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In der Arbeitswelt ist der Trend zu mehr Teilzeitarbeit nicht zu übersehen. Teilzeitangebote helfen sogar dabei, Fachkräfte in den Betrieb zu ziehen. Doch hat man erstmal eine Vollzeitstelle angetreten, ist es gar nicht so einfach, seine Arbeitsstunden zu reduzieren. Unter welchen Voraussetzungen betriebliche Gründe dem Wunsch nach Teilzeit entgegenstehen, das zeigt diese Entscheidung des Arbeitsgericht Köln.
Arbeitsgericht Köln, Urteil vom 31.07.2024, 9 Ca 6540/23
Der Arbeitnehmer streitet mit der Arbeitgeberin über die Gewährung von Teilzeit.
Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen der chemischen Industrie. Der Arbeitnehmer ist als Chemikant beschäftigt, zuletzt als stellvertretender Schichtmeister im Tanklager Ost.
Im Bereich Tanklager haben die Arbeitgeberin und der Betriebsrat über eine Betriebsvereinbarung ein vollkontinuierliches 5-Schicht-Wechselschichtmodell vereinbart. Der Betrieb im Tanklager muss an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr aufrechterhalten bleiben. Andernfalls würden die Produktionsprozesse der Arbeitgeberin ins Stocken geraten.
Zum Betrieb des Tanklagers Ost ist ein Schichtmeister geplant, den zweiten (stellvertretenden) Schichtmeister plant die Arbeitgeberin aus Gründen der Vorsicht zusätzlich ein, um eventuelle Personalausfälle zu kompensieren und hierdurch eine andernfalls notwendige Rufbereitschaft zu vermeiden. Erscheinen beide Schichtmeister, so wird der stellvertretende Schichtmeister als zusätzlicher Anlagenführer eingesetzt.
Der Arbeitnehmer machte für die Dauer von fünf Jahren seinen Wunsch auf Verkürzung und Neuverteilung seiner Arbeitszeit geltend. Die Arbeitszeit sollte für den beantragten Zeitraum von durchschnittlich 37,5h/Woche auf durchschnittlich 35 h/Woche reduziert werden. In der Folgezeit hat die Arbeitgeberin erfolglos verschiedene Stellenausschreibungen auf ihrer Homepage und bei der Bundesagentur für Arbeit veröffentlicht, mit der sie eine Ersatzkraft für den Arbeitnehmer gesucht hat. Letztendlich teilte die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer mit, dass sie nach Prüfung aller Möglichkeiten seinen Antrag aus betrieblichen Gründen ablehnen müsse.
Der Arbeitnehmer meint, die Arbeitgeberin sei verpflichtet, seinem Teilzeitbegehren zuzustimmen.
Dem Teilzeitbegehren des Arbeitnehmers stehen betriebliche Gründe entgegen, so das Gericht.
Nach § 9a Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1, 8 Abs. 4 S. 1 TzBfG hätte der Arbeitgeber der Verringerung der Arbeitszeit zuzustimmen, soweit betriebliche Gründe nicht entgegenstehen. Ein entgegenstehender betrieblicher Grund liege insbesondere vor, wenn die Umsetzung des Arbeitszeitverlangens die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht.
Die Prüfung der entgegenstehenden betrieblichen Gründe sei regelmäßig in drei Stufen vorzunehmen.
Zunächst sei festzustellen, ob der vom Arbeitgeber als erforderlich angesehenen Arbeitszeitregelung überhaupt ein betriebliches Organisationskonzept zu Grunde liegt und – wenn das zutrifft – um welches Konzept es sich handelt (erste Stufe). In der Folge sei zu untersuchen, inwieweit die aus dem Organisationskonzept folgende Arbeitszeitregelung dem Arbeitszeitverlangen tatsächlich entgegensteht (zweite Stufe). Schließlich sei das Gewicht der entgegenstehenden betrieblichen Gründe zu prüfen (dritte Stufe).
Im Betrieb der Arbeitgeberin liege ein Organisationskonzept vor (365-Tage, rund um die Uhr in Betrieb), aus dem eine Arbeitszeitregelung folgt (BV vollkontinuierliches 5-Schicht-Wechselschichtmodell, inklusive Schichtmeister und stellvertretendem Schichtmeister), die dem Begehren des Arbeitnehmers entgegenstehe. Das Gewicht dieser entgegenstehenden Gründe sei erheblich.
Dem Konzept der Arbeitgeberin könne der Arbeitnehmer nicht mit Erfolg entgegenhalten, er werde in den weitaus überwiegenden Fällen ohnehin nur als zusätzlicher Anlagenführer eingesetzt, weil auch der andere Schichtmeister verfügbar sei. Denn es gehöre zu der dem Arbeitgeber vorbehaltenen Organisation und Gestaltung des Betriebs, die Stärke der Belegschaft, mit der das Betriebsziel erreicht werden soll, festzulegen. Darunter falle auch die Entscheidung über die erforderliche Kapazität an Arbeitskräften und Arbeitszeit.
Das fünf Schicht Wechselschichtmodell stehe dem Teilzeitbegehren des Arbeitnehmers entgegen, ohne dass für die Arbeitgeberin eine zumutbare Möglichkeit bestehe, die betriebliche Arbeitszeitgestaltung mit dem Teilzeitwunsch des Arbeitnehmers in Einklang zu bringen.
Würde der Arbeitnehmer – seinem Teilzeitbegehren entsprechend – nur noch in verringertem Umfang Ausgleichsschichten ableisten, so hätte dies rechnerisch zwingend die Anordnung von Mehrarbeit für die anderen Mitarbeiter zur Folge. Der Arbeitnehmer könne vom Arbeitgeber indessen nicht verlangen, den Arbeitsausfall durch die Anordnung von Überstunden für andere Arbeitnehmer auszugleichen.
Der Arbeitnehmer könne der Arbeitgeberin insofern auch nicht entgegenhalten, dass bereits jetzt eine vollschichtige Besetzung der Anlage nicht durchgehend gewährleistet sei. Ganz im Gegenteil spräche dies vor dem Hintergrund der unstreitig angespannten Personalsituation erst recht dafür, dass dem Teilzeitbegehren des Arbeitnehmers betriebliche Gründe entgegenstehen.
Ferner wäre der Arbeitgeberin auch keine Ersatzeinstellung möglich gewesen.
Ein betrieblicher Grund außerhalb der in § 8 Abs. 4 S. 2 TzBfG genannten Regelbeispiele bestehe nach der Gesetzesbegründung dann, wenn es an einer geeigneten Ersatzkraft fehle. Die Arbeitgeberin habe in angemessenem Umfang erfolglose Bemühungen unternommen, um eine Ersatzkraft für den Arbeitnehmer zu finden.
Schließlich sei die Beeinträchtigung des Arbeitszeitkonzepts durch das Teilzeitbegehren des Arbeitnehmers auch wesentlich für die Organisation und den Arbeitsablauf im Betrieb. So könne eine Beeinträchtigung des Arbeitsablaufs dann eintreten, wenn die Tätigkeit des Arbeitnehmers an ein Schichtsystem gebunden sei. Denn der Arbeitgeber sei nicht verpflichtet, vorhandene Schichtsysteme grundlegend zu ändern. Dies wäre vorliegend aber notwendig. Würde nämlich die Arbeitgeberin zugleich die Besetzung des Schichtzugs sicherstellen und zugleich auch dem Teilzeitbegehren des Arbeitnehmers entsprechen wollen, so müsse sie infolge der Verringerung der Arbeitszeit des Arbeitnehmers dazu übergehen, eine Rufbereitschaft anstelle einer „Doppelbesetzung“ der Schichtmeister einzurichten. Andernfalls wäre die vollkontinuierliche Besetzung des Tanklagers mit einem Schichtmeister nicht gewährleistet.
Im vorliegenden Fall hat der Arbeitnehmer seinen gesetzlichen Anspruch auf eine zeitlich begrenzte Verringerung der Arbeitszeit geltend gemacht. Diese sogenannte Brückenteilzeit (§ 9a TzBfG) ist erst 2019 mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts in Kraft getreten. Zuvor konnte nur die zeitlich unbegrenzte Verringerung verlangt werden. Nach der gesetzlichen Regelung besteht dann ein Anspruch auf Brückenteilzeit, wenn das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat und der Arbeitgeber mehr als 45 Arbeitnehmer beschäftigt. Der Anspruch kann für einen Zeitraum zwischen mindestens einem Jahr und höchstens fünf Jahren geltend gemacht werden. Der Arbeitgeber kann das Verlangen des Arbeitnehmers nach Verringerung der Arbeitszeit ablehnen, wenn betriebliche Gründe entgegenstehen. Abhängig von der Anzahl der Mitarbeiter, kann der Arbeitgeber auch einen sogenannten Überforderungsschutz einwenden (§ 9a Absatz 2 TzBfG). (sf)