Liebe Nutzer,
für ein optimales und schnelleres Benutzererlebnis wird als Alternative zum von Ihnen verwendeten Internet Explorer der Browser Microsoft Edge empfohlen. Microsoft stellt den Support für den Internet Explorer aus Sicherheitsgründen zum 15. Juni 2022 ein. Für weitere Informationen können Sie sich auf der Seite von -> Microsoft informieren.
Liebe Grüße,
Ihr ifb-Team
Betriebsratsgremien nach der Wahl: Die einen treten mit vielen Ersatzmitgliedern an, andere müssen sich mit einem Ersatzmitglied oder sogar ohne Ersatzmitglieder durch die täglichen Anforderungen kämpfen. Was können diese Gremien tun, wenn Fristen anstehen und sie eigentlich nicht beschlussfähig sind? Was kann ihnen schlimmstenfalls passieren? Wir haben den Rechtsanwalt und ifb-Referenten Leonard Langenkamp gefragt!
Redaktion
© AdobeStock | sirichai
Leonard Langenkamp: Ganz generell besteht bei einem Gremium ohne oder mit wenig Ersatzmitgliedern die Gefahr, dass der Betriebsrat in seinem Gremium nicht die ganze Amtszeit durchhalten kann. Im § 13 Abs. 2. Nr. 2 Betriebsverfassungsgesetz ist geregelt, dass wenn der Betriebsrat dauerhaft die gesetzlich vorgeschriebene Anzahl an BR-Mitgliedern unterschreitet, eine außerplanmäßige Betriebsratswahl durchgeführt werden muss. Dieses „Damoklesschwert“ schwebt über den Gremien. Die Gefahr ist sehr groß, dass der Betriebsrat seine langfristigen Ziele nicht erreichen kann.
Leonard Langenkamp: Sollte es nicht möglich sein, die jeweiligen Positionen im Betriebsrat durch nachrückende Ersatzmitglieder zu besetzen, dann ist das bei einer zeitweiligen Verhinderung im ersten Schritt noch gar nicht dramatisch. Schwieriger ist es, wenn der Betriebsrat seine Beschlussfähigkeit verliert, wenn also nicht mehr als die Hälfte der Betriebsratsmitglieder vorhanden ist. Allerdings gibt es eine ältere BAG-Entscheidung aus dem Jahr 1982, die in analoger Anwendung zu § 22 BetrVG besagt: Sollte die Beschlussunfähigkeit erreicht werden und eine Frist laufen, die nicht über den Zeitpunkt des Endes der Verhinderungen hinausgeht, also vorher abläuft, dann ist das Rumpfgremium ausnahmsweise trotzdem beschlussfähig.
Leonard Langenkamp: Im Einzelfall kann das so sein, ja. Das war auch in dem eben erwähnten Fall des Bundesarbeitsgerichts so, dass bei einem Dreier-Gremium nur der Betriebsratsvorsitzende noch in seiner Funktion vorhanden war und somit aufgrund der besonderen Umstände entscheiden konnte. Damit wäre er eigentlich beschlussunfähig gewesen. Hier konnte das Rumpfgremium, also er, jedoch ausnahmsweise entscheiden.
Leonard Langenkamp: Hier muss man sich als Gremium Gedanken machen, ob wirklich die Chance da ist, Ersatzmitglieder zu akquirieren. Dann könnte ein Rücktritt eine Option sein, um aus dieser Mühle herauszukommen. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass es einen erheblichen Aufwand bedeutet, Kollegen für das Amt des Betriebsrats zu begeistern und die Neuwahlen durchzuführen. Für den Mangel an Ersatzmitgliedern in diesem Betrieb gibt es in der Regel einen Grund. Oft haben die Kollegen keine tatsächliche Ahnung, was der Betriebsrat eigentlich macht. Vielleicht hat der Betriebsrat bisher nicht ausreichend klar seine Erfolge kommuniziert. Oder es herrscht eine zu große Sorge bei den Arbeitnehmern, vor möglichen Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber. Hier muss gut aufgeklärt werden, wie wichtig ein Betriebsrat ist und wie wichtig auch ausreichend Ersatzmitglieder sind. Nur so können meines Erachtens nach neue Kandidaten gewonnen werden.
Leonard Langenkamp: Wichtig ist es nach der Wahl, Listen- bzw. Konkurrenzdenken aufzugeben. Das Gremium muss schnell zu einer Einheit werden und auch so wahrgenommen werden. In großen Gremien ist das noch schwieriger, weil es dort noch mehr unterschiedliche Interessen gibt.
Wenn ich aber als kleines Gremium immer wieder in die Situation gerate, dass die Manpower nicht da ist, oder dass sich die BR-Mitglieder nicht wie gewünscht einsetzen können, muss Transparenz über diesen Mangelzustand in den Betrieb gebracht werden. Die Arbeitnehmer müssen motiviert werden, sich zur nächsten Wahl aufstellen zu lassen. Dazu ist Aufklärung über die Aufgabe und Funktionsweise des Organs Betriebsrat notwendig und wahrscheinlich viel persönlicher Kontakt zu geeigneten Kollegen zu suchen.
Leonard Langenkamp: Das ist ein großes Problem für kleine Gremien! Und es sind nicht immer nur die Arbeitgeber, die hier „Spitzen“ verteilen, auch die Kollegen fragen: Gehst du jetzt schon wieder weg? Musst du da hin? Was machst du da überhaupt?
Das Ganze dann gut zu erklären und seine Rolle als Betriebsrat von der Arbeit abzugrenzen, ist nicht immer leicht. Diese Hürde muss man gehen, um sein Amt gut auszufüllen. Oft höre ich von Betriebsräten, dass sie gegenüber den Kollegen und gegenüber dem Arbeitgeber eine starke, innere Verpflichtung spüren. Sie sind zwischen zwei Rollen hin- und hergerissen. Zum Beispiel bei eiligen Aufträgen, die sich zeitlich beißen. Wir dürfen nicht vergessen: Auch ein Betriebsratsmitglied hat nur eine bestimmte Anzahl von Stunden zu Verfügung. Ich glaube es erfordert eine klare Einordnung und Akzeptanz der eigenen Rolle als Betriebsratsmitglied und dann eine gute Kommunikation mit dem Vorgesetzten und den direkten Kollegen.
Leonard Langenkamp: Wichtig sind vor allem die Zusammenarbeit und die Kommunikation im Team. Sich immer wieder klarmachen, dass es nur gemeinsam geht. Wenn es einem Kollegen im Team nicht gut geht, sich Gedanken machen, wie man ihn unterstützen kann. Außerdem gilt es, sich realistische Ziele zu setzen! Es kostet viel Kraft, wenn man sich mit zu vielen Zielen verzettelt. Die Gefahr ist groß, dass man es nicht schafft, man enttäuscht ist und dann die Motivation schwindet. (sw)
Zur Person:
Rechtsanwalt Leonard Langenkamp ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Sportrecht. Er ist seit 2013 beim ifb als Referent für Betriebsratsschulungen aktiv und betreut in seiner beruflichen Praxis zahlreiche Betriebsräte in ganz Deutschland.