Liebe Nutzer,
für ein optimales und schnelleres Benutzererlebnis wird als Alternative zum von Ihnen verwendeten Internet Explorer der Browser Microsoft Edge empfohlen. Microsoft stellt den Support für den Internet Explorer aus Sicherheitsgründen zum 15. Juni 2022 ein. Für weitere Informationen können Sie sich auf der Seite von -> Microsoft informieren.
Liebe Grüße,
Ihr ifb-Team
Beim Erstellen eines Arbeitszeugnisses sind die Gebote der Zeugniswahrheit und der Zeugnisklarheit zu beachten. Aber auch seiner äußeren Form nach muss ein Zeugnis den Anforderungen entsprechen, wie sie im Geschäftsleben an ein Arbeitszeugnis gestellt und vom Leser als selbstverständlich erwartet werden. An diesem Grundsatz musste sich das Arbeitszeugnis einer Rechtsanwältin messen lassen.
LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 2.11.2023, 5 Sa 35/23
Die Arbeitnehmerin und die Arbeitgeber streiten über die Anforderungen an die äußere Form eines Arbeitszeugnisses. Die Arbeitnehmerin war als Rechtsanwältin in einer Kanzlei angestellt. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses stellten die Arbeitgeber der Arbeitnehmerin auf einem für Kanzleien üblichen Geschäftsbriefbogen ein Arbeitszeugnis aus. Das Zeugnis wurde ihr zweifach gefaltet in einem handelsüblichen Briefumschlag mit Sichtfenster übersandt.
Die Arbeitnehmerin war der Meinung, dass das erteilte Zeugnis in formeller Hinsicht zu berichtigen sei. Unter anderem machte sie mit einer Klage vor dem Arbeitsgericht geltend, dass die Privatanschrift eines Arbeitnehmers nicht in ein Arbeitszeugnis gehöre. Das Zeugnis sei ungefaltet zu übersenden, da es für spätere Bewerbungen kopierfähig sein müsse. Da der unterzeichnende Arbeitgeber seiner Unterschrift im Geschäftsverkehr üblicherweise die Bezeichnung „Rechtsanwalt und Steuerberater“ beifüge, gelte dies auch für das Zeugnis. Gegen die arbeitsgerichtliche Entscheidung legten die Arbeitgeber Berufung ein.
Die Berufung der Arbeitgeber sei nur teilweise begründet. Die Arbeitnehmerin habe gemäß § 109 Abs. 1 und 2 GewO nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf Erteilung eines schriftlichen qualifizierten Arbeitszeugnisses. Diesen Anspruch hätten die Arbeitgeber bislang nicht vollumfassend erfüllt.
Sowohl der gesetzlich geschuldete Inhalt eines Zeugnisses als auch dessen äußere Form richte sich nach den mit ihm verfolgten Zwecken. Es diene dem Arbeitnehmer regelmäßig als Bewerbungsunterlage und dadurch Dritten, insbesondere möglichen künftigen Arbeitgebern, als Grundlage für die Personalauswahl. Seiner äußeren Form nach müsse ein Zeugnis den Anforderungen entsprechen, wie sie im Geschäftsleben an ein Arbeitszeugnis gestellt und vom Leser als selbstverständlich erwartet werden.
Zur Beurteilung von Inhalt und äußerer Form des Zeugnisses sei auf die Sicht eines objektiven und damit unbefangenen Arbeitgebers mit Berufs- und Branchenkenntnissen abzustellen. Entscheidend sei, wie ein solcher Zeugnisleser das Zeugnis auffassen muss.
Demnach dürfe ein Arbeitszeugnis regelmäßig ein Adressfeld enthalten, in dem nicht nur der Name des Arbeitnehmers, sondern auch dessen Anschrift angegeben sei. Die Angabe der Anschrift sei kein Merkmal, das den Zweck habe oder jedenfalls zur Folge haben könne, die äußere Form des Zeugnisses zu entwerten oder eine andere als aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen. Die Adressangabe widerspräche nicht den Anforderungen, die im Geschäftsleben an ein Arbeitszeugnis gestellt und vom Leser als selbstverständlich erwartet werden. Ein verständiger potenzieller neuer Arbeitgeber könne daraus lediglich schließen, dass das Zeugnis dem Arbeitnehmer möglicherweise per Post übersandt wurde. Rückschlüsse auf Streitigkeiten mit dem früheren Arbeitgeber ergäbe sich daraus nicht.
Ein Arbeitnehmer habe zwar grundsätzlich keinen Anspruch auf eine Übersendung des Zeugnisses, da es sich um eine Holschuld handle. Dennoch sei die postalische Übermittlung eines Arbeitszeugnisses nicht ungebräuchlich. Im Einzelfall könne sogar ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Übersendung des Zeugnisses bestehen, wenn beispielsweise die Abholung mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden sei.
Darüber hinaus müsse bei einem Arbeitszeugnis ohne weiteres (d. h. auf den ersten Blick) zuverlässig erkennbar sein, wer es ausgestellt und welche Stellung derjenige im Betrieb habe. Aufgrund dessen ist der Unterschrift regelmäßig der Name des Unterzeichners und ein seine Stellung kennzeichnender Zusatz in Druckschrift beizufügen. Die Funktion und die berufliche Stellung des Unterzeichners bzw. seine Stellung innerhalb des Betriebs gäben Aufschluss über die Wertschätzung des Arbeitnehmers und die Kompetenz des Ausstellers zur Beurteilung des Arbeitnehmers. Das Fehlen dieser Angaben könne sich als nachteilig für den Arbeitnehmer erweisen. Ein Zeugnisleser müsse das Rangverhältnis des Zeugnisausstellers zu dem Arbeitnehmer ohne weitere Nachforschungen aus dem Zeugnis ablesen können. Im Arbeitsleben werde regelmäßig eine Angabe zur Berufsbezeichnung, Funktion und Stellung des Unterzeichners im Zusammenhang mit seiner Unterschrift erwartet.
Die Arbeitnehmerin habe somit einen Anspruch auf Angabe der Berufsbezeichnung des Zeugnisausstellers unterhalb des in Druckschrift wiedergegebenen Nachnamens.
Grundsätzlich dürfe ein Zeugnis zweimal gefaltet werden, um das DIN-A4-Papier in einem herkömmlichen Geschäftsumschlag unterzubringen. Das Zeugnis müsse jedoch kopierfähig sein, da es bei Bewerbungen regelmäßig als Kopie oder eingescanntes Dokument beigefügt werde. Sicherzustellen sei, dass saubere und ordentliche Kopien gefertigt werden können. Das sei nicht gewährleistet, wenn sich z. B. die Falzungen auf den Kopien durch quer über den Bogen verlaufende Schwärzungen abzeichnen. Dem Arbeitnehmer müsse es möglich sein, mit einem handelsüblichen Gerät mittlerer Art und Güte eine Abschrift in Papier- oder Dateiform herzustellen, ohne dass Schwärzungen im Bereich der Falzungen sich störend abzeichnen und den optischen Gesamteindruck schmälern. Darauf sei vorliegend bei der sowieso notwendigen Neuerstellung des Zeugnisses zu achten.
Das Arbeitszeugnis dient dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers. Es ist quasi seine „Visitenkarte“. Arbeitnehmer haben daher ein hohes Interesse an einer für sie günstigen Abfassung des Zeugnisses, um für sich und die eigene Arbeitsleistung auf dem Arbeitsmarkt werben zu können. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich sogar das Bundesarbeitsgericht (BAG) regelmäßig mit Ansprüchen auf Zeugnisberichtigung befassen muss. So hatte das BAG auch über die Frage zu entscheiden, ob ein Arbeitszeugnis mit einer Dankes- und Bedauernsformel enden müsse. Das hat das BAG (Urteil, 25.02.2022, 9 AZR 146/21) verneint. (sf)