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„Was zieh ich an, was zieh ich an, damit man mich auch gut sehen kann?!“ Wer darf das eigentlich entscheiden? Ein Mitarbeiter eines Produktionsbetriebs weigerte sich nach einigen Jahren im Betrieb „aus Prinzip“ die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte rote Arbeitsschutzhose zu tragen. Schließlich sprach ihm der Arbeitgeber die Kündigung aus – nach mehreren Aufforderungen und Abmahnungen.
LAG Düsseldorf, Urteil vom 21.05.2024, 3 SLa 224/24
Der Mitarbeiter war seit 2014 bei dem Arbeitgeber im Produktions- und Montagebereich beschäftigt. Im September 2023 wurde die Hausordnung neu gefasst. Dort wurde ausdrücklich das Tragen von roten Arbeitshosen vorgeschrieben. Die Regel galt auch schon vor der Neuerung der Hausordnung im Betrieb und wurde von dem betreffenden Mitarbeiter in der Vergangenheit anstandslos befolgt.
Der Mitarbeiter hatte im Rahmen seiner Tätigkeit Zugang zu allen Hallenbereichen, auch zu solchen, in denen Gabelstapler fahren. Nachdem er nicht mit der roten Arbeitshose, sondern einer schwarzen Hose erschien, wurde er angewiesen, ab sofort die rote Hose zu tragen. Dieser Anweisung kam er jedoch mehrmals nicht nach, sodass nach einem Personalgespräch sowie zwei Abmahnungen die ordentliche, fristgerechte Kündigung folgte.
Der Arbeitnehmer erhob Klage beim Arbeitsgericht und wandte sich gegen die Abmahnungen sowie gegen die Kündigung. Der Arbeitgeber führte an, dass es sich bei der Hose um Arbeitsschutzkleidung handle. Außerdem sei das Tragen aus Gründen der Wahrung der Corporate Identity und der unmittelbaren Erkennbarkeit der eigenen Mitarbeiter geboten. Der Arbeitnehmer führte schlicht an, dass er keine roten Hosen möge. Einen Betriebsrat gibt es in diesem Betrieb nicht.
Das LAG schloss sich im Ergebnis der Vorinstanz (Arbeitsgericht Solingen) an, welches sowohl die Kündigungsschutzklage als auch das Begehren auf Entfernung der Abmahnungen als unbegründet abwies.
Der Arbeitgeber sei kraft seines Direktionsrechts aus § 106 GewO berechtigt, die Arbeitnehmer der Produktion und der produktionsnahen Bereiche anzuweisen, eine von ihm gestellte Arbeitsschutzhose in roter Farbe zu tragen, wenn die Farbwahl neben dem Umstand, dass der Firmenschriftzug gleichfalls seit jeher in roter Farbe geführt wird (Argument der „Corporate Identity“), zusätzlich dadurch begründet ist, dass die Signalfarbe Rot bewusst zur Verbesserung der Arbeitssicherheit im Hinblick auf die Risiken durch Gabelstaplerverkehr in den Produktionsbereichen gewählt wurde. In einer solchen Anordnung liegt zwar ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des betroffenen Arbeitnehmers. Dieses wird jedoch nur im Bereich der Sozialsphäre betroffen.
Lehnt der Arbeitnehmer das Tragen einer Arbeitsschutzhose der Farbe Rot ohne jede nähere Begründung und letztlich somit „aus Prinzip“ ab, die er zuvor jahrelang unbeanstandet getragen hat, setzt sich in der im Rahmen der Billigkeitsprüfung vorzunehmenden Güter- und Interessenabwägung das Interesse des Arbeitgebers an einer Verbesserung der Arbeitssicherheit und der Schaffung einer Corporate Identity durch.
Verweigert der Arbeitnehmer vor dem Hintergrund der somit wirksamen Anordnung trotz mehrerer Personalgespräche und zweier Abmahnungen unverändert das Tragen einer roten Arbeitsschutzhose, rechtfertigt dies zumindest die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses.
Dieser Fall zeigt, dass sich das persönliche Modeempfinden in einigen Fällen betrieblichen Interessen – insbesondere auch Interessen des Arbeitsschutzes – unterordnen muss. Dabei ist stets eine Abwägung zwischen den Interessen des Arbeitgebers (nicht zuletzt auch aus Art. 12 GG) und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht sowie dem Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit des Arbeitnehmers vorzunehmen.
Das BAG differenziert beim allgemeinen Persönlichkeitsrecht zwischen drei verschiedenen Schutzsphären, nämlich der als unantastbar geltenden Intimsphäre als den Kernbereich privater Lebensführung, der nachgelagerten Privat- oder Geheimsphäre (bei dieser sind Eingriffe zwar nicht ausgeschlossen, unterliegen aber strengen Vorgaben der Güter- und Interessenabwägung), und der Sozial- oder Öffentlichkeitssphäre. Diese umschreibt einen das Persönlichkeitsrecht zwar tangierenden Bereich, der aber ohnehin von der Öffentlichkeit nicht abgeschirmt werden kann. Da Maßnahmen in diesem Bereich regelmäßig eine geringere Belastungstendenz aufweisen, reduzieren sich die verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsanforderungen entsprechend.
Wichtig für Sie als Betriebsrat: Die Einführung einer Kleiderordnung ist nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig. Hier können die Betriebsparteien eine Betriebsvereinbarung abschließen. Bei gesetzlich vorgeschriebener Arbeitsschutzkleidung darf der Betriebsrat in der Regel nicht mitbestimmen, weil es hier auch arbeitgeberseitig keinen Spielraum gibt. (lg)