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Lexikon
Arbeitnehmer-Entsendegesetz

Arbeitnehmer-Entsendegesetz

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Redaktion
Stand:  27.10.2024
Lesezeit:  03:30 min

Kurz erklärt

Ziel des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes ist die Schaffung gleicher Mindestarbeitsbedingungen für in Deutschland tätige und alle regelmäßig nach Deutschland entsandten Arbeitnehmer. Dadurch sollen einerseits die entsandten Arbeitnehmer vor einer Ausnutzung durch ihren im Ausland ansässigen Arbeitgeber geschützt werden. Zugleich sollen die inländischen Arbeitnehmer vor Lohn- und Sozialdumping seitens vom Ausland aus eingesetzter Arbeitnehmer bewahrt werden. Es geht in dem Gesetz um die Gewährleistung fairer und funktionierender Wettbewerbsbedingungen (siehe § 1 AEntG).  Demgemäß beinhaltet das Gesetz Vorschriften zu Mindestlöhnen, Arbeitszeiten und anderen Arbeitsbedingungen für diese Gruppe von Arbeitnehmern.

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Begriff

Gesetzliche Bestimmungen über angemessene Mindestarbeitsbedingungen für grenzüberschreitend entsandte und für regelmäßig im Inland beschäftigte Arbeitnehmer.

Erläuterungen

Ziele und Grundlagen

Das Gesetz über zwingende Arbeitsbedingungen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen (Arbeitnehmer-Entsendegesetz, AEntG) hat zum Ziel, angemessene Mindestarbeitsbedingungen für grenzüberschreitend entsandte und für regelmäßig im Inland beschäftigte Arbeitnehmer sowie die Gewährleistung fairer und funktionierender Wettbewerbsbedingungen durch die Erstreckung der Rechtsnormen von Branchentarifverträgen zu schaffen und durchzusetzen. Dadurch sollen zugleich sozialversicherungspflichtige Beschäftigung erhalten und die Ordnungs- und Befriedungsfunktion der Tarifautonomie gewahrt werden (§ 1 AEntG). Es ist ein Instrument zur Verhinderung sozialer Verwerfungen durch so genannte „Entsendearbeitnehmer“, d. h. durch befristet in Deutschland tätige Arbeitnehmer aus anderen EU-Mitgliedsländern (Schutz vor „Sozial-Dumping“).  

Zugleich geht es dem Gesetzgeber in dem Entsendegesetz auch um die Gewährleistung angemessener Arbeitsbedingungen für deutsche Arbeitnehmer. Deshalb sind Arbeitgeber im Anwendungsbereich des Gesetzes verpflichtet, ihren Arbeitnehmern die auf die entsandten Arbeitnehmer erstreckten Bedingungen z.B. tarifliche Arbeitsbedingungen, ebenfalls zu gewähren. Die Tarifnormerstreckung erfolgt auf zwei Wegen. Der eine Weg ist der der Allgemeinverbindlicherklärung (siehe § 5). Der zweite Weg sieht eine Tarifnormerstreckung auf Tarifungebundene durch Rechtsverordnungserlass vor (§ 7). 
Die Wirkung der Tarifnormerstreckung wird in §§ 8 und 9 AEntG geregelt. Die Arbeitgeber tarifungebundener Betriebe müssen ihren Arbeitnehmern den in dem kraft Allgemeinverbindlich auf sie erstreckten Tarifvertrag vorgesehenen Mindestarbeitsbedingungen gewähren. Andernfalls könnte es sein, dass inländische tarifungebundene Arbeitnehmer schlechter stünden als ihre aus dem Ausland kommenden Arbeitnehmern mit vorgeschriebener Tarifbindung.  

Entsendung

Von einer Arbeitnehmer-Entsendung spricht man, wenn ein Arbeitnehmer in einem EU-Mitgliedstaat, z.B. in Polen, angestellt ist, Arbeit jedoch vorübergehend in einem anderen Mitgliedstaat, z.B. in Deutschland, erbringt.  Wanderarbeitnehmer, die in einem anderen Mitgliedstaat Arbeit suchen und dort angestellt werden, fallen nicht unter diese Kategorie. 
Die Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (Richtlinie 96/71/EG) nennt drei Fälle:

  • ein Arbeitgeber entsendet einen Mitarbeiter in einen anderen Mitgliedstaat auf eigene Kosten und unter seiner Anleitung im Rahmen eines Vertrags, den er mit dem Kunden in dem Land abgeschlossen hat, in dem die Dienstleistungen erbracht werden; Beispiel: Ein polnischer Arbeitgeber erhält von einer deutschen Firma den Auftrag, in Deutschland eine Grünanlage zu bepflanzen. Zur Erledigung der Arbeit reist er mit seinen Mitarbeitern aus Polen an und führt die Arbeit unter seiner Leitung aus. 
  • ein Arbeitgeber entsendet einen Mitarbeiter in eine Niederlassung oder ein Unternehmen derselben Unternehmensgruppe in einem anderen Mitgliedstaat;
    Beispiel: Ein deutscher Möbelhersteller unterhält in Polen ein Werk. In dieses entsendet er einen in Deutschland tätigen Mitarbeiter.
  • eine Zeitarbeitsfirma oder Arbeitsvermittlungsagentur, die in diesem Fall als Arbeitgeber auftritt, entsendet einen Arbeitnehmer zu einem Unternehmen, das in einem anderen Mitgliedstaat seinen Sitz hat oder dort tätig ist. Beispiel: Eine deutsche Leiharbeitnehmerfirma entsendet einen Leiharbeitnehmer zu einem polnischen Unternehmen.

Während des Zeitraums der Entsendung muss das Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und entsandtem Arbeitnehmer aufrechterhalten werden.

Regelungsbereiche

Die Rechts- oder Verwaltungsvorschriften enthalten Regelungen über

  1. die Mindestentgeltsätze einschließlich der Überstundensätze,
  2. den bezahlten Mindestjahresurlaub,
  3. die Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten,
  4. die Bedingungen für die Überlassung von Arbeitskräften, insbesondere durch Leiharbeitsunternehmen,
  5. die Sicherheit, den Gesundheitsschutz und die Hygiene am Arbeitsplatz,
  6. die Schutzmaßnahmen im Zusammenhang mit den Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Schwangeren und Wöchnerinnen, Kindern und Jugendlichen und
  7. die Gleichbehandlung von Männern und Frauen sowie andere Nichtdiskriminierungsbestimmungen

Die Vorschriften finden auch auf Arbeitsverhältnisse zwischen einem im Ausland ansässigen Arbeitgeber und seinen im Inland beschäftigten Arbeitnehmern zwingend Anwendung (§ 2 AEntG).

Verfügungsgrundlagen

Die Rechtsnormen eines bundesweiten Tarifvertrags finden auch auf Arbeitsverhältnisse zwischen einem Arbeitgeber mit Sitz im Ausland und seinen im räumlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrags beschäftigten Arbeitnehmern zwingend Anwendung, wenn

Auf gemeinsamen Antrag der Parteien eines Tarifvertrags kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales durch Rechtsverordnung bestimmen, dass die Rechtsnormen dieses Tarifvertrages auf alle unter seinen Geltungsbereich fallenden und nicht an ihn gebundenen Arbeitgeber sowie Arbeitnehmer anzuwenden ist, wenn dies im öffentlichen Interesse geboten erscheint, um die Gesetzesziele (§ 1 AEntG) zu erreichen (§§ 7 Abs. 1, 7a Abs. 1 AEntG).

Branchen

Ausgewählte Branchen

Die Rechtsnormen eines bundesweiten Tarifvertrags gelten für Tarifverträge

  1. des Bauhauptgewerbes oder des Baunebengewerbes,
  2. der Gebäudereinigung,
  3. für Briefdienstleistungen,
  4. für Sicherheitsdienstleistungen,
  5.  für Bergbauspezialarbeiten auf Steinkohlebergwerken,
  6. für Wäschereidienstleistungen im Objektkundengeschäft,
  7. der Abfallwirtschaft einschließlich Straßenreinigung und Winterdienst,
  8. für Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen (SGB II oder III)
  9. für Schlachten und Fleischverarbeitung (§ 4 Abs. 1 AEntG).

Darüber hinaus gelten diese Bestimmungen für Tarifverträge anderer als der genannten Branchen, wenn die Erstreckung der Rechtsnormen des Tarifvertrages im öffentlichen Interesse geboten erscheint, um die Gesetzesziele (§ 1 AEntG) zu erreichen und dabei insbesondere einem Verdrängungswettbewerb über die Lohnkosten entgegenzuwirken (§ 4 Abs. 2 AEntG).

Arbeitsbedingungen

Angelegenheiten eines allgemeinverbindlich zu erklärenden Tarifvertrags (§ 3 AEntG) können sein

  1. Mindestentgeltsätze, die nach Art der Tätigkeit, Qualifikation der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und Regionen differieren können, einschließlich der Überstundensätze,
  2. die Dauer des Erholungsurlaubs, das Urlaubsentgelt oder ein zusätzliches Urlaubsgeld,
  3. unter bestimmten Voraussetzungen die Einziehung von Beiträgen und die Gewährung von Leistungen im Zusammenhang mit Urlaubsansprüchen durch eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien und
  4. Arbeitsbedingungen (§ 2 Nr. 3 bis 7 AEntG).

Branchenbezogene Mindestlöhne

Für die genannten Branchen werden Mindestlöhne vereinbart. Sie haben eine begrenzte Laufzeit und werden jeweils neu verhandelt. Die Regelungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes und der auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen gehen den Regelungen des Mindestlohngesetzes (MiLoG) vor, soweit die Höhe der auf ihrer Grundlage festgesetzten Branchenmindestlöhne die Höhe des Mindestlohns nicht unterschreitet. Der Vorrang gilt entsprechend für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge (§ 1 Abs. 3 MiLoG).

Pflichten des Arbeitgebers

Arbeitgeber mit Sitz im In- oder Ausland, die unter den Geltungsbereich eines für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages oder einer Rechtsverordnung fallen, sind verpflichtet, ihren Arbeitnehmern mindestens die in dem Tarifvertrag für den Beschäftigungsort vorgeschriebenen Arbeitsbedingungen zu gewähren (§ 8 Abs. 1 AEntG). Für die Prüfung der Einhaltung der Pflichten eines Arbeitgebers, soweit sie sich auf die Gewährung von Arbeitsbedingungen (§ 5 Satz 1 Nr. 1 bis 3 AEntG) beziehen, sind die Behörden der Zollverwaltung zuständig (§ 16 Abs. 1 AEntG). Ein Arbeitgeber mit Sitz im Ausland, der einen Arbeitnehmer innerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes beschäftigt, ist verpflichtet, vor Beginn jeder Werk- oder Dienstleistung eine schriftliche Anmeldung in deutscher Sprache bei der zuständigen Behörde der Zollverwaltung vorzulegen (§ 18 Abs. 1 AEntG).

Wegfall von Übergangsregelungen

Ab dem 1. Januar 2018 gilt der von der Mindestlohnkommission festgesetzte allgemeine gesetzliche Mindestlohn ohne jede Einschränkung (§ 24 Abs. 1 MiLoG). Dieser beträgt per 1.1.2025 pro Stunde  12,82 Euro. 

Rechtsquellen

Richtlinie 96/71/EG. Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG), § 5 TVG, § 1 Abs. 3, 24 MiLoG

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Faire Bezahlung für gute Arbeit auch ohne Tarifvertrag
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