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Wenn schwerbehinderte Arbeitnehmer aufgrund ihres Handicaps nicht mehr an ihrem Arbeitsplatz arbeiten können, sind alternative Beschäftigungsmöglichkeiten seitens des Arbeitgebers zu prüfen - auch vertragsfremde.
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Entscheidung vom 4. 7. 2023, 8 Sa 60/23
Die (gleichgestellte) Arbeitnehmerin konnte ihre Tätigkeit als Verkäuferin behinderungsbedingt nicht mehr ausüben. Im BEM-Verfahren äußerte sie den Wunsch, eine Weiterbildung im Bereich „Büro/Verwaltung“ zu absolvieren. Nach einer Reha wurde ihr per Gutachten eine grundsätzliche Arbeitsfähigkeit im Rahmen einer sitzenden Tätigkeit bescheinigt. Es fand eine mehrmonatige Qualifizierung zur Bürokraft statt. Während ihrer Umschulung waren im Unternehmen Stellen als kaufmännische Sachbearbeiter bzw. als Bürokaufmann/frau ausgeschrieben und anderweitig besetzt worden. Das zuständige Integrationsamt stimmte der vom Arbeitgeber beantragten ordentlichen personenbedingten Kündigung zu.
Das Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage gegen die ausgesprochene Kündigung statt. Die eingelegte Berufung des Arbeitgebers wurde vom LAG als unbegründet zurückgewiesen.
Ein Arbeitgeber ist gem. § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX vor Ausspruch einer Beendigungskündigung grundsätzlich verpflichtet, einem schwerbehinderten oder gleichgestellten Arbeitnehmer eine - ggf. auch vertragsfremde - behinderungsgerechte Tätigkeit auf einem freien Arbeitsplatz anzubieten, wenn der Arbeitnehmer wegen seiner Behinderung nicht mehr in der Lage ist, seine arbeitsvertraglich vereinbarte Tätigkeit auszuüben. Das Gericht hielt die Kündigung deshalb für sozial ungerechtfertigt. Es hätte auch eine Änderungskündigung mangels anderweitiger Umsetzungsmöglichkeiten in Betracht gezogen werden müssen.
Diese Einschätzung vertrat das Gericht, obwohl der Arbeitgeber den Arbeitsplatz zwischenzeitlich anderweitig besetzt hatte. Die Richter stuften das Verhalten des Arbeitgebers als treuwidrig ein: es war für ihn zum Zeitpunkt der Stellenbesetzung der ausgeschriebenen Stelle als Bürokraft absehbar, dass die Beschäftigungsmöglichkeit der Klägerin aufgrund ihrer Einschränkungen auslaufen würde. Die behindertengerechte Weiterbeschäftigung wäre als milderes Mittel im Vergleich zur Kündigung möglich und zumutbar gewesen.
Das Urteil macht einmal mehr deutlich, wie wichtig es für die SBV ist, einen Überblick über freie oder zeitnah freiwerdende Stellen im Betrieb zu haben und im engen Austausch mit dem Betriebs- oder Personalrat zu stehen. Im vorliegenden Fall hätte z.B. der Betriebsrat der Einstellung widersprechen können, wenn absehbar war, dass die schwerbehinderte Arbeitnehmerin für diesen Arbeitsplatz nach ihrer Umschulung geeignet gewesen wäre. Denn die Richter führten aus: „Besteht in dem Zeitpunkt, in dem er (der Arbeitgeber, Anm. d. Red.) mit dem Wegfall des bisherigen Beschäftigungsbedürfnisses rechnen muss, eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit zu gleichen oder zumutbaren geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen Arbeitsplatz, kann der Arbeitgeber diese nicht dadurch zunichtemachen und den Kündigungsschutz des Arbeitnehmers dadurch leerlaufen lassen, dass er erst die freie Stelle besetzt und danach eine Beendigungskündigung wegen fehlender Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ausspricht.“ (gs)