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Ist der Einsatz von Headsets zur Kommunikation der Belegschaft in einem Primark-Laden mitbestimmungspflichtig? Ja, sagt das Bundesarbeitsgericht. Die Mitbestimmung fällt aber nicht in den Zuständigkeitsbereich des Filial-Betriebsrats, sondern ist vom Gesamtbetriebsrat zu verhandeln.
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 16.7.2024, 1 ABR 16/23
Vorweggeschickt: Nach einigen wirtschaftlich schwierigen Jahren mit Standortschließungen und -verkleinerungen soll es dem Fastfashion-Giganten Primark laut Berichten in der Fachpresse wieder deutlich besser gehen, sogar neue Filialen in Regensburg und Lambrechtshagen sollen für 2025 geplant sein.
In der hier betroffenen Filiale stritten Betriebsrat und Arbeitgeber über eine Frage der Mitbestimmung. Folgendes war passiert: Für die Führungskräfte (Manager und Supervisor) und jeweils einen Arbeitnehmer in den Bereichen Kasse, Umkleidekabine sowie Aufräum- und Return-Team sollte es eine Nutzungsverpflichtung von speziellen Headsets (Kopfhörer mit Mikrofon) geben. Die Mitarbeiter sollten bei Arbeitsbeginn in zufälliger Reihenfolge eines dieser Headsets aufsetzen, dessen Nummer von der zentralen Software zwar erfasst und protokolliert wird, aber ohne dass die Software mitbekommt, welcher Mitarbeiter welches Headset trägt. Während des Gebrauchs dieser Headsets wird jedes gesprochene Wort gleichzeitig an alle Nutzer übertragen, also auch an die Vorgesetzten.
Der Betriebsrat wurde an der Einführung des Systems nicht beteiligt und sah dadurch seine Mitbestimmungsrechte verletzt.
Anders als die Vorinstanz erkannte das Bundesarbeitsgericht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs.1 Nr. 6 BetrVG – der Einführung einer zur Leistungsüberwachung bestimmten technischen Einrichtung. Dazu reiche es aus, dass trotz Anonymisierung der Nutzerdaten des Systems die Headset-Träger an deren Stimmen und/oder ausgesprochene Namen erkannt werden können. Die Vorgesetzten vor Ort sind – was die Arbeitgeberin ausdrücklich angeführt hat – dadurch immer in der Lage, das Verhalten sämtlicher in einer Schicht tätigen Arbeitnehmer, die ein Headset verwenden, zur Kenntnis zu nehmen und damit zu überprüfen. Das habe zur Folge, dass diese Arbeitnehmer einem ständigen Überwachungsdruck ausgesetzt seien.
Die Mitbestimmung über den Einsatz dieser Einrichtung stehe allerdings nicht dem örtlichen Betriebsrat, sondern dem Gesamtbetriebsrat zu, weil das Headset-System im gesamten Unternehmen eingeführt worden sei und deshalb sämtliche Betriebe der Arbeitgeberin betroffen seien. Dies erfordere eine unternehmenseinheitliche Regelung.
Augen auf beim Einsatz neuer Technik im Betrieb! Nicht überall ist die Überwachungseignung einer technischen Einrichtung derart offensichtlich wie im vorliegenden Fall. Daten aus technischen Sensoren unterschiedlichster Art können in Zusammenführung und Abgleich mit anderen Daten wie Dienstplänen, Log-files usw. teilweise erschreckend genaue Leistungsprofile einzelner Mitarbeiter ermöglichen. Angebliche Anonymisierung entpuppt sich bei genauem Hinsehen mitunter als Lachnummer, so wie es im vorliegenden Fall natürlich überhaupt keiner Zuordnung der Daten in der Zentrale in Dublin zu einem bestimmten Arbeitnehmer brauchte. Darauf hatte fälschlicherweise das LAG Sachsen in der Vorinstanz abgestellt.
Tatsächlich kommt es aber nicht darauf an, auf welche Weise erfasste Leistungs- und Verhaltensdaten bestimmten Arbeitnehmern zugeordnet werden können. Dies muss nicht mit der eingesetzten Software geschehen, sondern kann auch genauso gut schlicht und ergreifen durch direktes Zuhören der Vorgesetzten vor Ort über das allzeit eingeschaltete Mikrofon der Arbeitnehmer geschehen. Ob ein derartiger Überwachungsdruck am Ende überhaupt arbeitsrechtlich zulässig wäre, Stichwort Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer, steht ohnehin nochmal auf einem ganz anderen Blatt. In jedem Fall ist aber festzuhalten: Chef hört über Technik mit – niemals ohne den Betriebsrat! (mb)