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Die Corona-Pandemie kann im Einzelfall dazu führen, dass ein Betriebsrat auch gegen seinen Willen verpflichtet ist, Betriebsratssitzungen digital im Sinne des § 129 Abs. 1 BetrVG durchzuführen - etwa wenn die Ausrichtung des Betriebs besondere Schutzmaßnahmen erfordert.
Arbeitsgericht Regensburg, Beschluss vom 07. Dezember 2020, 2 BVGa 7/20
Die Arbeitgeberin betreibt mit rund 300 Arbeitnehmern Wohnheime und Förderstätten für Menschen mit Behinderung. Die Betriebsratsmitglieder sind in verschiedenen Wohnheimen tätig. Aufgrund der Corona-Pandemie erstellte die Arbeitgeberin ein Hygienekonzept, ohne dabei den Betriebsrat zu beteiligen. Laut diesem Hygienekonzept waren ab Anfang November 2020 alle Präsenzveranstaltungen in den Einrichtungen untersagt. Nach drei digitalen Sitzungen beschloss der Betriebsrat, trotzdem zu Betriebsratssitzungen in Präsenz zurückzukehren. Die Arbeitgeberin reagierte mit einem Hausverbot, um Präsenzsitzungen zu unterbinden. Der Betriebsrat sieht sich nach § 78 S. 1 BetrVG in seiner Betriebsratsarbeit behindert. Es sei seine Entscheidung, in welcher Form Betriebsratssitzungen stattfinden. Die Arbeitgeberin argumentiert, dass die Bewohner der Wohnheime zu der besonders schützenswerten Gruppe der Bevölkerung zählen.
Das Arbeitsgericht gibt in diesem Fall der Arbeitgeberin recht. Der Betriebsratsvorsitzende müsse sein Ermessen aus § 129 Abs.1 S.1 BetrVG pflichtgemäß ausüben. Treten besondere Umstände hinzu, könne sich dieses Ermessen auch auf Null reduzieren. Dann müsse der Betriebsrat die vorgesehenen technischen Möglichkeiten nutzen, wenn solche vorhanden sind und es der Sitzungsinhalt zulässt. Das sei hier der Fall. Drei Sitzungen konnten schließlich unproblematisch auch in digitaler Form stattfinden. Auch wegen des Grundsatzes der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG) sei es nachvollziehbar, wenn ein Arbeitgeber in der Hochphase einer Pandemie zum Schutz der teils mehrfachbehinderten Bewohner eine einrichtungsübergreifende Zusammenkunft von Personen untersage. Es sei weder rechtlich noch aus Vernunftgründen nachvollziehbar, weshalb der Betriebsrat dennoch auf Präsenzsitzungen poche.
Entscheidend ist, dass es hier um einen Einzelfall handelt. Für das Arbeitsgericht war unter anderem ausschlaggebend, dass die Regierung zum Zeitpunkt seiner Entscheidung (Dezember 2020) die Maßnahmen und Einschränkungen zur Bekämpfung des Virus fortlaufend verstärkte. Auch die Anforderungen für das Betreten von Altenheimen, Krankenhäusern und Behinderteneinrichtungen wurden erhöht. Dabei betont das Gericht, dass die Untersagung der Arbeitgeberin bei einem veränderten Infektionsgeschehen oder erfolgter Durchimpfung zu überdenken sei.
Das Arbeitsgericht verweist im Rahmen seiner Begründung auch auf die anderslautende Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.08.2020, 12 TaBVGa 1015/20. Dort wurden Präsenzsitzungen eines Gesamtbetriebsrats für zulässig gehalten. Aber: Im vorliegenden Fall bestehe kein besonderer Anlass, die Regelsitzungen dieses Betriebsrats im Dezember als Präsenzsitzungen durchzuführen. Trotz der ausführlichen Begründung bleibt im Raum stehen, dass allein der Betriebsrat über die Form seiner Sitzungen entscheidet (Recht zur Selbstorganisation) und es sich bei § 129 BetrVG auch nur um eine befristete Sonderregelung handelt. Es ist gut möglich, dass ein anderes Arbeitsgericht anders entschieden hätte, nämlich dass der Betriebsrat sein Ermessen pflichtgemäß ausgeübt hatte. Denn nach dem Betriebsverfassungsgesetz entscheidet der Vorsitzende über die Einberufung der Sitzung und damit den Sitzungsort. (jf)
§ 129 BetrVG: Regelfall oder Ausnahme? Der Betriebsrat und die Videokonferenz