Das Ziel des Dortmunder Start-ups Motion Miners: Ineffiziente Prozesse allen voran in Industrie und Logistik aufdecken! Funktionieren soll das über mobile Sensoren und Kleinstfunksender, auch Bluetooth-Beacons genannt. Getragen werden die Sensoren von den Mitarbeitern am Körper – am Gürtel oder an einem Armband – und erkennen, wo und wie gearbeitet wird. Entstehen Wartezeiten? Ist die Arbeit ergonomisch? Mithilfe von sogenannten Machine-Learning-Algorithmen (letztlich eine Form von Künstlicher Intelligenz) werden automatisch aus den Prozessdaten Arbeitsschritte nachgebildet, analysiert und überprüft. Laut Aussagen der Gründer (Sascha Feldhorst, René Grzeszick und Sascha Kaczmarek) auf dem Portal „Business Insider“ soll mit der Technologie keineswegs die Arbeitseffizienz einzelner Mitarbeiter überwacht werden. Sondern es gehe darum, manuelle Arbeitsabläufe und damit ganze Prozesse zu optimieren.
Sensordaten werden automatisiert analysiert
Gegründet wurde das Start-up Motion Miners im Herbst 2017 als „Spin-off“ des Fraunhofer Instituts für Materialfluss und Logistik – seit 2019 ist es komplett ausgegründet. Letztlich stellen sie ihren Kunden Soft- und Hardware bereit, mit denen Sensordaten automatisiert analysiert werden. Damit soll eben herausgefunden werden, wie effizient Prozesse sind oder ob sich Mitarbeiter womöglich zu viel bücken, laufen oder über Kopf arbeiten müssen. Keineswegs soll es darum gehen, ineffiziente Mitarbeiter zu feuern. Deshalb werden die Daten auch nicht unmittelbar an einen Sensor geschickt, sondern nach Arbeitsende über eine Station ausgewertet. Das ist zwar mitunter komplizierter, für den Datenschutz aber essenziell. Gemäß den Gründern werden alle Informationen anonymisiert, bevor sie beim Kunden ankommen. Und von diesen Kunden hat das Start-up mittlerweile einige bekannte, wie DB Schenker, Skoda, Hugo Boss oder Hermes. Nachdem Motion Miners lange Zeit ohne Investor auskam, hat kürzlich eine Investorengruppe über fünf Millionen Euro in das Unternehmen gepumpt. Darunter die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC Deutschland.
Der Zweck steht immer im Vordergrund
Viele Mitarbeiter, die einen solchen Sensor tragen sollen, sind skeptisch. „Verständlich“, wie Stephan Sägmüller findet. Der Bildungsreferent ist gleichzeitig Digitalisierungs- und Datenschutzexperte beim ifb und sagt, „dass es bei der Einführung einer solchen Soft- und Hardware immer auf den Einsatzzweck ankommt“. Steht die Optimierung von Prozessen im Vordergrund, spricht erstmal nichts gegen das neue IT-System.
Neben dem Zweck sollte unbedingt auf die zeitliche Befristung geachtet werden.
Stephan Sägmuller, Bildungsreferent sowie Digitalisierungs- & Datenschutzexperte beim ifb
Allerdings: Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht, schließlich könnte in oben beschriebenem Beispiel die Leistung und das Verhalten permanent und lückenlos kontrolliert werden. Genau deshalb muss der Betriebsrat hier genau hinsehen, wofür Stephan Sägmüller den einen oder anderen Tipp parat hat: „Neben dem Zweck sollte unbedingt auf die zeitliche Befristung geachtet und geschaut werden, dass es möglicherweise nur auf bestimmte Bereiche ausgerollt wird. Und man könnte sich vorab eine Testumgebung zeigen lassen.“ Weiter rät der Experte, stets die Belegschaft mit ins Boot zu holen: „Transparenz ist ganz wichtig, weil da natürlich Ängste entstehen. Im Zweifel würde ich einen Sachverständigen hinzuziehen, sowohl für die rechtlichen als auch technischen Aspekte.“
Datenschutz spielt eine zentrale Rolle
Neben dem Kontrollthema spielt bei Einführung einer neuen Technologie auch der Datenschutz eine zentrale Rolle. Wichtig für den Betriebsrat ist es, zu erfahren, wo die Daten liegen und zu kontrollieren, ob diese wirklich anonymisiert sind. Zudem müssen bei Analysen die Personengruppen so gewählt sein, dass keine Rückschlüsse auf Einzelpersonen möglich sind. „Der Zweck kann auf den ersten Augenblick nachvollziehbar erscheinen, da eine Computersimulation des Ist-Zustandes nicht immer die Realität ist. Man darf aber nicht vergessen, dass das ständige Tragen eines Trackers unter Umständen einen ungeheuren Druck für die Belegschaft bedeutet“, so Stephan Sägmüller. „In Zeiten des Fachkräftemangels vielleicht nicht die allerbeste Werbung?!“ Gleichzeitig gilt: Eine lückenlose und permanente Überwachung ist laut Bundesarbeitsgericht rechtswidrig.
So oder so erachtet der ifb-Bildungsreferent bei Einführung eines neuen IT-Systems eine Betriebsvereinbarung als äußerst sinnvoll. Darin enthalten sollte in jedem Fall sein, wie die Einhaltung der verankerten Punkte überprüft wird. Beispielsweise, dass man in regelmäßigen Abständen Auszüge der Zugriffsinformationen bekommt. „Außerdem sollten in die BV etwaige Sanktionen rein verhandelt werden“, rät Stephan Sägmüller.
Man sollte nicht per se von Anfang an alles verteufeln, gleichzeitig nach allen Informationen fragen.
Stephan Sägmuller, Bildungsreferent sowie Digitalisierungs- & Datenschutzexperte beim ifb
Ganz generell sind bei dem Thema Mitarbeiter von Unternehmen mit einem Betriebsrat in einer deutlich besseren Situation. Für Einzelne wird es hingegen schwierig, etwas zu bewirken. Dabei wird es zukünftig sicherlich noch weit mehr Technologien geben, die zur Verbesserung von Prozessen beitragen – gerade angesichts der raschen Entwicklung Künstlicher Intelligenz. Stephan Sägmüller empfiehlt Gremien daher immer den Schutz der Belegschaft, aber auch das Interesse des Arbeitgebers im Blick zu haben: „Man sollte nicht per se von Anfang an alles verteufeln, gleichzeitig nach allen Informationen fragen – darauf fußend kann man vernünftige Entscheidungen treffen.“ (tis)