin auch benachteiligt. Es fehlt jedoch am notwendigen Kausalzusammenhang zwischen Rechtsausübung und Benachteiligung.
Die persönliche Haltung der Arbeitnehmerin zur Corona-Schutzimpfung sei nicht tragendes Motiv beim Kündigungsentschluss gewesen, sondern gab lediglich Anlass zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Arbeitgeberinnen hätten erklärt, mit Blick auf den Infektionsschutz für die Gesamtbelegschaft das Anforderungsprofil aller Beschäftigten dahingehend ausgestaltet zu haben, dass diese die sogenannten 2-G-Voraussetzungen zu erfüllen haben. Sie müssten entweder gegen das Coronavirus (SARS-CoV-2) geimpft oder nach einer Infektion mit dem Virus genesen seien.
Das Gericht vertritt die Ansicht, dass es einem Arbeitgeber im Rahmen der unternehmerischen Freiheit freisteht, das „2G-Modell“ als allgemeingültiges Anforderungsprofil für alle Arbeitsplätze im Betrieb durchsetzen. Eine Kündigung, die ausgesprochen wird, weil bei Umsetzung des allgemeinen unternehmerischen Konzepts die Beschäftigungsmöglichkeit entfalle, könne grundsätzlich keine Maßregelung beinhalten.
Stützen Arbeitnehmer ihre Entscheidung gegen die Inanspruchnahme der Schutzimpfung allein auf medizinische Bedenken, kann mit dem Ausschluss nicht geimpfter Arbeitnehmer nach Ansicht des Gerichts auch nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstoßen werden.
Das vorgeschriebene Anforderungsprofil („2-G-Modell“) erscheine auch nicht willkürlich, da anderweitig mögliche Vorgaben die Betriebsabläufe stärker beeinträchtigen würden. Insbesondere brächte die Beschäftigung nicht geimpfter Personen aufgrund strengerer Quarantäneregelungen ein höheres Risiko für etwaige Personalausfälle und damit zugleich für den gesamten Musical-Aufführungsbetrieb mit sich.
Die Arbeitnehmerin können nicht verlangen, dass die Arbeitgeberinnen ein Schutzkonzept umsetzen, welches einen höheren Kosten- und Personalaufwand verursacht. In der Abwägung der beiderseitigen Interessen müsste die unternehmerische Handlungsfreiheit der Arbeitgeberinnen nicht hinter der höchstpersönlichen Entscheidung der Arbeitnehmerin gegen die Inanspruchnahme einer Corona-Schutzimpfung zurücktreten. Dies gälte umso mehr, als bei der Abwägung auch der Schutz der körperlichen Unversehrtheit der übrigen Beschäftigten zu berücksichtigen sei.
Auch wenn es so aussieht, als würde die Bundesregierung die allgemeinen Corona-Sonderregelungen langsam auslaufen lassen, zeigt die Entscheidung, dass das Thema Corona-Pandemie die Arbeitsgerichte noch längere Zeit beschäftigen wird.