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Was bedeutet „sich schützend vor den Arbeitnehmer stellen“ beim Ausspruch einer Druckkündigung?

Will der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer durch eine sogenannte echte Druckkündigung entlassen, weil die anderenfalls angedrohten Eigenkündigungen der Kollegen zu schweren wirtschaftlichen Schäden führen würden, muss er sich dennoch erst schützend vor den Arbeitnehmer stellen und versuchen, die Drohung abzuwenden.  Dafür genügt es nicht, wenn es zeitlich vor den Eigenkündigungsandrohungen Gespräche und Mediationen wegen eines Konflikts mit dem betroffenen Arbeitnehmer gegeben hat.

Arbeitsgericht Nordhausen, Urteil vom 13.07.2022, 2 Ca 199/22

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Redaktion
Stand:  13.9.2022
Lesezeit:  06:00 min
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Das ist passiert

Die Arbeitnehmerin und die Arbeitgeberin streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Druckkündigung. Die Arbeitnehmerin war seit 2002 als Heilpädagogin und später als Erzieherin tätig. 2017 wurde sie zur Leiterin der Kindertageseinrichtung befördert.
In der Folgezeit gab es mehrere sogenannte Supervisionen, sowohl als Gruppen-, als auch als Einzelvision ausschließlich mit der Arbeitnehmerin. Die Maßnahmen sollten die Teambildung fördern. Im Jahr 2021 beschwerten sich Mitarbeiter beim Bürgermeister der Arbeitgeberin hinsichtlich des Führungsstils der Arbeitnehmerin und des Umganges mit den Kollegen. Gegenstand der Beschwerden waren unter anderem, dass die Arbeitnehmerin sich nicht an Arbeitszeiten halte und private Dinge während der Arbeit erledigen würde; sie bestünde auf starre Urlaubsplanung, an die sie sich selbst aber nicht halte. Ebenso beschwerten sich die Mitarbeiter, dass die Arbeitnehmerin sie ohne Respekt und von oben herab behandeln würde, keine Selbstreflexion hinsichtlich eigener Fehler habe, Anrufe bei kranken Kollegen zu Hause tätigen würde und dass die Mitarbeiter grundsätzlich ohne dienstliche Notwendigkeit Minusstunden leisten müssten.
Daraufhin wurde ein weiteres Gespräch, mit verschiedenen Beteiligten und unter Beziehungen des Personalrats, ein Team-Workshop und ein Mediationsverfahren, das nach einer halben Stunde abgebrochen wurde, durchgeführt. Ab Januar 2022 war die Arbeitnehmerin arbeitsunfähig erkrankt.
Mit Hilfe eines Fragebogens hat die Arbeitgeberin sodann sämtliche Mitarbeiter befragt:

  • „(…) möchten wir Sie bitten das Fehlverhalten von Frau Sch…  zu benennen.
  • (…), ob Sie sich eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit Frau Sch…. vorstellen können. Bitte begründen Sie Ihre Entscheidung.
  • Können Sie sich vorstellen, Frau Sch…. beim Abstellen von Fehlern in der Einrichtungsleitung zu unterstützen?
  • Was würde es für Sie und Ihre berufliche Zukunft bedeuten, wenn Frau Sch…. erneut die Möglichkeit bekommen würde, Mängel in der Einrichtungsleitung abzustellen? (…).“

Gegen die folgende ausgesprochene außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentliche Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt erhob die Arbeitnehmerin Kündigungsschutzklage. Der Personalrat hatte zuvor sowohl der fristlosen als auch einer fristgerechten Kündigung zugestimmt.

Das entschied das Gericht

Es liege kein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung vor, so das Gericht. Ebenso gäbe es keinen Kündigungsgrund für die ordentliche Kündigung. Die Voraussetzungen für eine sogenannte echte (außerordentlichen) Druckkündigung seien ebenfalls nicht gegeben.
Eine Druckkündigung läge nach der Rechtsprechung vor, wenn Dritte unter Androhung von Nachteilen für den Arbeitgeber von diesem die Entlassung eines bestimmten Arbeitnehmers verlangen. Fehlt es an einer objektiven Rechtfertigung der Drohung, also an einem wichtigen Grund im Sinne des § 626 BGB für eine fristlose Kündigung, bzw. einem Grund für eine verhaltens- oder personenbedingte Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG, so komme nach der Rechtsprechung des BAG eine Kündigung aus betriebsbedingten Gründen in Betracht.
An die Zulässigkeit einer so genannten „echten Druckkündigung“ seien allerdings strenge Anforderungen zu stellen. Der Arbeitgeber hätte sich in diesem Fall unter anderem zunächst schützend vor den betroffenen Arbeitnehmer zu stellen. Nur wenn auf diese Weise die Drohung nicht abgewendet werden könne und bei Verwirklichung der Drohung schwere wirtschaftliche Schäden für den Arbeitgeber drohen würden, könne die Kündigung sozial gerechtfertigt sein.
Die Arbeitgeberin hätte keinen Versuch unternommen sich nach den Eigenkündigungsdrohungen schützend vor die Arbeitnehmerin zu stellen. Das Gegenteil sei der Fall: Nachdem das Mediationsgespräch abgebrochen worden sei und anschließend eine nicht näher benannte Anzahl an Mitarbeiter Eigenkündigungen angedroht haben sollen, habe die Arbeitgeberin eine Umfrage mit suggestiven Fragen durchgeführt (siehe oben). Die Fragerichtung wäre nicht offen und allgemein auf die Situation in der Einrichtung gerichtet gewesen. Aus Sicht der Kammer sei nicht auszuschließen, insbesondere da die Umfrage anonym erfolgte, dass Mitarbeiter erst und nur durch den Fragebogen motiviert wurden, eine Eigenkündigung für den Fall des Verbleibs der Arbeitnehmerin, anzukündigen, da die Arbeitgeberin explizit danach gefragt hätte (siehe oben). Jedenfalls hätte sich die Arbeitgeberin weder nach den von ihr behaupteten mündlichen Eigenkündigungsdrohungen noch nach der Frageaktion schützend vor die Arbeitnehmerin gestellt. Auch die durchgeführten Supervisionen, Gespräche, Mediationen führen zu keiner anderen rechtlichen Bewertung, denn die Maßnahmen wären alle zeitlich vor den konkreten Eigenkündigungsandrohungen für den Fall des Verbleibes der Arbeitnehmerin erfolgt. Die Rechtsprechung fordere dagegen ein „schützend vor den Arbeitnehmer“ stellen nach erfolgten Drohungen. Denn erst ab diesem Zeitpunkt könne eine innerbetriebliche Ursache bestanden haben, die die Druckkündigung als betriebsbedingten Kündigungsgrund hätten rechtfertigen können.
Weiterhin fehle ein Vortrag dazu, warum es kein milderes Mittel gegeben hätte, um Schaden von der Arbeitgeberin durch Eigenkündigungen von Mitarbeitern abzuwenden. Zum Beispiel, die Änderungskündigung mit dem Ziel die Arbeitnehmerin wieder als Erzieherin und nicht als Leitung einzusetzen.

Hinweis für die Praxis

Eine echte Druckkündigung räumt dem Arbeitgeber unter sehr strengen Voraussetzungen die Möglichkeit ein, Arbeitnehmern zu kündigen, obwohl kein verhaltens- oder personenbedingter Grund vorliegt. Der Druck, der den Arbeitgeber zum Ausspruch der Kündigung bewegt, muss dabei von Dritten, also von Kollegen oder zum Beispiel auch von Kunden, auf den Arbeitgeber ausgeübt werden. Von einer unechten Druckkündigung spricht man, wenn die Kündigung zwar auf Druck von außen erfolgt, aber zusätzlich auch tatsächlich ein verhaltens- oder personenbedingter Grund für eine Kündigung vorliegt. Warum der Arbeitgeber im vorliegenden Fall das Verhalten der Arbeitnehmerin nicht abgemahnt hat, um auf diesem Weg zu einer verhaltensbedingten Kündigung zu gelangen, lässt sich dem Sachverhalt nicht entnehmen.
Gemäß § 104 BetrVG kann auch der Betriebsrat im Ernstfall die „Entfernung betriebsstörender Arbeitnehmer“ verlangen. (sf)

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