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„Es macht immer Sinn, einen Betriebsrat zu gründen!“

© AdobeStock | JW Studio
Stand:  19.8.2024
Lesezeit:  02:15 min
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Wahlexpertin Susanne Helmer über starke Mitbestimmung in Zeiten von Unternehmenskrisen

Die turnusmäßigen Betriebsratswahlen stehen eigentlich erst im Frühjahr 2026 an. Und trotzdem kommt das Thema für ifb-Bildungsreferentin Susanne Helmer immer wieder auf die Tagesordnung. Grund sind unter anderem die vielen Unternehmenskrisen und wirtschaftlich unsicheren Zeiten. Deshalb informieren sich vermehrt Arbeitnehmer, die noch in Betrieben ohne Interessenvertretung tätig sind, über die Neugründung eines Betriebsrats. Macht durchaus Sinn, wie die Wahlexpertin erklärt: „Wenn es ausschlaggebende Gründe gibt, dann sind die jetzt da und nicht erst in anderthalb Jahren."

Susanne, warum ist es immer eine gute Idee, einen Betriebsrat zu gründen?  

Susanne Helmer: Ich bin überzeugt davon, dass nicht nur die Belegschaft, sondern auch die Betriebe von einem Betriebsrat profitieren. Wie ein Gutachten der Hans-Böckler-Stiftung zeigt, sind Betriebe mit einem Betriebsrat produktiver, innovativer sowie familienfreundlicher und haben eine niedrigere Fluktuation. Gerade im Hinblick auf den Fachkräftemangel haben solche Betriebe meiner Meinung nach wegen der besseren Arbeitsbedingungen die Nase vorn. Daher würde ich mir wünschen, dass der eine oder andere Arbeitgeber den Betriebsrat nicht als notwendiges Übel sieht, sondern als Chance begreift.  

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Daher würde ich mir wünschen, dass der eine oder andere Arbeitgeber den Betriebsrat nicht als notwendiges Übel sieht, sondern als Chance begreift. 

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Was kann ein Betriebsrat konkret bewirken?  

Susanne Helmer: Es gab ja kürzlich den Fall des Hasso-Plattner-Instituts (Anm. d. Red.: wir berichteten), bei dem sehr viel Energie darauf verwendet wurde, statt eines Betriebsrats eine alternative Mitarbeitervertretung zu installieren Das Problem bei solchen Pseudo-Betriebsräten ist aber, dass diese im Worst Case – etwa bei einem Personalabbau – keine Handhabe haben. Läuft alles gut, merkt das keiner. Aber letztlich sind solche Konstrukte zahnlose Tiger, die nichts zu melden haben, wenn es hart auf hart kommt.

Die nächste Betriebsratswahl ist im Frühjahr 2026. Macht es Sinn, jetzt noch einen Betriebsrat zu gründen?  

Susanne Helmer: Es macht immer Sinn, einen Betriebsrat zu gründen! Vor allem: Wenn es ausschlaggebende Gründe gibt, dann sind die Probleme jetzt da und nicht erst in anderthalb Jahren. Das zeigen die vielen Unternehmenskrisen derzeit deutlich. Warum also warten?

Hat sich Deiner Meinung nach in den letzten Jahren gerade bei Betriebsrat-Neugründungen etwas verändert?  

Susanne Helmer: Es hat schon zugenommen, dass Arbeitgeber versuchen, sich herauszuwinden – zum Beispiel mit irgendwelchen Pseudo-Konstrukten –, damit es keine starke Mitbestimmung gibt. Auffällig ist außerdem, dass zurzeit sehr viele Gremien aufgrund von Mitgliederschwund neu wählen müssen und sich zunehmend schwertun, neue Kandidaten zu finden. An was das genau liegt, können wir nur vermuten. Vielleicht liegt es am Gegenwind, dass vermehrt BR-Mitglieder zurücktreten und andere sich wiederum nicht trauen. Möglich wäre auch, dass es aufgrund der guten Arbeitsmarktsituation mehr Fluktuation in den Betrieben und somit auch im Betriebsrat gibt. Oder aber, Betriebsräte schmeißen hin, weil es einfach irgendwann zu viel wird. So ein Amt ist fordernd! Wenn dann noch Arbeitsverdichtung aufgrund von Personalmangel dazu kommt, kann es schnell belastend werden. Dabei macht so ein Amt auch unglaublich viel Spaß, Betriebsräte entwickeln sich ständig weiter und bekommen viel mit, was sie sonst womöglich nie kennengelernt hätten.

Gibt es irgendetwas zu beachten, wenn man inmitten einer laufenden Amtsperiode wählen möchte?  

Susanne Helmer: Im Regelfall hat der Betriebsrat dann eine verkürzte Amtszeit. Eine Ausnahme gilt, wenn der Betriebsrat noch kein ganzes Jahr im Amt ist, dann wird die Amtszeit verlängert. Sind potenzielle Gründer nahe an diesem Stichtag, macht es vielleicht Sinn, diesen abzuwarten, damit die Amtszeit nicht zu kurz ausfällt. Erfahrungsgemäß dauert es nämlich, bis man sich als Gremium zusammengerauft und in einen guten Arbeitsmodus gefunden hat. Auf der anderen Seite kann eine verkürzte Amtszeit auch Motivation sein, es einfach mal auszuprobieren.

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Es braucht Menschen, die etwas verändern wollen!

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Wen braucht es denn alles, um einen Betriebsrat zu gründen? 

Susanne Helmer: Menschen, die etwas verändern wollen! Die auch bereit sind, sich mal unbeliebt zu machen. Dann braucht es natürlich jemanden, der die Wahl anstößt. Am einfachsten ist das, wenn es einen Gesamt- oder Konzernbetriebsrat gibt. Der kann den Wahlvorstand bestellen, der wiederum die Wahl durchführt. Andernfalls werden drei Initiatoren benötigt, die den Stein ins Rollen bringen und zur Wahl des Wahlvorstands einladen.

Wie viel Zeit sollte für die Vorbereitung eingeplant werden?  

Susanne Helmer: Ein bisschen Zeit braucht es, wobei das vom Wahlverfahren abhängt. Theoretisch kann eine Wahl im vereinfachten Wahlverfahren in zwei Wochen durchgeführt werden. Aber ob das was bringt? Ich würde sagen, dass mit der Vorbereitung sechs Wochen realistisch sind. Beim normalen Wahlverfahren sollten zehn bis zwölf Wochen eingeplant werden. In jedem Fall erst dann loslegen, wenn man weiß, was man tut! So eine Wahl ist fehleranfällig, da kommt es auf eine Woche auch nicht an.

Das ideale Vorgehen …  

Susanne Helmer: … ist, es in Ruhe angehen zu lassen und erstmal die Lage zu sondieren: Wie ist die Stimmung im Betrieb? Wie viele Mitstreiter gibt es? Wie ist die Haltung zum Betriebsrat, wie ist die Haltung des Arbeitgebers? Und dann macht es wirklich Sinn, sich schlau zu machen; wenn möglich, ein Wahlseminar zu besuchen. Eine Wahl ist kaum stemmbar, wenn man nicht weiß, was man tut – zumindest nicht, ohne eine Anfechtung zu riskieren. 

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Selbst, wenn die Wahl angefochten und wiederholt werden muss, hat man den Fuß bereits in der Tür.

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Worüber stolpern Neugründer?  

Susanne Helmer: Das ist pauschal schwer zu sagen. Die Betriebsratswahlen halten so viele Stolperfallen bereit, dass es fast schwierig ist, keine Fehler zu machen. Wichtig ist, sich nicht ins Boxhorn jagen zu lassen und es ganz pragmatisch zu sehen: Selbst, wenn die Wahl angefochten und wiederholt werden muss, hat man den Fuß bereits in der Tür. Man sollte nur keine gravierenden Fehler machen, so dass die Wahl nichtig ist. Die Konsequenz wäre nämlich: Der Betriebsrat hat nie existiert und alle bisher gefassten Beschlüsse sind nichtig. Aber das passiert in den seltensten Fällen. (tis) 

Susanne Helmer

Bildungsreferentin und Juristin beim ifb

Weiter Informationen rund um die Betriebsratswahl und Neugründungen finden sie hier:  

www.brwahl.de 

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