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Lexikon
Betriebliche Übung

Betriebliche Übung

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Redaktion
Stand:  3.3.2025
Lesezeit:  03:00 min

Kurz erklärt

Eine betriebliche Übung erwächst aus einem bestimmten Verhalten des Arbeitgebers gegenüber seinen Mitarbeitern. Ohne dass es der Verwendung von Worten bedarf, dürfen die Arbeitnehmer dabei aus dem bloßen Verhalten des Arbeitgebers auf das Gewollte schließen. Die regelmäßige Wiederholung dieses Verhaltens erlaubt den Schluss der Arbeitnehmer, ihnen solle eine Leistung oder sonstiger Vorteil auf Dauer gewährt werden. 

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Begriff

Die regelmäßige Wiederholung (mindestens drei Mal) bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Umgangssprachlich wird eine betriebliche Übung auch als „Gewohnheitsrecht“ bezeichnet.

Erläuterung

Entstehung der Ansprüche

Eine Übung besteht immer aus der Wiederholung desselben Vorgangs. Aus der Wiederholung darf geschlossen werden, der Arbeitgeber werde auch beim künftigen Auftreten desselben Anlasses sein bisheriges Verhalten wiederholen, z. B. den Arbeitnehmern bei Urlaubsantritt wiederum ein Urlaubsgeld gewähren. 

Die Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers wie z.B. der Zahlung von Urlaubsgeld, darf von den Arbeitnehmern als diesen zur dauerhaften Leistung verpflichtendes Vertragsangebot ausgelegt werden. Der Arbeitgeber muss davon ausgehen, die Arbeitnehmer würden sein Verhalten einem mit Worten erklärten Angebot gleichsetzen. Angesichts dessen für die Arbeitnehmer vorteilhaften Inhaltes erwartet der Arbeitgeber keine in Worte gefasste Annahmeerklärung. Er darf das Einverständnis in der widerspruchslosen Entgegennahme (Verhalten) der Arbeitnehmer sehen. Die Annahme muss ihm von den Arbeitnehmern nicht ausdrücklich erklärt werden. Es bedarf auch insoweit keiner Worte. Aus diesem Geschehensablauf entstehen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen oder Vergünstigungen (§ 151 BGB). 
Eine betriebliche Übung kennzeichnet also den Weg einer Vertragsergänzung in einen bestehenden Arbeitsvertrag.

Wie bei jedem Vertrag, kann es auch bei dem so ergänzten Vertrag zu Meinungsunterschieden hinsichtlich des Inhaltes der Ergänzung kommen. Der Arbeitgeber kann z.B. glauben, dass die Zahlung von Weihnachtsgeld in unterschiedlicher Höhe die Freiwilligkeit der Leistung verdeutlicht habe.
Der so Vertragsinhalt gewordene Bestandteil ist dann nach den allgemeinen geltenden Grundsätzen der Vertragsauslegung festzustellen.
Die in den Vertrag gelangten Klauseln sind als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu bewerten. Diese Klauseln sind gemäß § 307 BGB unwirksam, wenn sie nicht klar und verständlich formuliert sind.  

Die Prüfung am Maßstab des § 307 BGB gelangt zur Feststellung der Unwirksamkeit eines von Arbeitgeber möglicherweise beabsichtigten Freiwilligkeitsvorbehaltes.
Denn aus dem Verhalten des Arbeitgebers wurde nicht deutlich, dass der Arbeitgeber sich nicht auf Dauer binden wollte. Viel näher liegt die Auslegung dahin, dass der Vorbehalt nur die Höhe der Leistung betraf. Nur deren variable Bestimmung wollte sich der Arbeitgeber vorbehalten (so BAG v. 25.1.2023 - 10 AZR 109/22 in NZA 2023,629 Rn. 18). 

Die entstandenen Ansprüche werden zum (ungeschriebenen) Inhalt der Arbeitsverträge. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist nicht der Verpflichtungswille, sondern wie die Arbeitnehmer das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) unter Berücksichtigung aller Begleitumstände verstehen mussten und durften. 

Inhalt einer betrieblichen Übung kann jeder Gegenstand sein, der arbeitsvertraglich mit Worten geregelt werden kann und weder kollektiv- noch individualrechtlich geregelt ist. 
Der Arbeitgeber kann z.B. aufgrund einer Betriebsvereinbarung eine allgemeine Zulage zum Tariflohn zahlen. Diese Betriebsvereinbarung kann sich wegen deren Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 BetrVG als unwirksam erweisen. Der Arbeitgeber ist dann nicht auf dem Umweg über eine betriebliche Übung zu deren künftiger Zahlung verpflichtet. Er wollte mit der Zahlung der Zulage nur umsetzen, wozu er sich irrtümlich für verpflichtet hielt. Eine zusätzliche Verpflichtung wollte er mit seinem Verhalten nicht begründen. Aus diesem Verhalten kann keine betriebliche Übung entstehen, wenn sich die Betriebsvereinbarung als unwirksam erweist (BAG v. 9.11.2021 - 1 AZR 206/20 in NZA 2022,286 Rn. 30).

Ausschluss des Rechtsanspruchs

Will der Arbeitgeber den Arbeitnehmern eine freiwillige Leistung (z. B. Weihnachtsgratifikation, Zuschuss zum Job-Ticket) gewähren, dabei aber eine betriebliche Übung und somit einen Rechtsanspruch ausschließen, muss er sich die Freiwilligkeit der Leistung deutlich vorbehalten. Der Freiwilligkeitsvorbehalt räumt dem Arbeitgeber die Freiheit ein, über das Ob und Wie der Leistung von Fall zu Fall neu zu entscheiden (BAG v. 30.7.2008 - 10 AZR 606/07).

Ebenso wie Formulararbeitsverträge unterliegen mündliche oder durch betriebliche Übung begründete Vertragsbedingungen, die der Arbeitgeber für eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen verwendet, jedoch den Bestimmungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Danach sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist (Transparenzgebot, § 307 Abs. 1 BGB). Der Hinweis allein, dass es sich hier um eine freiwillige Leistung handelt, schließt Rechtsansprüche der Arbeitnehmer nicht aus. Der Freiwilligkeitsvorbehalt muss dem Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) genügen und hinsichtlich der Voraussetzungen und des Umfangs der vorbehaltenen Änderungen so konkret formuliert sein, dass der Arbeitnehmer erkennen kann, was gegebenenfalls „auf ihn zukommt. Der Arbeitnehmer muss den Vertragsinhalt sachgerecht beurteilen und erkennen können, dass er keinen Rechtsanspruch auf künftige Leistungen hat (BAG v. 5.8.2009 - 10 AZR 483/08).

Aufhebung des Anspruchs

Kündigung

Der nach den Grundsätzen der betrieblichen Übung entstandene Rechtsanspruch ist kein vertraglicher Anspruch minderen Rechts. Der Arbeitgeber kann ihn daher im Vergleich zu einem durch ausdrückliche arbeitsvertragliche Abrede begründeten Anspruch des Arbeitnehmers nicht unter erleichterten Voraussetzungen zu Fall bringen. Er kann ihn ebenso wie einen im Arbeitsvertrag geregelten freiwilligen Leistungsanspruch nur durch Kündigung (Änderungskündigung) oder eine einvernehmliche Änderungsvereinbarung mit dem Arbeitnehmer beseitigen (BAG v. 5.8.2009 - 10 AZR 483/08).

Gegenläufige betriebliche Übung

Der Anspruch des Arbeitnehmers auf eine Leistung (z. B. Weihnachtsgeld) aus betrieblicher Übung wird entgegen früherer Rechtsprechung nicht durch eine gegenläufige betriebliche Übung aufgehoben. Hat ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer z. B. jahrelang vorbehaltlos Weihnachtsgeld gezahlt, wird der Anspruch des Arbeitnehmers auf Weihnachtsgeld aus betrieblicher Übung nicht dadurch aufgehoben, dass der Arbeitgeber später bei der Leistung des Weihnachtsgeldes erklärt, die Zahlung des Weihnachtsgeldes sei eine freiwillige Leistung und begründe keinen Rechtsanspruch, und der Arbeitnehmer der neuen Handhabung über einen Zeitraum von drei Jahren hinweg nicht widerspricht (BAG v. 18.3.2009 - 10 AZR 281/08).

Wirkung von Schweigen

Erfüllt der Arbeitgeber bestimmte Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nicht, gibt er damit nicht ohne Weiteres die rechtsgeschäftliche Erklärung ab, er wolle das Arbeitsverhältnis zu geänderten Bedingungen fortsetzen. Ein solches Verhalten müssen die Arbeitnehmer nicht als Vertragsangebot verstehen. Ihr Schweigen gegenüber einem Angebot auf Verschlechterung eines Vertrags ist grundsätzlich keine Annahme eines solchen Angebots (§ 151 BGB). Das gilt bei einer widerspruchslosen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer jedenfalls dann, wenn sich die angetragene Änderung nicht unmittelbar im Arbeitsverhältnis auswirkt (BAG v. 25.11.2009 - 10 AZR 779/08). Soll die Wirkung der Beendigung einer betrieblichen Übung an ein Schweigen (stillschweigende Entgegennahme) geknüpft werden, muss dies nicht nur von den Vertragsparteien vereinbart worden sein. Der Arbeitgeber muss sich darüber hinaus auch verpflichtet haben, den Arbeitnehmer bei Beginn der Frist auf die Bedeutung seines Schweigens besonders hinzuweisen (§ 308 Nr. 5 BGB). Ist dies nicht vereinbart, kann der Arbeitgeber die durch betriebliche Übung begründeten Ansprüche in der Regel nur durch eine Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer oder durch Änderungskündigung einseitig beseitigen oder verändern (BAG v. 18.3.2009 - 10 AZR 281/08).

Bezug zur Betriebsratsarbeit

Betriebsvereinbarung

Da eine betriebliche Übung individualrechtliche Ansprüche begründet, hat der Betriebsrat grundsätzlich keine Beteiligungsrechte bei der Entstehung, Änderung oder Aufhebung von Leistungen oder Vergünstigungen aus betrieblicher Übung. Die betriebliche Übung ist ebenso wie die arbeitsvertragliche Einheitsregelung und die Gesamtzusage ohne entsprechende Regelung nicht betriebsvereinbarungsoffen. Die Beendigung einer betrieblichen Übung durch eine Betriebsvereinbarung ist zulässig, wenn die daraus entstehenden Ansprüche der Arbeitnehmer bei kollektiver Betrachtung für die Belegschaft insgesamt nicht ungünstiger sind, wenn also nach dem kollektiven Günstigkeitsvergleich der Wegfall der betrieblichen Übung durch andere Leistungen ausgeglichen wird. Der kollektive Günstigkeitsvergleich erübrigt sich, wenn die vertragliche Regelung „betriebsvereinbarungsoffen” ist, weil sie einen ausdrücklichen oder stillschweigenden Vorbehalt der Ablösung durch eine spätere Betriebsvereinbarung enthält. Der kollektive Günstigkeitsvergleich kann ferner entbehrlich sein, wenn der Arbeitgeber ein ihm zustehendes Gestaltungsrecht ausübt oder eine Vertragsanpassung wegen der Störung der Geschäftsgrundlage zu erfolgen hat (BAG v. 19.2.2008 – 3 AZR 61/06).

Tarifvorrang

Im Übrigen haben Betriebsrat und Arbeitgeber zu beachten, dass, unabhängig von der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers, Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein können (Tarifvorrang). Auf Grund dieser Regelungssperre sind die Betriebsparteien regelmäßig gehindert, Betriebsvereinbarungen über Weihnachtsgeld und andere Sonderzahlungen abzuschließen, da diese üblicherweise durch Tarifvertrag geregelt sind. Ausnahmsweise entfällt der Tarifvorrang, wenn der Tarifvertrag eine entsprechende Öffnungsklausel enthält (§ 77 Abs. 3 BetrVG).

Rechtsquellen

§§ 151, 242, 307 Abs. 1 BGB, § 77 Abs. 3 BetrVG

Seminare zum Thema:
Betriebliche Übung
Krankheitsbedingte Fehlzeiten und Kündigung
Regelungen zu Mehrarbeit und Überstunden
Arbeitsrecht Teil III
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