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Wirtschaftsausschuss in einem Unternehmen der Flüchtlingshilfe

Ein Wirtschaftsausschuss in einem Unternehmen, das Wohnheime für die Unterbringung und Betreuung von Geflüchteten, Aussiedlern und Obdachlosen betreut? Ja, entschied das Landesarbeitsgericht Niedersachsen. Denn dort greift – anders als in karitativen Unternehmen – kein Tendenzschutz.

Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Beschluss vom 10.06.2024, 4 TaBV 71/23

Stand:  26.11.2024
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Das ist passiert

Betriebsrat und Arbeitgeber streiten die Wirksamkeit der Bildung eines Wirtschaftsausschusses. Die antragstellende Arbeitgeberin ist eine gemeinnützige GmbH. Sie betreibt Wohnheime für die Unterbringung und Betreuung von Geflüchteten, Aussiedlern und Obdachlosen. Der Betriebsrat besteht aus 9 Mitgliedern.

Das Gremium hatte den Beschluss gefasst, einen Wirtschaftsausschuss zu bilden. Die Arbeitgeberin beantragt gerichtlich die Feststellung, dass „die Bildung des Wirtschaftsausschusses“ durch die Arbeitnehmervertreter unwirksam sei. Knackpunkt ist der „Tendenzschutz“ des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG): Bei karitativer Arbeit ist das Gesetz nur eingeschränkt anwendbar (§ 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG).

Der Betriebsrat hält die GmbH nicht für „karitativ tätig“.

Das entschied das Gericht

Eine soziale Einrichtung ist nicht automatisch karitativ tätig, entschied das Landesarbeitsgericht Niedersachsen. Der Betriebsrat durfte einen Wirtschaftsausschuss gründen. Die Haupttätigkeit des Arbeitgebers liege nicht darin, „seelische und körperliche Leiden“ zu behandeln. Es gehe darum, sie auf der „Suche nach Hilfeleistern“ zu unterstützen, und um „die Beseitigung von sozialer Benachteiligung, von Not und menschenunwürdigen Situationen“. Bei sozialer Arbeit greife – anders als in karitativen Unternehmen – nicht automatisch ein Tendenzschutz.

Bedeutung für die Praxis

In allen Unternehmen mit in der Regel mehr als einhundert ständig beschäftigten Arbeitnehmern ist ein Wirtschaftsausschuss zu bilden. Dieser hat die Aufgabe, wirtschaftliche Angelegenheiten mit dem Unternehmen zu beraten und den Betriebsrat zu unterrichten – so steht es im Betriebsverfassungsgesetz. Es gibt allerdings eine Ausnahme. Laut § 118 Abs. 1 BetrVG finden die Vorschriften keine Anwendung auf Unternehmen und Betriebe, die unmittelbar und überwiegend „politischen, koalitionspolitischen, konfessionellen, karitativen, erzieherischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Bestimmungen oder Zwecken der Berichterstattung oder Meinungsäußerung, auf die Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes Anwendung findet, dienen (…)“ – soweit die Eigenart des Unternehmens oder des Betriebs dem entgegensteht.

Die Frage ist nun: Wie weit reicht so ein karitativer Zweck? All ihre Tätigkeiten seien darauf gerichtet, die Not der betreuten Personen zu lindern, argumentierte hier die Arbeitgeberin. Außerdem handele sie nicht mit Gewinnerzielungsabsicht. 

Das Argument der fehlenden Gewinnerzielungsabsicht konnte am Ende dahinstehen, so das Gericht. Denn es fehlte schon am karitativen Zweck. Die Leistungen der Arbeitgeberin zielten in erster Linie darauf ab, die äußeren Umstände der Betroffenen zu verbessern, den Geflüchteten das Einfinden in eine für sie fremder Kultur zu erleichtern sowie das gedeihliche Miteinander der Betroffenen zu gestalten. Es ging nicht darum, durch therapeutische oder medizinische Maßnahmen Heilung zu erzielen. 

Übrigens: Richtigerweise wurde der Wirtschaftsausschuss nicht am Verfahren beteiligt. Voraussetzungen für die Bildung eines Wirtschaftsausschusses ist die betriebsverfassungsrechtliche Rechtsstellung des Betriebsrats. (cbo)

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