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Bei der Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird, hat der Betriebsrat mitzubestimmen. Doch gehört hierzu auch die Frage, an wie vielen Arbeitstagen mobil gearbeitet werden kann? Hierüber hatte kürzlich das LAG Berlin-Brandenburg zu entscheiden.
LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30.01.2024, 8 TaBV 748/23
Der Betriebsrat macht im Beschlussverfahren einen Unterlassungsanspruch geltend. Der Arbeitgeberin soll aufgegeben werden, es zu unterlassen, bestimmte einschränkende Anordnungen bezüglich der Genehmigung von mobiler Arbeit im Betrieb zu treffen, solange der Betriebsrat nicht zugestimmt oder die Einigungsstelle die Zustimmung ersetzt hat.
Im Betrieb besteht eine Betriebsvereinbarung Mobiles Arbeiten. Dort heißt es auszugsweise:
„Präambel: Mobiles Arbeiten verbessert die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben, somit die Work-Life-Balance und eine erhöhte Verfügbarkeit zugunsten des Arbeitgebers. Sie ermöglicht den Arbeitnehmern dadurch beispielsweise die Betreuung von Kindern, die Pflege von Angehörigen oder auch mehr Freizeit durch die Ersparnis von Fahrzeiten. (…) Neben der Unterstützung von schwerbehinderten Arbeitnehmern soll durch das Angebot vom mobilen Arbeiten die Produktivität und Selbstverantwortung gefördert, sowie eine bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben ermöglicht werden, (…)
§ 2 Definition
Mobiles Arbeiten im Sinne dieser BV umfasst die Arbeit, die an einem anderen Ort als dem betrieblichen Arbeitsplatz und damit örtlich flexibel verrichtet wird.
Die Teilnahme an mobilen Arbeiten ist grundsätzlich freiwillig. (…)
§ 3 Grundsätze und Teilnahmevoraussetzungen
Das Arbeitsverhältnis der Arbeitnehmer bleibt beim mobilen Arbeiten in seiner bestehenden Form unberührt; lediglich Ort und Zeit der Arbeitsleistung wird geteilt. Im Rahmen dieser Vereinbarung geht es um eine zeitlich begrenzte und möglichst unbürokratische Lösung zur Ermöglichung von mobilen Arbeiten zum Schutz der Beschäftigten und Aufrechterhalten der Betriebsabläufe, sofern die Gegebenheiten dies zulassen.
Mobiles Arbeiten findet grundsätzlich nur in gegenseitigem Einvernehmen statt.
Der Antrag auf mobiles Arbeiten wird formlos per Mail beim Abteilungsleiter gestellt.
Grundsätzlich wird allen Arbeitnehmern mobiles Arbeiten ermöglicht, wenn die Tätigkeit für mobiles Arbeiten als geeignet anzusehen ist und die technische Ausstattung zur Verfügung steht. (…)
Der als HR-Manager beschäftigte Herr W. schrieb die Führungskräfte der Arbeitgeberin zum Betreff „Mobiles Arbeiten / Freigabe ab Februar 2023“ wie folgt an:
„Ab dem ersten Februar ist bitte folgende Anpassung zu unserer BV „Mobiles Arbeiten" umzusetzen:
- Es bedarf für Mobile Arbeitstage der finalen Zustimmung der Geschäftsleitung (…)
- Es ist ein Arbeitstag pro Woche nach Antrag freizugeben. Ein weiterer Tag benötigt die gesonderte Begründung.
- Primär ist die Anwesenheit im Werk zu gewährleisten."
Nachdem eine weitere E-Mail des Herrn W. dazu folgte, forderte der Vorsitzende des Betriebsrats den Geschäftsführer der Arbeitgeberin schriftlich auf, „die Anweisung zur Anpassung der BV mobiles Arbeiten bis spätestens 31.01.2023 (…) zurückzuziehen“.
Letztendlich machte der Betriebsrat den Unterlassungsanspruch gerichtlich geltend. Er hat unter anderem die Auffassung vertreten, die Anordnungen der Arbeitgeberin formulierten einseitig von der Betriebsvereinbarung abweichende Tatbestandsvoraussetzungen und verkehrten den grundsätzlichen Anspruch der Arbeitnehmer auf Gewährung mobiler Arbeit ins Gegenteil.
Dagegen wehrt sich die Arbeitgeberin. Sie trug insbesondere vor, aus der Betriebsvereinbarung folge kein Anspruch auf die Gewährung mobiler Arbeit. Die Teilnahme an mobiler Arbeit sei für beide Arbeitsvertragsparteien freiwillig und erfolge nur in gegenseitigem Einvernehmen. Es fehle auch an einer mitbestimmungspflichtigen Maßnahme, da die Gewährung von mobiler Arbeit durch sie ohnehin freiwillig erfolge.
Das Arbeitsgericht folgte weitestgehend der Auffassung des Betriebsrats. Gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts hat die Arbeitgeberin Beschwerde eingelegt.
Die Beschwerde ist nicht begründet. Zu Recht hätte das Arbeitsgericht einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 14 und § 77 Abs. 1 Betriebsverfassungsrecht (BetrVG) bejaht, so das Gericht.
Der Anspruch folge zum einen aus § 77 Abs. 1 S. 1 BetrVG in Verbindung mit der Betriebsvereinbarung Mobiles Arbeiten. Die Arbeitgeberin handele betriebsvereinbarungswidrig, wenn sie einseitig anordne, dass Anträgen auf mobile Arbeit ab dem zweiten Tag pro Woche nur mit besonderer Begründung stattgegeben werden könne und dass primär die Anwesenheit im Werk zu gewährleisten sei. Dies ergäbe die Auslegung der Betriebsvereinbarung Mobiles Arbeiten.
Zu Recht hätte das Arbeitsgericht angenommen, dass sich die Voraussetzung eines Begründungszwangs ab dem zweiten Tag pro Woche und die Einschränkung dergestalt, dass primär eine Anwesenheit im Werk zu gewährleisten sei, nicht aus der Betriebsvereinbarung ergeben. Einzige Voraussetzungen für die Gewährung mobiler Arbeit sind danach die Geeignetheit der Tätigkeit und das Vorhandensein der technischen Ausstattung. Es handle sich nicht um Mindestvoraussetzungen, sondern um abschließende Voraussetzungen. Jedenfalls aber könnten gerade die von der Arbeitgeberin statuierten zusätzlichen Voraussetzungen und Beschränkungen nicht ergänzend in die Betriebsvereinbarung hineingelesen werden.
Nichts anderes folge aus der Formulierung „sofern die Gegebenheiten dies zulassen“ in § 3 Abs. 1 der Betriebsvereinbarung. „Gegebenheiten“ in diesem Sinne seien, dass die Tätigkeit geeignet ist und dass die technische Ausstattung zur Verfügung steht.
Die „Aufrechterhaltung der Betriebsabläufe“ sei nach § 3 Abs. 1 der Betriebsvereinbarung nicht Grenze, sondern (ein) Ziel der Ermöglichung von Mobiler Arbeit (insoweit in erkennbarer Reaktion auf die zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung bestehende pandemische Lage).
Richtig wäre auch, dass sich die Formulierung „Die Teilnahme an mobilen Arbeiten ist grundsätzlich freiwillig“ in § 2 der Betriebsvereinbarung nur auf die Arbeitnehmerseite beziehe. Das folge schon aus der Definition von mobiler Arbeit ebenda. Eine gesetzliche oder sonst allgemeingültige Definition mobiler Arbeit gibt es nicht. In der Betriebsvereinbarung sei mobile Arbeit in § 2 aus der Arbeitnehmerperspektive definiert.
Speziell die Anordnung, wonach Anträge auf mobile Arbeit ab dem zweiten Tag pro Woche einer gesonderten Begründung bedürfen, vertrage sich nicht mit den in der Präambel der Betriebsvereinbarung zum Ausdruck gebrachten Regelungszielen. Aus der Präambel folge, dass die Gründe, die Arbeitnehmer dazu bewegen können, von der Möglichkeit mobilen Arbeitens Gebrauch zu machen, nach der Vorstellung der Betriebsparteien vielfältig sind. All diese – nicht einmal abschließend genannten („beispielsweise“) – Motive seien nach der Betriebsvereinbarung als legitim anzuerkennen. Hiermit wäre eine auf jeden Einzelfall (ab dem zweiten Tag) bezogene Prüfung und Bewertung der konkreten Gründe durch die Arbeitgeberin nicht zu vereinbaren.
Im Ergebnis enthalte die Betriebsvereinbarung keine Grundlage dafür, dass die Arbeitgeberin ergänzend die von ihr einseitig angeordneten Regelungen treffen dürfe. Andernfalls hätte es eines Anhaltspunktes dafür gebraucht, dass die Betriebsparteien ihre Betriebsvereinbarung als ausfüllungsbedürftig angesehen hätten; daran fehle es jedoch.
Der Unterlassungsanspruch des Betriebsrats ergebe sich auch aus § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG, denn die Anordnungen der Arbeitgeberin verletzten das diesbezügliche Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.
Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, über die Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird, mitzubestimmen. Das Mitbestimmungsrecht erstreckt sich lediglich auf die (inhaltliche) Ausgestaltung, also auf Fragen des „Wie“, nicht hingegen auf das „Ob“ der Einführung mobiler Arbeit.
Unter den Begriff der Ausgestaltung und damit unter das Mitbestimmungsrecht fielen insbesondere Regelungen zu konkreten Anwesenheitspflichten in der Betriebsstätte beziehungsweise zum zeitlichen Umfang der mobilen Arbeit.
Der Betriebsrat hätte im Rahmen der Ausgestaltung mobiler Arbeit nach § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG darüber mitzubestimmen, welchen Anteil die mobile Arbeit an der betriebsüblichen Arbeitszeit im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG hat. Hierunter fiele auch die Mitbestimmung bei der Frage, an wie vielen Arbeitstagen das mobile Arbeiten erfolge, welchen Anteil mithin mobiles Arbeiten an der betriebsüblichen Arbeitszeit haben könne.
In dieses Mitbestimmungsrecht greife die Arbeitgeberin ein, wenn sie durch die Vorgabe, mehr als ein Tag mobiler Arbeit in der Woche sei nur auf gesonderte Begründung zu gewähren und primär sei die Anwesenheit im Werk zu gewährleisten, einseitig Regelungen zum zeitlichen Umfang mobiler Arbeit und zu Anwesenheitspflichten in der Betriebsstätte trifft. Die Anordnungen zielen auf eine einseitige Umgestaltung der Rechtslage hinsichtlich des „Wie“ der mobilen Arbeit ab.
Der Mitbestimmungstatbestand zur Ausgestaltung von mobiler Arbeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG) wurde erst im Jahre 2021 durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz in Betriebsverfassungsgesetz aufgenommen. Es ist daher kaum verwunderlich, dass derzeit in Literatur und Rechtsprechung noch umstritten ist, welche konkreten Aspekte zur mitbestimmungspflichtigen inhaltlichen Ausgestaltung von mobiler Arbeit gehören.
Bereits in der Gesetzesbegründung heißt es: „… Dazu gehören zum Beispiel Regelungen über den zeitlichen Umfang mobiler Arbeit, über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit in Bezug auf Mobile Arbeit oder über den Ort, von welchem aus mobil gearbeitet werden kann und darf. Es können Regelungen zu konkreten Anwesenheitspflicht in der Betriebsstätte des Arbeitgebers, zur Erreichbarkeit, zum Umgang mit Arbeitsmitteln der mobilen Arbeit und über einzuhaltende Sicherheitsaspekte getroffen werden.“
Die Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg ist daher nicht nur erfreulich, sondern aus meiner Sicht auch konsequent. Die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen, Die Entscheidung ist damit rechtskräftig. Eine höchstrichterliche Rechtsprechung steht weiterhin aus. (sf)