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Für weitgehend gleiche Tätigkeiten darf ein Tarifvertrag auch unterschiedliche Vergütungen vorsehen. Das entschied das Bundesarbeitsgericht. Die Tarifautonomie wird zwar durch den zu beachtenden allgemeinen Gleichheitssatz beschränkt. Das Gericht kontrolliert Tarifnormen aber grundsätzlich nur auf reine Willkür. Vorliegend besteht ein einleuchtender Grund für eine Differenzierung bei der Eingruppierung, und dieser liegt in unterschiedlichen Ausbildungen.
BAG, Beschluss vom 26.02.2025, AZ.: 4 ABR 21/24
Der Betriebsrat streitet mit der Arbeitgeberin, die Trägerin mehrerer Krankenhäuser ist, über die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung einer Arbeitnehmerin.
In den Krankenhäusern gilt der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände geltenden Fassung (TVöD/VKA). Die Umgruppierung erfolgte auf Basis der Vergütungsordnung für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser.
In den Operationssälen einschließlich des ambulanten Operationssaals sind vor, während und nach einer Operation sowohl Medizinische Fachangestellte (MFA) als auch Operationstechnische Assistenten (OTA) beschäftigt. Diese unterstützen die OP-Teams mit im Wesentlichen gleichen Tätigkeiten.
Die Arbeitnehmerin A, die eine dreijährige Ausbildung zur Medizinische Fachangestellte (MFA) erfolgreich absolviert hat wurde mit Zustimmung des Betriebsrats in den ambulanten Operationssaal versetzt. Die Arbeitgeberin beantragte beim Betriebsrat entsprechend die Zustimmung zur Umgruppierung der Arbeitnehmerin in die Entgeltgruppe 6 Stufe 2 TVöD/VKA.
Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung mit der Begründung, die Arbeitnehmerin sei der höheren Entgeltgruppe P8 TVöD/VKA zuzuordnen. Die Operationstechnische Assistenten (OTA) werden nach dieser Entgeltgruppen für die Pflege bezahlt. Aus diesem Grund seien auch im ambulanten Operationssaal eingesetzte MFA nach den besonderen Tätigkeitsmerkmalen für Beschäftigte in der Pflege einzugruppieren. Maßgebend sei nicht die Ausbildung der Arbeitnehmerin, sondern deren Tätigkeit. Ein anderes Verständnis der tariflichen Regelungen führe zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung und verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Das Arbeitsgericht hat dem darauffolgenden Antrag der Arbeitgeberin auf Ersetzung der Zustimmung stattgegeben. Der Betriebsrat verfolgt die Abweisung des Antrags weiter.
Der Betriebsrat hat die Zustimmung zu der geplanten Umgruppierung nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG zu Unrecht verweigert, so das Gericht. Diese verstoße nicht gegen die Bestimmungen des maßgebenden Tarifvertrags. Die Tätigkeit der Arbeitnehmerin sei der Entgeltgruppe 6 Stufe 2 TVöD/VKA zuzuordnen.
Die tariflichen Regelungen sehen für MFA eine niedrigere Vergütung vor als für OTA, obwohl beide Berufsgruppen im Wesentlichen gleiche Tätigkeit im ambulanten Operationssaal ausüben.
Hierin liege – entgegen der Auffassung des Betriebsrats – kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vor.
Tarifautonomie sei darauf angelegt, die strukturelle Unterlegenheit der einzelnen Arbeitnehmer beim Abschluss von Arbeitsverträgen durch kollektives Handeln auszugleichen und damit ein annähernd gleichgewichtiges Aushandeln der Löhne und Arbeitsbedingungen zu ermöglichen. Mit der grundrechtlichen Garantie der Tarifautonomie werde ein Freiraum gewährleistet, in dem Arbeitnehmer und Arbeitgeber ihre Interessengegensätze in eigener Verantwortung austragen können.
Die Tarifvertragsparteien hätten allerdings bei der Tarifnormsetzung auch den allgemeinen Gleichheitssatz zu achten. Diese Grenze der Tarifautonomie folge unmittelbar aus der Verfassung.
Den Tarifvertragsparteien stünden bei der Wahrnehmung der verfassungsrechtlich eröffneten Kompetenz zur Regelung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielräume zu. Es bleibe grundsätzlich den Tarifvertragsparteien aufgrund dieser Sachnähe und ihrer tarifpolitischen Kenntnisse überlassen, ob und für welche Bereiche sie spezifische Regelungen treffen und durch welche situationsbezogenen Kriterien diese ausgestaltet sind.
Bei Tarifnormen, deren Gehalte im Kernbereich der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen liegen und bei denen spezifische Schutzbedarfe oder Anhaltspunkte für eine Vernachlässigung von Minderheitsinteressen nicht erkennbar sind, sei die gerichtliche Kontrolle am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG angesichts der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Spielräume der Tarifvertragsparteien auf eine Willkürkontrolle beschränkt. Willkür der Tarifvertragsparteien sei nicht schon dann zu bejahen, wenn sie unter mehreren Lösungen nicht die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung treffen. Tarifnormen seien nur dann willkürlich, wenn die ungleiche Behandlung der Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar sei, wo also ein einleuchtender Grund für die Differenzierung fehle. Das sei insbesondere dann der Fall, wenn die Unsachlichkeit der Differenzierung evident ist.
Vorliegend sei es den Tarifvertragsparteien nicht verwehrt, für MFA eine niedrigere Vergütung als für OTA vorzusehen, auch wenn sie Tätigkeiten ausüben, die denen einer OTA entsprechen. Der sich durch die Tätigkeitsmerkmale ergebende Entgeltanspruch (§ 15 Abs. 1 TVöD/VKA) unterfalle dem Kernbereich der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen. Den Tarifvertragsparteien stehe es frei, diesen nicht nur von der Ausübung einer bestimmten Tätigkeit, sondern auch von weiteren persönlichen Voraussetzungen, wie dem Nachweis bestimmter Kenntnisse oder einer speziellen Ausbildung, abhängig zu machen. Dies könne zur Folge haben, dass Beschäftigte, die die geforderte Ausbildung nicht besitzen, bei gleicher Tätigkeit eine niedrigere Vergütung erhalten. Die jeweils dreijährigen Ausbildungen für OTA und MFA unterscheiden sich wesentlich. Die Ausbildung zur MFA vermittle in erheblichem Umfang Kenntnisse im Bereich der Betriebsorganisation und -verwaltung und neben medizinischen auch ökonomische Fachkenntnisse. Demgegenüber ziele die Ausbildung zur OTA nach den dafür berufsrechtlichen Vorgaben (§ 7 Abs. 1 Anästhesietechnische- und Operationstechnische-Assistenten-Gesetz – ATA-OTA-G) auf die Vermittlung der für die Berufsausübung erforderlichen fachlichen und methodischen Kompetenzen zur eigenverantwortlichen Durchführung und zur Mitwirkung, insbesondere in den operativen oder anästhesiologischen Bereichen der stationären und ambulanten Versorgung sowie in weiteren diagnostischen und therapeutischen Versorgungsbereichen einschließlich der zugrunde liegenden Lernkompetenzen sowie der Fähigkeit zum Wissenstransfer und zur Selbstreflexion ab. Danach handle es sich bei der Ausbildung zur OTA um die spezifischere Ausbildung für eine Assistenztätigkeit im AOP. Für die von den Tarifvertragsparteien getroffene Differenzierung bei der Eingruppierung bestehe danach ein einleuchtender Grund.
Lohnunterschiede sind auch bei ähnlichen Aufgaben nicht automatisch ungerecht oder unzulässig. Entscheidend ist, ob sie sachlich begründet sind – z. B. durch Qualifikation, Ausbildungswege oder berufsrechtliche Vorgaben. Tarifverträge bieten an dieser Stelle weiterhin einen großen Gestaltungsspielraum.
In nicht tarifgebundenen Unternehmen hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Entgeltgestaltung (§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG). Hier kommt es besonders auf eine sorgfältige Ausgestaltung der Entgeltsysteme an, da der Gleichbehandlungsgrundsatz uneingeschränkt gilt.
Doch Achtung: Was gleich aussieht, ist auch nicht immer gleich. Betriebsräte sollten genau prüfen, ob Unterschiede gerechtfertigt sind – und auf Transparenz und faire Systeme drängen. Nur so schaffen Vergütungsmodelle Vertrauen und Akzeptanz. Die Beiziehung eines Sachverständigen für Entgeltfragen ist an dieser Stelle sicherlich eine gute Investition. (sf)