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Richtlinien über die personelle Auswahl bei Einstellung, Versetzung, Umgruppierung und Kündigung bedürfen der Zustimmung des Betriebsrats. Verstößt der Arbeitgeber bei einer Einstellung gegen eine mitbestimmte Richtlinie, so kann der Betriebsrat die Zustimmung zur Einstellung verweigern. Verwendet er bei einer Einstellung allerdings eine nicht mitbestimmten Auswahlrichtlinie, begründet dies kein Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats.
LAG Köln Beschluss vom 19.11.2021, 9 TaBV 15/21
Der Betriebsrat streitet mit dem Arbeitgeber über die Zustimmung zur Einstellung eines Leiters der Rettungswache. Unter den fünf internen und externen Bewerbern wählte der Arbeitgeber aufgrund der von ihm erstellten „Bewertungsmatrix“ mit Punktetabelle den externen Bewerber für die Position aus. Den Betriebsrat hatte er bei der Erstellung der Bewertungsmatrix nicht beteiligt.
Im Rahmen des Anhörungsverfahrens verweigerte der Betriebsrat schriftlich die Zustimmung zur Einstellung unter anderem unter Berufung auf § 99 Absatz 2 Nr. 1 und 2 BetrVG. Zur Begründung führte er unter anderem aus, dass der Arbeitgeber erstmalig eine Bewertungsmatrix als Grundlage für die Einstellung verwendet habe. Diese unterliege als Auswahlrichtlinie der Mitbestimmung nach § 95 BetrVG. Sie enthalte mehrere Punkte, denen er in dieser Form nicht zugestimmt haben würde.
Das Arbeitsgericht hätte die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung des Leiters der Rettungswache zu Recht ersetzt, so das Gericht in der Beschwerdeinstanz. Der Betriebsrat könne seine Zustimmungsverweigerung nicht auf einen der in § 99 Absatz 2 BetrVG aufgeführten Gründe stützen. Dazu führte das Gericht unter anderem folgendes aus:
Nach § 99 Absatz 2 Nr.1 BetrVG könne der Betriebsrat die Zustimmung zu einer vom Arbeitgeber beabsichtigten personellen Einzelmaßnahme verweigern, wenn diese Maßnahme selbst gegen ein Gesetz verstoßen würde. Das sei bei der Verwendung einer Auswahlrichtlinie, die entgegen § 95 Absatz 1 Satz 1 BetrVG ohne Zustimmung des Betriebsrats aufgestellt worden ist, nicht der Fall. Denn nicht die personelle Auswahlentscheidung des Arbeitgebers, sondern allenfalls die Verwendung der Richtlinie würde die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats verletzen und gegen ein Gesetz verstoßen.
Die Einstellung des neuen Leiters der Rettungswache verstoße auch nicht gegen eine Richtlinie nach § 95 BetrVG und begründe daher auch kein Zustimmungsverweigerungsrecht im Sinne des § 99 Absatz 2 Nr. 2 BetrVG. Zwar liege der vom Arbeitgeber erstellten Bewertungsmatrix eine Auswahlrichtlinie zu Grunde, zu welcher der Arbeitgeber entgegen seiner gesetzlichen Verpflichtung nicht die Zustimmung des Betriebsrats eingeholt hätte. Die Verwendung einer nicht mitbestimmten Auswahlrichtlinie begründet jedoch - anders als der Verstoß gegen eine mitbestimmte Richtlinie - kein Zustimmungsverweigerungsrecht nach § 99 Absatz 2 Nr. 2 BetrVG.
Da der Arbeitgeber seine Personalauswahl nachweislich auf der Grundlage und in Übereinstimmung mit einer von ihm aufgestellten Auswahlrichtlinie getroffen habe, stehe zugleich fest, dass die Einstellung nicht gegen die vom Arbeitgeber verwendete Auswahlrichtlinie verstoße. Entgegen einer teilweise vertretenen Auffassung könne der Betriebsrat seine Zustimmungsverweigerung daher nicht gemäß § 99 Absatz 2 Nr. 2 BetrVG darauf stützen, dass die Richtlinie ohne seine Zustimmung aufgestellt worden war. Ein solches Verständnis widerspräche dem Wortlaut dieser Vorschrift. Auch eine analoge Anwendung der Norm komme insoweit nicht in Betracht. Dies widerspräche der Zielsetzung der Vorschrift. Dem Gesetzgeber ginge es nur darum, im Interesse der Transparenz und Versachlichung Verstöße des Arbeitgebers gegen bereits mitbestimmte objektivierende Richtlinien für die Auswahl bei personellen Maßnahmen zu ahnden.
Der Betriebsrat könne sein Mitbestimmungsrecht aus § 95 Absatz 1 BetrVG auch auf andere Weise effektiv durchsetzen und sich vor Verstößen schützen. In Betrieben mit mehr als 500 Arbeitnehmern könne der Betriebsrat die Aufstellung einer Richtlinie verlangen sowie bei Nichteinigung mit dem Arbeitgeber die Einigungsstelle anrufen. Wendet der Arbeitgeber eine nicht mitbestimmte Auswahlrichtlinie an, steht dem Betriebsrat wegen dieser Verletzung des Mitbestimmungsrechts im Hinblick auf eine weitere Verwendung ein allgemeiner Unterlassungsanspruch zu. Er könne deshalb dem Arbeitgeber ggf. im Wege einer einstweiligen Verfügung untersagen lassen, eine Personalauswahl nach einem Punkteschema vorzunehmen, welches er nicht mitbestimmt hat. Es bestünde daher keine Veranlassung, den von § 99 Absatz 2 Nr. 2 BetrVG nicht erfassten Fall der Verwendung einer nicht mitbestimmten Auswahlrichtlinie dem Verstoß gegen eine mitbestimmte Auswahlrichtlinie gleich zu stellen.
Die Entscheidung ist für die Betriebsratsarbeit von Bedeutung, weil sie der bisherigen Meinung in Literatur und Rechtsprechung widerspricht. So schrieb das LAG Hamm in einer Entscheidung vom 21.11.2008 (Az. 13 TaBV 84/08) Folgendes: „Soweit es um die Mitbestimmung nach §§ 99 bis 101 BetrVG geht, ist zu beachten, dass der Betriebsrat seine Zustimmungsverweigerung darauf stützen kann, dass die personelle Maßnahme gegen eine Richtlinie nach § 95 BetrVG verstoßen würde. Dem Richtlinienverstoß ist gleichzustellen, dass die Richtlinie ohne Zustimmung des Betriebsrats aufgestellt ist“ (Richardi/Thüsing, 11. Aufl., § 95 Rdnr. 70). Die Rechtbeschwerde wurde zugelassen. Sind wir gespannt, wie das Bundesarbeitsgericht entscheidet (Aktenzeichen 1 ABR 1/22).
sf
Der Betriebsrat, den ich rief!
Die Chefin wünscht sich einen Betriebsrat! Gibt’s nicht? Doch, die Geschichte sorgte im vergangenen Jahr für große Aufmerksamkeit und so manchen Augenreiber (wir berichteten). Nun ist der Betriebsrat des Freizeitparks auf der Bärenhöhle in Baden-Württemberg rund ein Jahr im Amt. Wie läuft es in der Praxis? Was ist geblieben von der Begeisterung? Und wie denkt die Freizeitparkchefin heut über den Betriebsrat? Wir haben nachgehakt.