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Unabhängig davon, ob es sich um einen schlechten Scherz unter Kollegen oder eine beabsichtigte Beleidigung handelt, das Entblößen von Genitalien auf der Arbeit stellt an sich einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar. Unabhängig von der inneren Haltung des Arbeitnehmers liegt hierin eine sexuelle Belästigung der Kollegen. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände kann eine außerordentliche fristlose Kündigung dennoch unwirksam sein.
Arbeitsgericht Weiden, Entscheidung vom 13.03.2023, 3 Ca 556/22
Der Kläger, der seit 2018 bei der Beklagten als Maurer tätig ist, wehrt sich im Rahmen einer Kündigungsschutzklage gegen seine außerordentliche fristlose Kündigung. Die darin erhaltene Begründung, er habe am 09.08.2022 in der geöffneten Fahrzeugtür eines Kollegen seine Hose geöffnet, um im Auto seine Notdurft zu verrichten, was er jedoch abgebrochen habe, da er von Kollegen beobachtet worden sei, treffe nicht zu. Seinem Vortrag nach habe er nur scherzhaft so getan, als würde er sich die Hose öffnen und ins Auto pinkeln. Er habe weder vorgehabt, seine Hose zu öffnen, noch tatsächlich in das Auto zu pinkeln. Nach Ansicht der Beklagten habe der Kläger jedenfalls seine Genitalien im Wageninnenraum gerieben, sodass sich ein Kollege genötigt sah, das Auto im Nachhinein zu desinfizieren.
Vor Gericht hatte der Kläger teilweise Erfolg. Die fristlose außerordentliche Kündigung wurde zwar für unwirksam erklärt, allerdings wurde diese in eine fristwahrende ordentliche Kündigung umgedeutet.
Das Gericht kam zu dem Schluss, dass in dem Verhalten des Klägers zwar ein an sich geeigneter wichtiger Grund vorlag, allerdings sei eine außerordentliche fristlose Kündigung unter Rücksichtnahme aller Umstände des Streitfalls und nach gegenseitiger Interessenabwägung nicht gerechtfertigt.
Nach Befragung der Zeugen stellte sich der Sachverhalt für das Gericht wie folgt dar: Der Kläger hat seine Genitalien in den Innenraum des Fahrzeugs gerieben und durch Geräusche so getan, als würde er seine Notdurft verrichten.
Dieses Verhalten sei, so das Gericht, „grob respektlos und beleidigend“ gegenüber anwesenden Kollegen, sowie des Kollegen, der das Auto an dem Tag fahren musste. Außerdem stelle sein Verhalten eine sexuelle Belästigung der Kollegen nach § 3 Abs. 4 AGG dar. Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung besteht darin, selbst darüber zu entscheiden, ob man in ein sexualbezogenes Geschehen involviert werden will oder nicht. Dabei komme es gerade nicht darauf an, wie der Kläger das Verhalten selbst einschätzt oder ob er vorsätzlich handelt.
Der Kläger zeigte ein sexuell bestimmtes Verhalten am Arbeitsplatz, das aus objektiver Sicht auch von den Kollegen unerwünscht ist und die Würde der betroffenen Personen verletzte.
Des Weiteren hat der Kläger seine Rücksichtnahmepflicht bezüglich der Interessen der beklagten Arbeitgeberin gem. § 241 Abs. 2 BGB erheblich verletzt. Diese habe ein schützenswertes Interesse an einem respektvollen Umgang ihrer Arbeitnehmer untereinander; und außerdem, dass Dienstfahrzeuge nicht verunreinigt werden.
Gegen eine außerordentliche Kündigung spreche jedoch, dass eine ordentliche Kündigung als milderes Mittel für die Arbeitgeberin zumutbar gewesen ist. Die hiernach unwirksame Kündigung wurde nach § 140 BGB in eine ordentliche fristgerechte Kündigung umgedeutet.
Auch wenn das Verhalten des Arbeitnehmers eine erhebliche Vertragsverletzung darstellt, so spricht für ihn, dass er nicht heimlich seine Notdurft im Auto verrichtet hat, sondern sein Verhalten sich als „schlechter Scherz zu Lasten anderer“ herausstellte. Außerdem wurde der Umstand eines raueren Umgangstons in der Baubranche sowie das bisher unbeanstandete Verhalten des Klägers mitberücksichtigt. Darüber hinaus ist nicht davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer ein ähnliches Verhalten während des Ablaufs der Kündigungsfrist zeigen würde.
Ob Gaudi oder nicht, bei einer sexuellen Belästigung kommt es nicht darauf an, wie das Verhalten von der handelnden Person selbst empfunden oder verstanden wird. Ein Verstoß gegen die sexuelle Selbstbestimmung stellt einen Verstoß gegen die Würde der betroffenen Person dar. Arbeitgeber haben die Pflicht, Arbeitnehmer vor sexuellen Belästigungen zu schützen und mit angemessenen Maßnahmen zu reagieren. (nw)