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Die Parteien streiten über die Entgeltfortzahlung wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit.
LAG Köln, Urteil vom 10.08.2023 – 6 Sa 682/22
Nach einem für die Klägerin unangenehmen Personalgespräch am 18. Januar kündigte diese einen Tag später zum Ende des kommenden Monats und legte gleichzeitig eine Krankmeldung zunächst bis zum 2. Februar vor, gefolgt von einer weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis zum 16. Februar. Am 17. Februar erschien sie im Betrieb und nahm Urlaub bis zum 23. Februar. Die restliche Zeit bis Monatsende war sie in stationärer Behandlung.
Der Arbeitgeber zahlte die Vergütung nur bis zum 18. Januar und die gewährten Urlaubstage im Februar. Denn am besagten Tag packte die Klägerin ihre persönlichen Sachen zusammen, gab ihr Diensthandy zurück und verabschiedete sich von den Kollegen. Für den Arbeitgeber ein Zeichen, dass die Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht wurde.
Das Gericht gab der Klage auf restliche Entgeltfortzahlung statt. Die Gesamtschau der Indizien führe nicht zu einer Erschütterung des Beweiswerts der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AUB). Weder die Ankündigung gegenüber Kollegen, sich krankschreiben zu lassen, noch die Mitnahme der persönlichen Gegenstände und die Abgabe des Diensthandys seien als Indizien zur Erschütterung des Beweiswerts der AUB geeignet. Entscheidend sei, dass die Klägerin im Rechtsstreit die ärztliche Diagnose einer seit längerem bestehenden depressiven Störung offengelegt habe. Auch wenn die Beklagte davon nichts wusste, ändere dies nichts an der Plausibilität der AUB.
Oft ist die Zeit nach einer Kündigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist eine belastende Situation für alle Beteiligte, besonders für die betreffende Person. Manche werden dadurch krank, manche flüchten sich aber auch von vornherein in die Krankschreibung, nicht selten nach ausdrücklicher Ankündigung. „Dann lasse ich mich eben krankschreiben“ ist regelrecht zu einem geflügelten Wort geworden. Dem hat das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2021 einen Riegel vorgeschoben, als es urteilte, dass vor allem bei „passgenauen“ Krankmeldungen, also vom Tag der Kündigung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses, ersthafte Zweifel an der Erkrankung gerechtfertigt sein können. Der Beweiswert der AUB kann in solchen Fällen erschüttert werden, was zur Folge hat, dass der Arbeitnehmer im Prozess seine Arbeitsunfähigkeit beweisen muss. (BAG 8. September 2021 – 5 AZR 149/21) Dem BAG sind inzwischen weitere Gerichte gefolgt und sogar noch darüber hinausgegangen. So meinte das LAG Niedersachsen, dass auch bei der Vorlage mehrerer AUB eine Erschütterung der Beweiswerte in Betracht kommen könne, wenn die restlichen Umstände dafürsprechen. So zum Beispiel, wenn sich der Arbeitnehmer nach Erhalt der arbeitgeberseitigen Kündigung „postwendend“ arbeitsunfähig melde (LAG Niedersachsen, 08.03.2023 – 8 Sa 859/22). Auch das LAG Schleswig-Holstein folgerte unter Berufung auf die neuere BAG-Rechtsprechung aus dem Arbeitnehmerverhalten eine Erschütterung des Beweiswerts von fünf AUB bis zum Ablauf der Kündigungsfrist. Dort hatte die Klägerin in Ihrem Kündigungsschreiben bereits erkennen lassen, dass sie nicht beabsichtigte, nochmals in den Betrieb zurückzukehren (LAG Schleswig-Holstein, 02.05.2023 – 2 Sa 203/22).
Es ist richtig, wenn Gerichte den Missbrauch des „gelben Scheins“ als eine Art Freifahrschein zum Blaumachen in der unschönen Restlaufzeit einer gekündigten Beschäftigung verhindern. Allen selbst kündigenden Arbeitnehmern sei warnend gesagt, dass sie nicht nur ihre Lohnfortzahlung riskieren, sondern im Extremfall auch vom Arbeitgeber fristlos entlassen werden können. Mit der AUB ist nicht zu spaßen, und sogar Ärzte riskieren bei grundloser blanko-Ausstellung belangt zu werden.
Aber das darf natürlich nicht dazu führen, alle die nach einer Kündigung erkranken unter Generalverdacht zu stellen. Eine ärztlich festgestellte Arbeitsunfähigkeit ist in aller Regel berechtigt und hat einen äußerst hohen Beweiswert. Die Anforderungen an die Erschütterung des Beweiswerts der AUB sind deshalb auch nach der neueren Rechtsprechung des BAG nach wie vor hoch. Das wird durch das neue Urteil des LAG Köln noch einmal deutlich.
Und betroffenen Personen ist zu raten: Bloß keine Kurzschlusshandlungen nach einer Kündigung. Jedes demonstrative Zusammenpacken sollte tunlichst unterbleiben und auch Abschiedsreden sollte man sich besser aufheben. Hätte die Klägerin im Kölner Fall nicht ihre seit längerem bestehende Diagnose vorbringen können, wäre die Sache für sie mit Sicherheit anders ausgegangen.