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Die Parteien stritten über die vom Arbeitgeber zu zahlenden Vergütungsbestandteile in der Freistellung.
LAG Hessen, Urteil vom 13.06.2023, 12 Sa 1293/22
Der Kläger war bei der Beklagten als Notfallsanitäter in Wechselschicht beschäftigt. Neben einer Wechselschichtzulage erhielt er eine Zulagenpauschale mit Nachtzuschlägen, Sonn- und Feiertagszuschlägen sowie eine Rufbereitschaftspauschale. Nach seiner vollständigen Freistellung als Betriebsrat stellte die Beklagte diese Zuschläge ein. Denn der Kläger verrichtete seine Betriebsratstätigkeit fortan ausschließlich werktags zu den üblichen Bürozeiten. Der Kläger vertrat die Auffassung, die Zuschläge stünden ihm nach dem Lohnausfallprinzip auch weiterhin zu, die Beklagte lehnte dies jedoch ab, weil es die freie Entscheidung des Klägers sei, wann er seine Betriebsratstätigkeit verrichte. Nicht das Amt verhindere somit die Wechselschicht-Beschäftigung, sondern die freie Entscheidung des Klägers.
Das Gericht wies die Klage ab. Zwar müsse bei der Freistellung nach dem Lohnausfallprinzip das Arbeitsentgelt weiter gezahlt werden, das gezahlt worden wäre, wenn der freigestellte Betriebsrat keine Betriebsratstätigkeit geleistet, sondern gearbeitet hätte. Dazu gehören alle Vergütungsbestandteile wie Zuschläge für Mehr-, Über-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit. Der Grund für diese Zuschläge sei jedoch der Ausgleich für besondere Erschwernisse, die der Kläger nicht mehr hatte, weil er seine Betriebsratstätigkeit in die allgemeinen Bürozeiten verlegt hätte. Dies wäre freiwillig geschehen und nicht durch das Amt als Betriebsrat bedingt, weshalb er gegenüber der Vergleichsgruppe auch nicht benachteiligt worden sei.
Dieses Urteil ist ein Schlag ins Gesicht aller freigestellten Betriebsräte und an Praxisferne kaum zu überbieten. Ein Notfallsanitäter muss rund um die Uhr Leben retten. Seine Arbeitsbedingungen sind extrem hart und das Verdienst angesichts dessen bescheiden. Umso ehrenvoller ist es, wenn sich aus dieser Berufsgruppe trotzdem noch Menschen finden, die das Ehrenamt als Betriebsrat auf sich nehmen, um sich für die Kollegen einzusetzen. Ab einer gewissen Größe lässt sich das nicht mehr zusätzlich schultern, da braucht es die Freistellung. Aber auch ein freigestellter Betriebsrat muss finanziell über die Runden kommen, und in manchen Berufen zählen die Zulagen für Schichtarbeit fest zur kalkulierten Lebensgrundlage. Da mutet es schon beinah zynisch an, wenn das Gericht meint, nicht die Freistellung sei der Grund für den Wegfall der zulagenpflichtigen „Erschwernis“, sondern die freiwillige Verlegung der Betriebsratstätigkeit in die allgemeinen Büroarbeitszeiten. Tatsächlich hätte der Kläger die Betriebsratstätigkeit auch in Wechselschicht ausüben können, meinte jedenfalls das Gericht. Wie man sich eine solche Betriebsratstätigkeit nachts um vier Uhr und an Feiertagen vorzustellen hat, darüber hat das Gericht allerdings nichts gesagt.
Aus der Sicht dieses Kommentars verwischt das Gericht hier die Grenze zwischen den nach dem Lohnausfallprinzip weiter zu bezahlenden Vergütungsbestandteilen und den nach Wegfall der Erschwernis nicht mehr zu bezahlenden Aufwendungsersatz-Zahlungen, wie z.B. die Schmutzzulage. Frei nach dem Motto „nicht mehr schmutzig, also kein Geld mehr für die Wäsche“ ist dasselbe wie „nicht mehr nachts tätig, also keine Nachtzulage“. Klingt ähnlich, ist es aber nicht. Und was die „Verlegung“ der Betriebsratstätigkeit angeht, kann sich das Gericht tatsächlich ein Stück weit an einer alten BAG-Entscheidung anlehnen. Das hat 2016 auch schon einmal entschieden, dass Nachtarbeitszuschläge entfallen, wenn die Betriebsratstätigkeit ausschließlich tagsüber stattfindet (BAG v. 18.05.2016, 7 AZR 401/14). Nur dass der Fall dort völlig anders gelagert war. Damals hatte der Betroffene gleich bei Amtsantritt mit dem Arbeitgeber seinen Arbeitsvertrag von Nacht- auf Tagschicht umgestellt, so dass er bei Aufgabe seines Amts weiterhin in Tagschicht, und nicht nachts tätig geworden wäre. Also eine völlig andere Ausgangslage.
Man darf gespannt sein, ob zu diesem Urteil noch eine höchstrichterliche Entscheidung folgt, das Rechtsmittel war jedenfalls zugelassen. (mb)