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Die Rentennähe kann bei der Sozialauswahl berücksichtigt werden. Die soziale Schutzwürdigkeit von Arbeitnehmern steigt mit zunehmendem Lebensalter an. Das gilt jedoch nur bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Arbeitnehmer über eine abschlagfreie Rente bezieht oder spätestens innerhalb von zwei Jahren beziehen kann. Gleiches gilt nicht für Menschen mit einer Schwerbehinderung.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 08.12.2022, 6 AZR 31/22
Die Klägerin wehrt sich gegen zwei betriebsbedingte Kündigungen. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens schloss der beklagte Insolvenzverwalter mit dem Betriebsrat einen ersten Interessensausgleich mit Namensliste. Dieser sah die Kündigung von 61 der 396 Arbeitnehmer vor, hierunter auch die Klägerin. Mit Schreiben vom 27. März 2020 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 2020. Die Klägerin hält die Kündigung für unwirksam.
Nach Ansicht des Beklagten ist die Klägerin in ihrer Vergleichsgruppe sozial am wenigstens schutzwürdig, da sie als einzige die Möglichkeit habe, zeitnah, ab dem 1. Dezember 2020 eine Altersrente nach §§ 38, 236 SGB VI zu beziehen.
Wegen einer nunmehr beabsichtigten Betriebsstilllegung schlossen Betriebsrat und Insolvenzverwalter einen zweiten Interessenausgleich mit Namensliste. Die hierauf aufgeführte Klägerin wurde vorsorglich erneut am 29. Juni 2020 zum 30. September 2020 gekündigt. Die Klägerin erhob gegen beide Kündigungen Kündigungsschutzklage.
Nachdem das Arbeitsgericht beiden Kündigungsschutzklagen stattgegeben hat und das Landesarbeitsgericht die Berufung des Beklagten zurückwies, landete die Revision vor dem Bundesarbeitsgericht.
Der Senat befand die erste Kündigung für unwirksam. Bei einer betriebsbedingten Kündigung muss der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte heranziehen (= Sozialauswahl). § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG nennt als Kriterien die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung eines Arbeitnehmers.
Da die Vermittlungschancen älterer Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt geringer sind, erhöht sich mit steigendem Lebensalter auch deren soziale Schutzbedürftigkeit. Sie fällt dann wieder ab, wenn der Arbeitnehmer spätestens innerhalb von zwei Jahren über eine abschlagfreie Rente wegen Alters verfügen kann oder bereits verfügt. Davon ausgenommen sind Menschen mit Schwerbehinderung, §§ 37, 236 SGB VI. Damit durfte der Beklagte die Rentennähe bezogen auf das Auswahlkriterium Lebensalter heranziehen, allerdings müssen die anderen Auswahlkriterien wie „Betriebszugehörigkeit“ und „Unterhaltspflichten“ mitberücksichtigt werden. Die Auswahl der Klägerin erfolgte allerdings allein wegen ihrer Rentennähe und war damit grob fehlerhaft.
Hinsichtlich der vorsorglichen Kündigung vom 29. Juni hatte die Revision des Beklagten allerdings Erfolg.
Nun ist es klargestellt: Die zeitliche Nähe eines Arbeitnehmers zur Altersrente kann bei der Sozialauswahl berücksichtigt werden – im Ergebnis damit zu Lasten des Arbeitnehmers. Gut ist, dass die zeitliche Nähe genau definiert wurde vom BAG: Spätestens innerhalb von zwei Jahren nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses. Aber, und das ist auch sehr wichtig: Die Rentennähe alleine darf nicht entscheidend sein. (nw)