Was sind wirtschaftliche Angelegenheiten?
Wirtschaftliche Angelegenheiten gehören neben den personellen und sozialen Angelegenheiten zu den wichtigsten Aufgabenbereichen des Betriebsrats. „Wirtschaftliche Angelegenheiten“ umfasst einen Themenbereich der Unternehmensführung und ist ein Begriff aus dem Betriebsverfassungsrecht. Entscheidungen zu wirtschaftlichen Angelegenheiten werden immer vom Unternehmer getroffen, für den Betriebsrat ergeben sich aber einzelne Beteiligungsrechte. Im Einzelnen sind die wirtschaftlichen Angelegenheiten in den § 106 bis § 113 BetrVG geregelt.
Wirtschaftliche Angelegenheiten in Unternehmen mit Wirtschaftsausschuss
Hat der Betriebsrat in einem Unternehmen einen Wirtschaftsausschuss gebildet, berät dieser in der Regel einmal im Monat wirtschaftliche Angelegenheiten mit dem Unternehmer. Themen dieser Beratung sind zum Beispiel die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Unternehmens, Investitionsvorhaben, Änderung der Arbeitsmethoden und sonstige Vorgänge und Vorhaben, die die Interessen der Arbeitnehmer wesentlich berühren. Über diese Beratungen ist der Betriebsrat unverzüglich und umfassend zu informieren, sodass alle Betriebsratsmitglieder immer über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens im Bilde sind. Das Besondere ist: Der Wirtschaftsausschuss muss rechtzeitig und umfassend informiert werden. Das heißt, Ihr Betriebsratsgremium bekommt durch den Wirtschaftsausschuss bereits Informationen zu den Plänen des Unternehmers, bevor dieser endgültig darüber entschieden hat. Sie haben so die Möglichkeit, frühzeitig über mögliche Auswirkungen auf die Kollegen nachzudenken und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.
Tipp!
Nach § 106 Absatz 1 Satz 1 BetrVG ist der Betriebsrat in Unternehmen mit mehr als 100 Arbeitnehmern verpflichtet, einen Wirtschaftsausschuss zu bilden.
Wirtschaftliche Angelegenheiten in Unternehmen ohne Wirtschaftsausschuss
Auch ohne Wirtschaftsausschuss sind wirtschaftliche Angelegenheiten des Unternehmens ein wichtiges Thema für den Betriebsrat. Bei Betriebsänderungen nach § 111 BetrVG ist der Betriebsrat vom Unternehmer umfassend zu informieren und muss diese Informationen in die Verhandlungen eines Interessenausgleichs oder möglichen Sozialplans mit einfließen lassen. Auch bei einer Unternehmensübernahme ist der Betriebsrat nach § 109a BetrVG zu beteiligen, wenn kein Wirtschaftsausschuss besteht.
Aber auch im Rahmen seiner allgemeinen Aufgaben nach § 80 BetrVG können wirtschaftliche Angelegenheiten für den Betriebsrat von großer Bedeutung sein. Zur Realisierung dieser Aufgaben ist der Betriebsrat nämlich vom Arbeitgeber ebenfalls rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Sind also zur Durchführung konkreter Aufgaben des Betriebsrats Informationen zu wirtschaftlichen Angelegenheiten nötig, so hat auch der Betriebsrat ein Recht auf entsprechende Auskünfte. Im Gegensatz zum Wirtschaftsausschuss ist der Betriebsrat aber erst zu informieren, wenn der Unternehmer seine Entscheidungen bereits getroffen hat und der Betriebsrat seine Beteiligungsrechte zu dieser Entscheidung ausüben möchte
Im Fokus des Betriebsrats: Beschäftigungssicherung und Beschäftigungsförderung nach § 92a BetrVG
Zum Erhalt oder zur Erhöhung der im Betrieb vorhandenen Arbeitsplätze kann der Betriebsrat dem Arbeitgeber Vorschläge machen und hat ein Recht darauf, dass diese Vorschläge gemeinsam beraten werden. Auch hier ist eine enge Verknüpfung mit wirtschaftlichen Angelegenheiten nicht von der Hand zu weisen. Durch eine flexible Gestaltung der Arbeitszeit kann beispielsweise den Interessen der Kunden besser entsprochen und damit der Marktanteil ausgebaut werden. Bei der Änderung von Arbeitsabläufen im Betrieb kann es zu einer Verstärkung der Kundenbindung kommen, weil sich die Qualität der Dienstleistung des Betriebs erhöht. Um entsprechende Vorschläge zu erarbeiten, hat der Betriebsrat die Möglichkeit, sich an sachkundige Personen im Betrieb zu wenden, z. B. an den Controller. Außerdem braucht er Informationen zur wirtschaftlichen Situation, um einschätzen zu können, ob sich die vorgeschlagenen Maßnahmen auf den Betrieb und die Kollegen auswirken.
Im Fokus des Betriebsrats: Unterrichtung der Arbeitnehmer nach § 110 BetrVG
Sind in einem Unternehmen mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer ständig beschäftigt, ist der Unternehmer verpflichtet, die Mitarbeiter mindestens einmal im Quartal über die wirtschaftliche Lage und Entwicklung des Unternehmens zu informieren. Sind im Unternehmen mehr als 1000 Arbeitnehmer ständig beschäftigt, so muss diese Information sogar schriftlich erfolgen, ansonsten ist auch eine mündliche Berichterstattung möglich.
Wichtig ist, dass vor dieser Information eine Abstimmung mit dem Betriebsrat erfolgt. Ist ein Wirtschaftsausschuss im Unternehmen gebildet, muss auch dieses Gremium vorher in die Abstimmung mit einbezogen werden. Aber warum? Betriebsrat und Wirtschaftsausschuss sollen Gelegenheit haben, dass auch ihre Position zur wirtschaftlichen Lage des Unternehmens bei der Information der Kollegen berücksichtigt wird. Die Arbeitnehmer sollen so ein möglichst ausgewogenes Meinungsbild bekommen und in die Lage versetzt werden, auch mitzureden und Fragen zu stellen.
Tipp!
Der Unternehmer ist und bleibt für den Inhalt seiner Berichterstattung an die Mitarbeiter verantwortlich. Wenn Sie als Betriebsrat aber der Meinung sind, dass wichtige Aspekte fehlen oder die Situation noch von einer anderen Seite beleuchtet werden muss, dann können Sie auch jederzeit einen eigenen Bericht zur wirtschaftlichen Lage an die Kollegen veröffentlichen.
Wirtschaftskompetenz für den Betriebsrat
Die beste Beschäftigungssicherung ist ein gesundes Unternehmen, das wirtschaftlich stabil und zukunftsfähig ist. Für Sie als Betriebsrat ist es zur Wahrnehmung Ihrer zahlreichen gesetzlichen Aufgaben und Rechte wichtig, einschätzen zu können, worum es dem Unternehmer bei seinen Entscheidungen geht:
- Werden Maßnahmen getroffen, die nur der Gewinnmaximierung dienen oder sind sie notwendig, um die Beschäftigung zu sichern?
- Werden Investitionen für die Zukunft getroffen oder sind die Entscheidungen des Arbeitgebers zu kurz gedacht?
Hierfür ist es wichtig, wirtschaftliche Zusammenhänge zu verstehen, sich eine eigene Meinung bilden und Aussagen des Arbeitgebers richtig einschätzen zu können. Nicht zuletzt müssen Sie als Mitglied im Betriebsrat die Unterlagen mit wichtigen wirtschaftlichen Informationen, wie z. B. den Jahresabschluss, nicht nur anfordern, sondern auch selbst auswerten und verstehen, um die unternehmerischen Zusammenhänge nachvollziehen und die Auswirkungen abschätzen zu können. Und keine Angst, die Zahlen sind kein Hexenwerk! Tasten Sie sich langsam ran und beginnen Sie in Ihrem Betriebsratsgremium einfach mit den wichtigsten Grundlagen.
Die Bildung eines Wirtschaftsausschusses: Ja oder nein?
Viele Betriebsräte oder Gesamtbetriebsräte verzichten nach wie vor grundlos darauf, einen Wirtschaftsausschuss oder einen Ausschuss nach § 107 Abs. 3 BetrVG zu bilden, obwohl die entsprechende Anzahl von Mitarbeitern im Unternehmen vorhanden ist. Ein häufiger Erklärungsversuch hierfür ist, dass sich niemand findet, der sich mit den vermeintlich trockenen wirtschaftlichen Angelegenheiten im Unternehmen beschäftigen will. Das ist schade, denn Sie verzichten als Betriebsrat auf wichtige Informationen, die für die Zukunft der Kollegen wichtig sind. Wir empfehlen Ihnen daher, auf jeden Fall einen Wirtschaftsausschuss nach § 106 Abs. 1 BetrVG zu bilden, wenn mehr als 100 ständig beschäftigte Arbeitnehmer im Unternehmen sind. Nur so können Sie im Betriebsrat sicherstellen, dass sie über wirtschaftliche Angelegenheiten rechtzeitig und umfassend im Bilde sind.
Tipp!
Im Wirtschaftsausschuss müssen nicht ausschließlich Betriebsratsmitglieder vertreten sein. Auch andere Mitarbeiter des Unternehmens können Mitglieder im Gremium werden. Vielleicht eine Möglichkeit, einen fachkompetenten und loyalen Kollegen in die Arbeit mit einzubinden?