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Lexikon
Anfechtung (Betriebsratswahl)

Anfechtung (Betriebsratswahl)

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Redaktion
Stand:  3.9.2024
Lesezeit:  02:30 min

Kurz erklärt

Die gerichtliche Anfechtung einer Betriebsratswahl hat die Beseitigung des Wahlergebnisses einer Betriebsratswahl zum Ziel. Mit der Rechtskraft eines erfolgreichen Anfechtungsverfahren wird der Weg zur Eröffnung eines erneuten Wahlverfahrens frei. Anfechtungsberechtigt sind der Arbeitgeber, drei wahlberechtigte Arbeitnehmer oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft. Die Anfechtungsfreist beträgt zwei Wochen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Bis zum rechtskräftigen Abschluss des gerichtlichen Verfahrens bleibt der gewählte Betriebsrat im Amt. 

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Begriff

Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens mit dem Ziel der Beseitigung der Wahl des gesamten Betriebsrats oder einzelner Mitglieder wegen Verstoßes des Wahlverfahrens gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren.

BR-Wahl Anfechtung | © AdobeStock | Abundzu

Bezug zur Betriebsratsarbeit

Wahl des Betriebsrats

Anfechtungsgründe

Die Betriebsratswahl kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses beim Arbeitsgericht angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften verstoßen worden ist in Bezug auf

  • die Wahlberechtigung (§ 7 BetrVG), z. B. Zulassung nicht wahlberechtigter Arbeitnehmer z.B. leitender Angestellter oder Nichtzulassung wahlberechtigter Personen z. B. Arbeitnehmer im Erziehungsurlaub zur Stimmabgabe.
  • die Wählbarkeit (§ 8 BetrVG, z. B. Zulassung nicht wählbarer, Nichtzulassung wählbarer Personen als Wahlbewerber).
  • das Wahlverfahren (§§ 9 bis 18 BetrVG u. WO, z. B. Wahl ohne Wählerliste oder ohne Wahlvorstand).

Die Anfechtung einer Wahl ist gerechtfertigt, wenn der Verstoß während des Wahlverfahrens nicht rechtzeitig berichtigt worden ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte (§ 19 Abs. 1 BetrVG). Eine Betriebsratswahl kann z. B. bei unklarem Zeitrahmen für die Stimmabgabe angefochten werden. Der Wahlvorstand muss vor einer Betriebsratswahl konkret festlegen und bekanntgeben, zu welchen Uhrzeiten die Arbeitnehmer ihre Stimme abgeben können. Wird diese Wahlzeit nicht eingehalten, so kann die Wahl wirksam angefochten werden. Gleiches gilt, wenn die Zeitangabe unklar ist (LAG Schleswig-Holstein 21.6.2011 - 2 TaBV 41/10). Werden die Kandidaten bei Mehrheitswahl auf den Stimmzetteln in anderer Reihenfolge wiedergegeben als auf der ursprünglichen Vorschlagsliste (§ 20 Abs. 2 WO zum BetrVG), kann die Wahl wegen Verstoßes gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren ebenfalls angefochten werden. Das Gleiche gilt, wenn bei Verhältniswahl mehr als die ersten beiden Bewerber einer Liste auf dem Stimmzettel aufgeführt werden (BAG v. 16.9.2020 - 7 ABR 30/19 in NZA 2020, 1642).

Eine Betriebsratswahl kann z. B. wegen Verstoßes gegen das Wahlverfahren auch angefochten werden, wenn die Zahl der in den Wahlurnen befindlichen Stimmen mit der Zahl der Stimmabgabevermerke in der Wählerliste (§ 12 Abs. 3 WO) nicht übereinstimmt und die Differenz so groß ist, dass sie das Wahlergebnis beeinflussen konnte. Der hieraus folgende Verstoß ist nachträglich nicht zu heilen. Insbesondere kann nicht auf andere Weise, etwa durch nachträgliche Auswertung von Protokollierungsdateien oder durch Befragung von Zeugen, der Nachweis geführt werden, dass weitere Wähler als diejenigen, deren Stimmabgabe in der Wählerliste vermerkt ist, ihre Stimme abgegeben haben (BAG v. 12.6.2013 - 7 ABR 77/11 in NZA 2013,1368). 

Anfechtungsberechtigte

Zur Anfechtung berechtigt sind mindestens drei Wahlberechtigte, eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft und der Arbeitgeber (§ 19 Abs. 2 S. 1 BetrVG). Nicht anfechtungsberechtigt sind der Betriebsrat oder der Wahlvorstand als Gremien. Seine Mitglieder können jedoch die Wahl anfechten, sofern dieser Antrag von drei wahlberechtigten Arbeitnehmern gestellt wird. Die für die Wahlanfechtung zulässige einzuhaltende Zwei-Wochenfrist beginnt am Tag der Bekanntgabe des Wahlergebnisses (§ 19 Abs. 2 S. 2 BetrVG). 

Folgen einer erfolgreichen Anfechtung 

Wird die Wahl des Betriebsrats erfolgreich angefochten, ist er mit Rechtskraft des Beschlusses aufgelöst. Neuwahlen sind erforderlich (§ 13 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG). Da der rechtskräftig aufgelöste Betriebsrat den Wahlvorstand nicht mehr bestellen kann, ist dieser durch den Gesamtbetriebsrat oder, falls der nicht besteht, durch den Konzernbetriebsrat zu bestellen. Besteht keines dieser Gremien, wird der Wahlvorstand auf einer Wahlversammlung gewählt (§ 17 Abs. 2, § 17a Nr. 3 BetrVG). 
Der Betriebsrat kann an der Vermeidung einer betriebsratslosen Zeit als Folge einer wirksamen Anfechtung interessiert sein. Er könnte deshalb in der Zwischenzeit nach Verkündung der gerichtlichen Entscheidung über die Anfechtung bis zum Eintritt der Rechtskraft des gerichtlichen Beschlusses ("Urteils") mit den Stimmen der Mehrheit seiner Mitglieder seinen Rücktritt beschließen (§ 13 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG). Dies könnte in der Absicht geschehen, um anschließend als geschäftsführender Betriebsrat bis zur Neuwahl weiterhin im Amt zu bleiben. Das geht jedoch nicht. Denn ein unwirksam gewählter Betriebsrat kann nicht in die Phase eines geschäftsführenden Betriebsrats übergehen (BAG v. 29.5.1991 - 7 ABR 54/90). 

Allerdings kann der zurückgetretene Betriebsrat eine Neuwahl durch Bestellung des Wahlvorstandes nach Verkündung des Beschlusses bis zum Zeitpunkt der Rechtskraft noch einleiten. Die erfolgreiche Anfechtung hat keine rückwirkende Kraft, d. h. die bis zum Zeitpunkt der Rechtskraft getroffenen Beschlüsse des Betriebsrats bleiben wirksam. Insbesondere haben alle von diesem Betriebsrat abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen Gültigkeit.

Nichtigkeit der Wahl

Eine Betriebsratswahl ist für nichtig zu erklären, wenn gegen allgemeine Grundsätze der ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Masse verstoßen worden ist, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr vorliegt. Es muss ein sowohl offensichtlicher als auch besonders grober Verstoß gegen Wahlvorschriften vorliegen (BAG v. 30.6.2021 - 7 ABR 24/20 in NZA 2021 Rn. 28. Ein eklatanter Verstoß gegen fundamentale Wahlgrundsätze erfüllt diese Voraussetzung. Auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl ist dann nicht mehr gegeben. Ein Vertrauensschutz in die Gültigkeit der Wahl ist nicht gerechtfertigt. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn offen anstatt geheim gewählt wurde oder die Wahl ohne Wahlvorstand stattgefunden hat. Liegen mehrere Verstöße gegen wesentliche Vorschriften des Wahlrechts, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren vor, die jeder für sich genommen nur die Anfechtung der Betriebsratswahl rechtfertigen, nicht aber die Nichtigkeit der Wahl bewirken, so kann weder die addierte Summe der Fehler noch eine Gesamtwürdigung zur Nichtigkeit führen (BAG v. 19.11.2003 - 7 ABR 24/03 in NZA 2004,395). Die Nichtigkeit der Wahl kann rückwirkend von jedermann, zu jeder Zeit und in jeder Form beim Arbeitsgericht geltend gemacht werden. Der Antrag ist nicht an die Voraussetzungen für die Wahlanfechtung (§ 19 BetrVG) oder die Einhaltung einer bestimmten Frist gebunden. Wird vom Arbeitsgericht rechtskräftig festgestellt, dass eine Betriebsratswahl nichtig war, hat ein Betriebsrat von Anfang an nicht bestanden. Die von diesem Betriebsrat vorgenommenen Handlungen sind einschließlich des Abschlusses von Betriebsvereinbarungen nichtig. Auf Antrag des Arbeitgebers ist eine Betriebsratswahl abzubrechen, wenn sie voraussichtlich nichtig ist. Die bloße Anfechtbarkeit genügt nicht BAG v. 27.7.2011 - 7 ABR 61/10 in NZA  2012,345).

Wahl anderer Interessenvertretungen

Die Vorschriften des § 19 BetrVG sind entsprechend für die Wahlen der Jugend- und Auszubildendenvertretung (§ 63 Abs. 2 S. 2 BetrVG) sowie der Schwerbehindertenvertretung (§ 94 Abs. 6 S. 2 SGB IX) anzuwenden.

Wahl von Betriebsratsmitgliedern

Wird die Wahl eines einzelnen Betriebsratsmitglieds erfolgreich angefochten, scheidet es mit Rechtskraft des Beschlusses aus dem Betriebsrat aus. Das in Frage kommende Ersatzmitglied rückt nach (§ 25 Abs. 1 BetrVG). Der Anspruch auf besonderen Kündigungsschutz aus der zeitweiligen Mitgliedschaft im neu gewählten Betriebsrat (§ 15 Abs. 1 KSchG) entfällt auch dann nicht, wenn die Beendigung der Mitgliedschaft durch einen Anfechtungsentscheidung des Arbeitsgerichts verfügt wurde. Denn die gerichtliche Entscheidung wirkt nur für die Zukunft. Einer Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung dieses ehemaligen Mitgliedes nach § 103 BetrVG bedarf es allerdings nicht mehr.

Wahl von Funktionsträgern des Betriebsrats

Wird die Wahl eines einzelnen Betriebsratsmitglieds erfolgreich angefochten, scheidet es mit Rechtskraft des Beschlusses aus dem Betriebsrat aus. Das in Frage kommende Ersatzmitglied rückt nach (§ 25 Abs. 1 BetrVG). Der Anspruch auf besonderen Kündigungsschutz aus der zeitweiligen Mitgliedschaft im neu gewählten Betriebsrat (§ 15 Abs. 1 KSchG) entfällt auch dann nicht, wenn die Beendigung der Mitgliedschaft durch einen Anfechtungsentscheidung des Arbeitsgerichts verfügt wurde. Denn die gerichtliche Entscheidung wirkt nur für die Zukunft. Einer Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung dieses ehemaligen Mitgliedes nach § 103 BetrVG bedarf es allerdings nicht mehr. 

Wahl von Funktionsträgern des Betriebsrats 

Die Vorschriften zur Anfechtung einer Betriebsratswahl (§ 19 BetrVG) sind entsprechend anzuwenden für die Wahlen

  • des Betriebsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters (§ 26 Abs. 1 BetrVG). Anfechtungsberechtigt ist jedes Betriebsratsmitglied und jede im Betrieb vertretene Gewerkschaft.
  • der weiteren Mitglieder des Betriebsausschusses und Mitglieder anderer Ausschüsse (§§ 17 Abs. 1, 28 Abs. 1 BetrVG). Zur Anfechtung ist jedes Betriebsratsmitglied befugt, das geltend macht, in seiner Rechtsstellung als Betriebsratsmitglied oder einer Schutz genießenden Minderheit verletzt zu sein (BAG v. 16.11.2005 - 7 ABR 11/05 in NZA 2006,445).
  • der freizustellenden Betriebsratsmitglieder (§ 38 Abs. 1 BetrVG). Die Wahl kann von einem oder mehreren Betriebsratsmitgliedern und jeder im Betrieb vertretenen Gewerkschaft angefochten werden. Der Arbeitgeber ist nur anfechtungsberechtigt, wenn der Betriebsrat mehr freigestellte Betriebsratsmitglieder gewählt hat als gesetzlich vorgesehen sind (BAG v. 11.3.1992 - 7 ABR 50/91).

Die Anfechtung ist entsprechend der Vorschriften für die Betriebsratswahl innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Kenntnis des Ereignisses zulässig (§ 19 Abs. 2 BetrVG, BAG v. 15.1.1992 - 7 ABR 24/91). Die Anfechtungsfrist beginnt jeweils grundsätzlich mit der Feststellung des Wahlergebnisses durch den Betriebsrat. Ausnahmsweise kann es für den Beginn der Anfechtungsfrist auf die tatsächliche Kenntnisnahme von der Wahl und dem Wahlergebnis ankommen, wenn ein Betriebsratsmitglied wegen Verhinderung nicht an der Betriebsratssitzung teilgenommen hat, in der die Wahl durchgeführt wurde. Der spätere Fristbeginn gilt allerdings nur für das verhinderte Betriebsratsmitglied, nicht für die übrigen Betriebsratsmitglieder (BAG v. 20.4.2005 - 7 ABR 44/04).

Die Vorschriften des § 19 BetrVG sind nicht anzuwenden für Anfechtungen der Bestellung der Mitglieder des Gesamtbetriebsrats, des Konzernbetriebsrats, der Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretung und der Konzern-Jugend- und Auszubildendenvertretung.

Rechtsquellen

§§ 7 bis 19 BetrVG, WO

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Anfechtung (Betriebsratswahl)
BR-Wahl: Kandidaten finden, Belegschaft aktivieren
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Mit einem Hinweis auf eine Betriebsratstätigkeit auf den Stimmzetteln verstößt der Wahlvorstand gegen die Wahlordnung. Außerdem müssen die Bewerber in derselben Reihenfolge auf dem Stimmzettel benannt werden, wie sie in der Vorschlagsliste aufgeführt sind. Eine Veränderung berechtigt zur Wahlanfechtung. Dazu zählt auch, wenn nicht alle Bewerber nacheinander auf einer Seite des Stimmzettels fortlaufend genannt werden, sondern ein Teil der Kandidaten auf der Rückseite des Stimmzettels aufgeführt ist.