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Vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit? Heimliche Filmaufnahmen dürfen vor Gericht nicht verwertet werden

Der Fall klingt wie ausgedacht: Weil ein Arbeitgeber Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit seines Mitarbeiters hatte, ließ er diesen heimlich von einem Privatdetektiv durch ein Loch in der Hecke seines Privatgrundstücks filmen. Hatte die Kündigung Bestand?

LAG Nürnberg, Entscheidung vom 29.11.2022, 1 Sa 250/22

Stand:  30.5.2023
Lesezeit:  01:45 min
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Das ist passiert

Die Parteien streiten über die Berechtigung einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers. 
Der mit einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellte Kläger war seit 23 Jahren als Betontechnologe beim Arbeitgeber beschäftigt. Seit November 2020 war er, mit Ausnahme von einer Woche, durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. 
Der Arbeitgeber hatte Zweifel, ob der Arbeitnehmer tatsächlich so schwer erkrankt ist. Er beauftragte am 28.09.2021 einen Privatdetektiv, der nach Hinweisen auf eine vorgeschobene Arbeitsunfähigkeit suchen sollte. Dieser filmte den Kläger auf dessen Privatgrundstück durch ein Loch in der Gartenhecke. Den Angaben zufolge führte der Kranke stundenlang schwere körperliche Arbeiten beim Bau einer Gartenmauer und einer Terrasse aus.
Der Arbeitgeber kündigte dem Arbeitnehmer aus diesem Grund fristlos. Er habe sich gesundheitsschädlich verhalten und die Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht. Der Betriebsrat hatte der Kündigung zugestimmt.
Im Kündigungsschutzverfahren bestritt der Kläger, dass er gesundheitsschädliche schwere körperliche Arbeiten geleistet habe. Dazu sei er gar nicht in der Lage; räumte allerdings ein, Handlangerdienste geleistet und, um die Belastungsfähigkeit seiner Schulter zu testen, auch einen Zwei-Takt-Stampfer bedient zu haben. 

Das entschied das Gericht

Die Kündigungsschutzklage hatte Erfolg. Der Arbeitgeber war nicht befugt gewesen, den arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmer durch ein Loch in der Hecke auf seinem Privatgrundstück beobachten und filmen zu lassen. 
Die Überwachung des Klägers auf seinem Privatgrundstück stelle eine unverhältnismäßige Erhebung personenbezogener Daten dar. Die beobachteten Tatsachen unterliegen im Prozess einem Verwertungsverbot. Den Arbeitnehmer durch ein Loch in der Hecke beobachten und filmen lassen, sei ein erheblicher Eingriff in die geschützte Privatsphäre des Klägers gewesen. Ein solcher Eingriff könnte allenfalls gerechtfertigt sein, wenn konkrete Verdachtsmomente für eine schwere Pflichtverletzung vorgelegen hätten. Dies war jedoch hier nicht der Fall. 
Das Verwertungsverbot erstreckte sich dabei sowohl auf die als Beweismittel angebotene Videoaufzeichnung als auch auf den schriftlichen Bericht der Detektei wie auf das Angebot der Vernehmung der Detektive als Zeugen.
Verwertet werden durften hingegen die Einlassungen des Klägers zu den Gartenbauarbeiten. Eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung wegen genesungswidrigen Verhaltens rechtfertigten diese aber nicht.
Am Ende blieb der Arbeitnehmer aber trotzdem nicht im Unternehmen: Das Arbeitsverhältnis wurde auf seinen Antrag hin gerichtlich aufgelöst. Das Gericht sprach ihm eine Abfindung in Höhe von 35.000 Euro zu.

Bedeutung für die Praxis

Personenbezogene Daten eines Beschäftigten dürfen für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses nur erhoben, verarbeitet und genutzt werden, soweit dies für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Zur Beendigung im Sinne der Kündigungsvorbereitung gehört die Aufdeckung einer Pflichtverletzung, die die Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen kann. Aber: Die Datenerhebung darf keine übermäßige Belastung für den Arbeitnehmer darstellen. So dürfen Arbeitnehmer grundsätzlich erwarten, dass besonders eingriffsintensive Maßnahmen nicht ohne einen durch Tatsachen begründeten Verdacht einer Straftat oder schweren Pflichtverletzung ergriffen werden, dass insbesondere nicht „ins Blaue hinein“ oder wegen des Verdachts bloß geringfügiger Verstöße eine heimliche Überwachung erfolgt. (cbo)

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