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Hinter dem Wunsch, die Arbeitszeit zu reduzieren, können sich viele Gründe verbergen. Oft reichen schon ein paar Stunden mehr Zeit in der Woche, im Monat oder auch nur im Jahr, um diesen Gründen gerecht zu werden. Doch kann gerade der Wunsch nach einer unwesentlichen Verringerung der Arbeitszeit und einer konkreten Verteilung ein Indiz dafür sein, dass der Antrag auf Teilzeit rechtsmissbräuchlich gestellt wird? Darüber hatte das LAG Hessen zu entscheiden.
LAG Hessen, Urteil vom 2.3.2023, 11 Sa 1342/22
Ein Flugzeugführer streitet mit seiner Arbeitgeberin, einer Fluggesellschaft, um die Zustimmung zur Reduzierung und Neuverteilung seiner Arbeitszeit.
Der Arbeitnehmer verlangt eine Reduzierung der jährlichen Arbeitszeit um weitere 6,58 % auf 87,67 % der geschuldeten Vollarbeitszeit durch Freistellung der letzten vier Tage im Kalendermonat März, der ersten vier Tage im Kalendermonat April, der letzten vier Tage im Kalendermonat Mai, der ersten vier Tage im Kalendermonat Juni, der letzten vier Tage im Kalendermonat August und der vier Tage im Kalendermonat September eines jeden Jahres, beginnend ab dem 1. Dezember 2021.
Die Arbeitgeberin hält das Teilzeitbegehren für rechtsmissbräuchlich. Der auf die Monatsübergänge (Ende/Anfang) und die Sperrzeiträume in den hessischen Schulsommerferien bezogener Vergabewunsch verfolge überwiegend Urlaubsansprüche, die er ansonsten nicht gesichert erhalten würde. Dies betreffe insbesondere die zusammenhängenden Zeiträume in den Sommermonaten der letzten vier Tage im August und September.
Das zuständige Arbeitsgericht sah den geltend gemachten Anspruch des Arbeitnehmers auf Teilzeit als gerechtfertigt an. Insbesondere stelle das Teilzeitverlangen keine unzulässige Rechtsausübung i.S.d. § 242 BGB dar. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Arbeitgeberin mit der von ihr eingelegten Berufung.
Das Teilzeitbegehren des Arbeitnehmers ist weder rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB), noch stehen ihm betriebliche Gründe im Sinne von § 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG entgegen, so das LAG Hessen.
Die Geltendmachung eines Rechtsanspruchs auf Verringerung und Neuverteilung der Arbeitszeit nach § 8 Abs. 1 TzBfG könne rechtsmissbräuchlich sein, wenn ihr kein schutzwürdiges Eigeninteresse zugrunde liegt und sie nur als Vorwand zur Erreichung vertragsfremder Zwecke dient.
Welche Interessen insoweit als schutzwürdig anzusehen sind, hänge vom Zweck der jeweiligen gesetzlichen Regelung ab. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Verringerung und Neuverteilung der Arbeitszeit nach § 8 TzBfG diene der Schaffung von Arbeitsplätzen und der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie. § 8 TzBfG enthalte keine Vorgaben hinsichtlich des Umfangs der Vertragsänderung und knüpfe den Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit nicht an ein Mindestmaß der Arbeitszeitreduzierung. Das Gesetz fordere dabei weder für die Verringerung noch für die gewünschte Neuverteilung der Arbeitszeit einen besonderen Grund. Dies bewirke, dass ein Arbeitnehmer grundsätzlich auch Anspruch auf eine verhältnismäßig geringfügige Verringerung seiner Arbeitszeit haben kann. Verlange ein Arbeitnehmer, dass seine Arbeitszeit nur geringfügig reduziert werde, indiziere dies nicht per se einen Rechtsmissbrauch. Anderenfalls würde das Ziel des Gesetzgebers unterlaufen, der die Ansprüche aus § 8 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 TzBfG nicht an ein bestimmtes Restarbeitszeitvolumen gebunden hätte.
Entscheidend für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs seien die Umstände des Einzelfalls, wobei der Arbeitgeber hier darlegungs- und beweispflichtig sei. Lägen im Einzelfall besondere Umstände vor, die darauf schließen ließen, der Arbeitnehmer wolle die ihm gemäß § 8 TzBfG zustehenden Rechte zweckwidrig dazu nutzen, unter Inkaufnahme einer unwesentlichen Verringerung der Arbeitszeit und Arbeitsvergütung eine bestimmte Verteilung der Arbeitszeit zu erreichen, auf die er ohne die Arbeitszeitreduzierung keinen Anspruch hätte, könne dies die Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Verringerungsverlangens rechtfertigen.
Dieser Rückschluss sei vorliegend nicht zu ziehen.
Bei der begehrten Arbeitszeitreduzierung im Umfang weiterer 24 Freistellungstage pro Jahr (bzw. 6,58% der geschuldeten Vollarbeitszeit) handle es sich nicht um eine solchermaßen unwesentliche Verringerung der Arbeitszeit und Arbeitsvergütung, dass sie darauf schließen ließe, der Arbeitnehmer wolle sie zweckwidrig nutzen, um eine bestimmte Verteilung der Arbeitszeit zu erreichen, auf die er ansonsten keinen Anspruch hätte.
Auch soweit sich der Verteilungswunsch auf freie Tage in Monatsübergängen sowie auf Zeiträume in den hessischen Sommerferien beziehe, in welchem die Personalsituation aufgrund einer erhöhten Anzahl von Urlaubsanträgen angespannt sein soll, rechtfertige dies allein nicht die Annahme einer unzulässigen Rechtsausübung. Dies gelte selbst dann, wenn das Teilzeitverlangen des Arbeitnehmers darauf abziele, in diesen Zeiträumen Freizeit zu erhalten, ohne das Risiko tragen zu müssen, dass Urlaubsanträge wegen kollidierender Urlaubswünsche anderer Beschäftigter abgelehnt werden. Denn eine solche Vorgehensweise müsse nicht der zweckwidrigen Verfolgung nicht schützenswerter Eigeninteressen dienen, sondern kann auch vom Wunsch getragen sein, seinen familiären Aufgaben unter Verzicht auf einen der Arbeitszeitreduzierung entsprechenden Vergütungsanteil gerecht zu werden. Letzteres entspräche gerade dem Gesetzeszweck des § 8 TzBfG, der auf eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie gerichtet sei. Nach Konzeption des Gesetzes sei dem Wunsch nach Reduzierung der Arbeitszeit zudem keine gegenläufigen Interessen anderer Arbeitnehmer entgegenzuhalten.
Weitere Umstände hätte die Beklagte nicht vorgetragen. Die von ihr bemühte gerechte Urlaubsverteilung und die hierzu dargestellten Hintergründe seien in diesem Zusammenhang des Rechtsmissbrauchsvorwurfs aus den vorgenannten Gründen irrelevant. Sie könne sich auch nicht darauf berufen, der Arbeitnehmer habe keine Gründe für die gewünschten Freistellungszeiträume genannt. Denn der Arbeitnehmer ist grundsätzlich nicht gehalten, seine Beweggründe für die gewünschte Arbeitszeitverteilung anzugeben. Etwas anderes gelte allenfalls dann, wenn die Arbeitgeberin hinreichende Anhaltspunkte für ein möglicherweise rechtsmissbräuchliches Teilzeitverlangen aufgezeigt hätte.
Dem Teilzeitbegehren des Arbeitnehmers standen aus Sicht des Gerichts auch keine betrieblichen Gründe entgegen. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Nicht jedes Begehren auf geringfügige Reduzierung der Arbeitszeit verbunden mit einer spezifischen Verteilung der Arbeitszeit wird von unseren Arbeitsgerichten durchgewunken. Das zeigt ein Fall, der vom Landesarbeitsgericht Nürnberg entschieden wurde (Urt. v. 27.8.2019 – 6 Sa 110/19). Das Gericht hielt einen Antrag auf Reduzierung der Arbeitszeit um 1/12 mit dem Ziel der dauerhaften Freistellung im Ferienmonat August für rechtsmissbräuchlich, weil dieser Monat im Betrieb regelmäßig zu den arbeitsintensivsten Monaten zählte und Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer dadurch von vorneherein deutlich eingeschränkt würden. Im Betrieb gab es eine mit dem Betriebsrat abgestimmte „Verfahrensanweisung Urlaubsantrag 2018“. Hiernach galt einheitlich eine maximale Obergrenze für eine Urlaubsgewährung in den Sommerferien von 15 Urlaubstagen. Das Teilzeitbegehren des Arbeitnehmers bezwecke, die betriebliche Verfahrensanordnung zu unterlaufen und ihm entgegen der gesetzlichen Regelung des § 7 BUrlG gerade für den August in den folgenden Jahren die Urlaubsnahme zu sichern – zum Nachteil der Kollegen. So lautete die Argumentation des Gerichts. (sf)