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Dauer der Probezeit in einem befristeten Arbeitsverhältnis

Eine vereinbarte Probezeit in einem befristeten Arbeitsverhältnis muss in einem angemessenen Verhältnis zur Gesamtdauer der Befristung stehen. Doch, wie lang darf die Probezeit bei einem befristeten Arbeitsverhältnis sein, wann liegt ein Verstoß gegen das Teilzeit- und Befristungsgesetz vor? Mit dieser Frage beschäftigt sich das LAG Berlin-Brandenburg in dieser Entscheidung. 

LAG Berlin-Brandenburg, Entscheidung vom 02.07.2024, 19 Sa 1150/23

Stand:  19.10.2024
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Das ist passiert

Die Arbeitnehmerin hat mit der Arbeitgeberin für die Dauer eines Jahres einen befristeten Arbeitsvertrag geschlossen. Sie streitet mit der Arbeitgeberin über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung während der Befristung und in diesem Zusammenhang darüber, ob die vereinbarte Probezeit gegen § 15 Abs. 3 TzBfG verstößt. 

Die Arbeitnehmerin war als Advisor I, Customer Service bei der Arbeitgeberin  beschäftigt. In § 16 des Arbeitsvertrages heißt es unter anderem: 

„(1) Dieser Vertrag tritt am 22. August 2022 in Kraft und ist befristet bis zum 21. August 2023. (…) 

(3) Die ersten vier Monate der Tätigkeit (vom 22. August 2022 bis 21. Dezember 2022) gelten als Probezeit. In dieser Zeit kann der Arbeitsvertrag von beiden Vertragsparteien mit einer Frist von 2 Wochen gekündigt werden. (…) 

(4) Unbeschadete der in Absatz 1 geregelten Befristung bleibt beiden Parteien vorbehalten, das Arbeitsverhältnis nach der Probezeit ordentlich (…) und bei Vorliegen eines wichtigen Grundes außerordentlich zu kündigen. (…) 

Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis „innerhalb der Probezeit ordentlich zum nächstzulässigen Zeitpunkt“. Das sei der 28.12.2022. 

Gegen diese Kündigung richtet sich die Klage der Arbeitnehmerin. Sie hat vor allem die Auffassung vertreten, die vereinbarte viermonatige Probezeit widerspreche § 15 Abs. 3 TzBfG, weil die Probezeit nicht in einem angemessenen Verhältnis zur Dauer der Befristung stehe.  

Die Arbeitgeberin entgegnete unter anderem, die vereinbarte Probezeit sei im Verhältnis zur Befristungsdauer angemessen. Die von der Arbeitnehmerin ausgeführte Tätigkeit erfordere schon alleine eine 16-wöchige Ausbildungszeit.  

Das Arbeitsgericht Berlin hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung unter Einhaltung einer Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 1 BGB von vier Wochen am 15.01.2023 - während der Wartezeit - geendet hätte. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.  

Gegen dieses Urteil wenden sich die Arbeitnehmerin und die Arbeitgeberin mit der Berufung, bzw. mit der Anschlussberufung. 

Das entschied das Gericht

Das Arbeitsverhältnis der Arbeitnehmerin ende aufgrund der Kündigung der Arbeitgeberin nicht bereits am 28.12.2022, sondern mit Ablauf der Grundkündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB (4 Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats). 

Zur Anschlussberufung der Arbeitgeberin: 

Die Bestimmung im Arbeitsvertrag, wonach die ersten vier Monate des Arbeitsverhältnisses als Probezeit gelten, sei als allgemeine Geschäftsbedingung gem. § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Die Bestimmung verstoße gegen § 15 Abs. 3 TzBfG, wonach die in einem befristeten Arbeitsverhältnis vereinbarte Probezeit in keinem (angemessenen) Verhältnis zu der erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit stehe. 

Das Gesetz lege in § 15 Abs. 3 TzBfG kein starres Verhältnis von Befristungs- und Probezeitdauer fest, ebenso wenig wie die Europäischen Arbeitsbedingungen-Richtlinie (AB-Richtlinie) in Art. 8 Abs. 2. Dies hindere aber nicht daran, aus Gründen der Handhabbarkeit einen gewissen Anteil der vereinbarten Befristungsdauer regelmäßig als angemessen anzusehen mit der Möglichkeit, dass der Arbeitgeber darlegen kann, dass die Probezeitdauer insbesondere aufgrund der Art der Tätigkeit länger sein müsse.  

Der Berufungskammer erscheine, in handhabbarer Weise ein Anteil von 25% als Regelfall jedenfalls bei einer einjährigen Befristung angemessen.  

Der Arbeitgeberin gelinge es nicht, überzeugend darzulegen, warum bei einer Befristungsdauer von einem Jahr eine Probezeitdauer von vier Monaten (ein Drittel der Befristungsdauer) insbesondere auf Grund der Art der Tätigkeit angemessen sein solle.  

Aus den Darlegungen der Arbeitgeberin gehe hervor, dass die Arbeitnehmerin nach einem dreiwöchigen theoretischen Training und einen sich anschließenden vierwöchigen Nesting-Training eine neunwöchige Non-Tenure-Phase durchläuft. Hierzu trage die Arbeitnehmerin unwidersprochen vor, dass jedenfalls in letztgenannter Phase die Mitarbeiter schon weitgehend sich selbst überlassen blieben. Inwieweit der Arbeitgeberin daher innerhalb von drei Monaten in adäquater Weise eine hinreichende Überprüfung der Arbeitnehmerin nicht möglich sein solle, erschließe sich aus dem Vorbringen der Arbeitgeberin nicht.  

Dem Argument der  Arbeitgeberin, der 25%-Anteil sei gar nicht erreicht, weil es der Arbeitgeberin – hätte sie nicht gekündigt – möglich gewesen wäre, das Arbeitsverhältnis sachgrundlos gem. § 14 Abs. 2 TzBfG bis zur Dauer von zwei Jahren zu verlängern, sei nicht zu folgen. Es gehe hier ausschließlich um die Angemessenheit von Befristung und Probezeitdauer in dem konkret vorliegenden Vertrag.  

Die Nichtigkeit der Probezeit-Regelung führe nicht zu Nichtigkeit des Vertrages im Übrigen (§ 306 Abs. 1 BGB). Der Inhalt des Vertrages richte sich insoweit nach den gesetzlichen Vorschriften (§ 306 Abs. 2 BGB). 

Zur Berufung der Arbeitnehmerin 

Auch wenn die Probezeitvereinbarung unwirksam sei, entfalle damit nicht die generelle Kündigungsmöglichkeit des befristeten Arbeitsverhältnisses in den ersten vier Monaten des Arbeitsverhältnisses, weil es etwa an einer Vereinbarung im Sinne des § 15 Abs. 4 TzBfG fehlen würde. Der Arbeitsvertrag enthalte eine weitere Regelung über die Kündigungsmöglichkeit (ordentlich und außerordentlich). Insbesondere sei der Abs. 4 des § 16 des Arbeitsvertrags in einem Erst-Recht-Schluss so auszulegen, dass unabhängig von der Dauer der Kündigungsfrist in einer Probezeit das befristete Arbeitsverhältnis durchgängig ordentlich kündbar sein soll. 

Bedeutung für die Praxis

Im Jahr 2019 ist die Richtlinie (EU) 2019/1152 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union ("Arbeitsbedingungenrichtlinie") in Kraft getreten. 

Ziel dieser neuen EU-Richtlinie war es, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, indem eine transparente und vorhersehbarere Beschäftigung gefördert und zugleich die Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarktes gewährleistet wird.  

Auch der deutsche Gesetzgeber war aufgefordert, die neuen Regelungen in nationales Recht umzusetzen. Zum 01.08.2022 traten deshalb Änderungen des Nachweisgesetzes, das Arbeitgeber verpflichtet, wesentliche Bedingungen des Arbeitsvertrages schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen, in Kraft. Auch das Teilzeit- und Befristungsgesetz erfuhr in diesem Rahmen einige Anpassungen. So wurde § 15 Absatz 3 TzBfG neu ins Gesetz aufgenommen.   

§ 15 Absatz 3 TzBfG:  „Wird für ein befristetes Arbeitsverhältnis eine Probezeit vereinbart, so muss diese im Verhältnis zu der erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit stehen.“ 

Der Auszug aus der RL (EU) 2019/1152 lautet dazu: 

„Bei befristeten Arbeitsverhältnissen mit einer Dauer von weniger als zwölf Monaten sollten die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, dass die Probezeitdauer angemessen ist und im Verhältnis zur erwarteten Dauer des Vertrags und der Art der Tätigkeit steht.“  

Völlig offen blieb, was unter der neu eingeführten „Verhältnismäßigkeit“ konkret zu verstehen ist. Das zu klären, ist – wie im vorliegenden Fall – nun Aufgaben der deutschen Gerichte.  

Das LAG Berlin-Brandenburg hat die Revision zugelassen. Vielleicht liegt damit demnächst eine höchstrichterliche Entscheidung zur Frage der Verhältnismäßigkeit vor. (sf) 

 

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