Die Bilanz lesen und verstehen
Der Wirtschaftsausschuss pocht oft auf § 108 BetrVG und will die Bilanz sowie die Gewinn- und Verlustrechnung bis ins Detail vom Unternehmer erläutert haben. Ist der Unternehmer schlau, kommt er diesem Wunsch nur zu gerne nach, handelt es sich doch beim Jahresabschluss um die Zahlen, die für die Fortführung des Unternehmens und die Sicherung der Arbeitsplätze nur auf den zweiten Blick relevant sind. Doch warum ist das so?
Achtung, reine Stichtagsbetrachtung!
Nach § 242 Handelsgesetzbuch ist die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung zum Schluss eines jeden Geschäftsjahres aufzustellen. Alle Geschäftsvorfälle, die darin Einzug finden, sind also bereits passiert. Natürlich gibt es verschiedene Positionen, die je nach Lage des Unternehmens trotzdem einen Blick wert sind: Die Eigenkapitalausstattung, die vorhandenen Rückstellungen und auch das Anlagevermögen. Es handelt sich allerdings um vergangenheitsbezogene Daten, die nur teilweise Rückschlüsse auf die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens zulassen.
Bei der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung handelt es sich außerdem um eine reine Stichtagsbetrachtung. Die meisten Jahresabschlüsse werden zum 31.12. eines Jahres erstellt. Zu diesem Tag werden auch das Vermögen und die Schulden des Unternehmens in der Bilanz aufgeführt. Durch bilanzpolitische Maßnahmen hat der Unternehmer hier einen gewissen Spielraum, um die Darstellung in seinem Sinne zu verändern und so die Aussagekraft eines Jahresabschlusses in Hinblick auf den Adressatenkreis zu beeinflussen.
Erfolg oder Misserfolg des Geschäftsjahres
Nicht zuletzt sollte der Jahresabschluss keine besonderen Neuigkeiten mehr für den Wirtschaftsausschuss bereithalten. Lediglich bei wertaufhellenden Vorgängen, die noch im Jahresabschluss zu berücksichtigen sind, könnten sich wesentliche Abweichungen ergeben. Über den Erfolg oder Misserfolg des Geschäftsjahres sollte der Wirtschaftsausschuss aber bereits in der letzten Sitzung des laufenden Geschäftsjahres mittels einer Hochrechnung zum Jahresende vom Unternehmer informiert worden sein.
Geringe Bedeutung des Jahresabschlusses
In Zeiten von Corona wird die nur geringe Bedeutung des Jahresabschlusses für den Wirtschaftsausschuss besonders deutlich. Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr 2019 waren oft noch nicht erstellt, schon wurden die Planrechnungen für 2020 durch die teilweise massiven Einschränkungen deutlich nach unten korrigiert. Unternehmen, die 2019 noch erfolgreich waren und einen Gewinn ausweisen konnten, sind gezwungen, Mitarbeiter in Kurzarbeit zu schicken oder gar zu entlassen.
Im Moment geht es vor allem darum, dass das Unternehmen zahlungsfähig bleibt.
Welche Unterlagen sind jetzt wichtig?
Wenn aber nicht die Bilanz, welche Unterlagen sind dann jetzt wichtig für die Arbeit im Wirtschaftsausschuss? Im Moment geht es vor allem darum, dass das Unternehmen zahlungsfähig bleibt, also seinen regelmäßigen Verpflichtungen nachkommen kann. Die Pflicht zu Stellung eines Insolvenzantrages ist zwar bis 30. September 2020 vorerst ausgesetzt, eine weitreichende Gesundung der Wirtschaft ist aber bisher nicht absehbar. Sollte die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nicht über das 3. Quartal 2020 hinaus verlängert werden, droht vielen Unternehmen die Pleite, wenn sie das Liquiditätsmanagement vernachlässigen.
Als Wirtschaftsausschuss sollten Sie daher in jeder Sitzung auf aktuelle Unterlagen zur Liquiditätsplanung des Unternehmens bestehen, die mindestens die nächsten zwölf Monate umfassen. Nur so können Sie feststellen, ob eine Insolvenz droht und gegebenenfalls zusammen mit dem Unternehmer Gegenmaßnahmen entwickeln.
Mangelhaftes Liquiditätsmanagement führt zur Insolvenz
Die Liquiditätsplanung stellt, vereinfacht gesagt, die Ein- und Auszahlungen des Unternehmens für jeden Monat gegenüber. Sind die Einzahlungen höher als die Auszahlungen, ergibt sich ein Liquiditätsüberschuss. Übersteigen die Auszahlungen die Einzahlungen, ergibt sich ein Liquiditätsbedarf, den das Unternehmen decken muss. Wurde in der Vergangenheit gut gewirtschaftet, sind noch Finanzmittel vorhanden, um den Bedarf anfangs zu decken – zum Beispiel in Form von Bankguthaben oder Bargeldbeständen. Sind die vorhandenen Mittel aufgebraucht, muss sich das Unternehmen neue Möglichkeiten zur Deckung überlegen. Als Wirtschaftsausschuss können Sie den Unternehmer hierbei unterstützen und eigene Vorschläge einbringen.
Neben einem straffen Forderungsmanagement auf der Seite der Einzahlungen gibt es bei den Auszahlungen zahlreiche Möglichkeiten, die Kosten zu reduzieren. Gehen Sie daher gemeinsam mit dem Unternehmer die einzelnen Kostenpositionen im Unternehmen durch und analysieren Sie, ob diese in Moment notwendig sind, verschoben oder vielleicht zeitweise ganz gestrichen werden können.
Kosten reduzieren: Beispiel Kfz und Gebäude
Kfz-Kosten bieten hier einen ersten Ansatzpunkt. Durch vermehrte Online-Kommunikation sind Fahrten zum Kunden und auch die Nutzung von Dienstwagen deutlich weniger geworden. Wurden in Ihrem Unternehmen denn schon die Versicherungen für den Fuhrpark entsprechend angepasst und die Kilometerleistung reduziert? Werden eventuell vorhandene Poolfahrzeuge überhaupt noch gebraucht oder können diese an den Leasinganbieter zurückgegeben oder verkauft werden? Überprüfen Sie auch, welche Serviceleistungen in Moment wirklich nötig sind und welche eventuell verschoben werden können. Je nach Größe des Fuhrparks kann sich hier deutliches Einsparpotential ergeben.
Hinterfragt werden sollten in Moment auch alle Dienstleistungen, die rund um das Betriebsgebäude erbracht werden. Können vielleicht die Reinigungsintervalle für die Büroräume reduziert werden oder können Renovierungsarbeiten ins nächste Jahr verschoben werden? Prüfen Sie hier alle Möglichkeiten und welche finanziellen Auswirkungen sich hier für das Unternehmen ergeben.
Jede Kostenart unter die Lupe nehmen
In der Regel wird der Wirtschaftsausschuss nicht alle Kosten bis ins kleinste Detail überprüfen, sondern sich auf die größten Kostenblöcke konzentrieren. Gerade in Krisenzeiten, in denen es um jeden Euro geht, sollten Sie sich aber die Zeit nehmen und jede Kostenart genauestens unter die Lupe nehmen.
Fragen Sie den Unternehmer hierzu nach verschiedenen Unterlagen, in denen die Kosten des Unternehmens aufgeführt sind, z.B. Controllingberichte, betriebswirtschaftliche Auswertungen (BWA) und Betriebsabrechnungsbögen. Prüfen Sie, ob es sich um fixe oder variable Kosten handelt, wann diese bezahlt werden müssen – also die Auszahlung in der Liquiditätsrechnung eingeplant ist – und ob eventuell kurzfristig Einsparpotential vorhanden ist. Für eine strukturierte Vorgehensweise stellen wir Ihnen eine Checkliste zur Verfügung.
Spielräume des Gesetzgebers
Achten Sie auch darauf, dass alle Möglichkeiten, die der Gesetzgeber zur Verbesserung der Liquidität möglich gemacht hat, genutzt werden. Das Bundesfinanzministerium hat u.a. verfügt, dass Steuerzahlungen gestundet bzw. angepasst werden können. Auch die Frist für den Einsatz von Reinvestitionsrücklagen nach § 6b Einkommensteuergesetz wurde vorerst um ein Jahr verlängert, damit Unternehmen große Investitionen auch im nächsten Jahr durchführen können, ohne den Steuervorteil zu verlieren. Auch die Nutzung der umfangreichen Förderkredite, die durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) derzeit angeboten werden, sollte im Unternehmen diskutiert und beraten werden.
Beste Lösungen für Mitarbeiter und Unternehmen
Sind alle Maßnahmen zur Kostensenkung ausgeschöpft und immer noch eine Liquiditätslücke vorhanden, lohnt sich doch wieder ein Blick in die Bilanz: Gibt es Anlagevermögen in Form von Grundstücken, Gebäuden oder Maschinen, die für den Geschäftsbetrieb nicht notwendig sind und verkauft werden können? Oder, falls sich Investitionen nicht vermeiden lassen, wäre Leasing in Moment eine gute Alternative zum Kauf? Spielen Sie hier als Betriebsrat und Wirtschaftsausschuss mit dem Unternehmer gemeinsam alle Möglichkeiten durch und überzeugen Sie ihn von der besten Lösung für Mitarbeiter und Unternehmen.