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Jedenfalls bei seinem Arbeitgeber hat ein führender Vertriebs-Außendienstler für immer ausgetankt. Das LAG Niedersachsen bestätigte seine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung, nachdem dieser über 12 Jahre hinweg seine geschäftliche Tankkarte auch für seine privaten Fahrzeuge eingesetzt hatte.
LAG Niedersachsen, Urteil vom 29.03.2023, 2 Sa 313/22
Der Kläger, ein Außendienstmitarbeiter mit einem durchschnittlichen Monatsbrutto-Gehalt von über 15.000 Euro, besaß einen Dienstwagen, den er auch privat nahezu schrankenlos benutzen durfte. Sämtliche Kosten trug die Arbeitgeberin, auch den Treibstoff. Zum Tanken wurden ihm zwei Tankkarten überlassen. Diese benutzte der Kläger auch, um seinen privaten VW Touareg und seinen Porsche 911 Cabrio zu befüllen. Nachdem die beklagte Arbeitgeberin das bemerkte, kündigte sie dem Kläger außerordentlich. Dagegen richtete sich die Kündigungsschutzklage des Klägers.
Der Kläger gab unumwunden zu, dass er seine Privatfahrzeuge mit der geschäftlichen Tankkarte betankt hatte. Er sah sich dazu im Recht. Weil über 12 Jahre hinweg keine der Abrechnungen moniert worden sei, habe er darauf vertrauen dürfen, dass er die Nutzung der Tankkarten im Sinne der Beklagten vornehme. Tatsächlich war der Dienstwagen ein Dieselfahrzeug und die Privat-PKW waren Benziner. Der Kläger operierte gewissermaßen vom Home-Office aus und betrachtete die Fahrzeuge vor seiner Türe wohl als eine Art persönlichen Fuhrpark, ohne groß zwischen dem Dienstfahrzeug und seinen privaten Fahrzeugen zu unterscheiden. So habe er auch immer wieder mal für Dienstfahrten seine privaten PKW benutzt. Die betriebliche Dienstwagenrichtlinie habe keine klaren Regelungen vorgesehen, die das Benutzen der Tankkarten auf den Dienstwagen beschränkt habe. Darin stand allerdings der Satz „Der Mitarbeiter verpflichtet sich, den PKW bei Dienstreisen einzusetzen.“
In erster Instanz wurde der Klage noch stattgegeben. Die vorgegebene Dienstwagenregelung verbiete die vorgenommene Nutzung der Tankkarten nicht mit ausreichend deutlicher Klarheit. Dem Kläger sei nicht ausdrücklich mitgeteilt worden, dass er mit den Tankkarten ausschließlich den Dienstwagen betanken dürfe. Darum hätte die Beklagte zunächst eine Abmahnung aussprechen müssen.
Das sah das Berufungsgericht ganz anders. Der Kläger hätte eindeutig erkennen müssen, dass die Benutzung der Tankkarten zur Betankung seiner privaten Fahrzeuge nicht erlaubt war.
Werden in einem Arbeitsverhältnis Tankkarten, Kreditkarten oder Kontokarten zur Verfügung gestellt, so sei davon auszugehen, dass diese lediglich für dienstliche Zwecke gedacht sind. Und die Dienstwagenrichtlinie bringe klar zum Ausdruck, dass der Einsatz der Tankkarten nur bei Nutzung des Dienstwagens erlaubt sein sollte. Die pflichtwidrige Benutzung der Tankkarten wäre vergleichbar mit dem Einreichen falscher Spesenabrechnungen, also eine schwere Pflichtwidrigkeit, die an sich geeignet wäre, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Angesichts der Schwere der Pflichtverletzung bedürfe es zudem keiner vorherigen Abmahnung. Eine Wiederherstellung des für das Arbeitsverhältnis notwendigen Vertrauens könnte durch den Ausspruch einer Abmahnung nicht erwartet werden.
Im Grunde ein einfacher Fall, zwar wird es an keiner Stelle ausgesprochen - aber hier geht es im Endeffekt um Betrug. Der Kläger konnte eigentlich nicht ernsthaft glauben, mit seinem Argument durchzukommen. Umso erstaunlicher, dass er es in erster Instanz doch geschafft hat. Interessant ist aber die Verzichtbarkeit auf die eigentlich notwendige vorherige Abmahnung bei einer verhaltensbedingten Kündigung. Dafür muss es schon ziemlich dick kommen, und das Wort Betrug wurde ja von niemanden in den Mund genommen. Es kann nur vermutet werden, wie der Kläger vor Gericht wohl aufgetreten sein mag.
Jenseits des eigentlichen Sachverhalts birgt dieser Fall aber noch weitere interessante Aspekte. So war eine der Verteidigungsstrategien des Klägers, dass die Kündigung wegen falscher Anhörung des Betriebsrats unwirksam sei. Tatsächlich wurde dem Betriebsrat in der Anhörung vom Arbeitgeber mitgeteilt, der Kläger habe drei Kinder – in Wahrheit waren es aber vier. Hierzu stellte das Gericht fest, dass es für eine ordnungsgemäße Anhörung ausreicht, wenn der Arbeitgeber seinen Kenntnisstand richtig an den Betriebsrat weitergibt. Von einem vierten Kind war dem Arbeitgeber aber nichts bekannt.
Sodann zweifelte der Kläger an, dass das Anhörungsschreiben an den Betriebsrat korrekt übergeben worden sei. Die Übergabe entsprach allerdings den Verhinderungsregelungen nach der Geschäftsordnung des Betriebsrates und war somit ordnungsgemäß.
Außerdem wäre die Dienstwagenrichtlinie unwirksam, weil sie ohne Mitbestimmung des Betriebsrats erlassen worden sei. Dazu führte das Gericht aus, die Gewährung von Dienstwagen zu dienstlichen Zwecken sei mitbestimmungsfrei, weil der Arbeitgeber über den Einsatz von Arbeitsmitteln frei entscheiden könne.
Die Summe der Aspekte in einem solch vermeintlich einfachen Sachverhalt ist fast ein wenig überraschend. Vor allem die Bedeutung des Betriebsrats in einem solchen Kündigungsfall ist nicht zu unterschätzen, weshalb sich dieser in personellen Angelegenheiten besonders gründlich schulen lassen sollte. (mb)