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News Arbeitsplatz Vier-Tage-Woche: Weniger arbeiten für das gleiche Geld?

Vier-Tage-Woche: Weniger arbeiten für das gleiche Geld?

Diskussion um eine Reduzierung der Arbeitszeit

Vier Tage arbeiten, drei Tage frei: Der Gedanke an eine Reduzierung der Arbeitszeit stößt bei vielen Betriebsräten und Arbeitnehmern auf Zuspruch; von Arbeitgeberseite wird er meist kategorisch abgelehnt. Island hat das Modell einer verkürzten Arbeitswoche sogar schon getestet. Wo liegen die Vor-, wo die Nachteile einer Vier-Tage-Woche?

Stand:  28.7.2021
Lesezeit:  03:30 min
© AdobeStock_Fokussiert

Vor einigen Monaten geisterte ein Vorstoß der IG Metall zum Thema Vier-Tage-Woche durch die Medien. IG-Metall-Chef Jörg Hofmann sah eine Vier-Tage-Woche als Antwort auf die Krise und den Strukturwandel in Branchen wie der Autoindustrie. Prompt kam Gegenwind von der Arbeitgeberseite: „Wir werden die Krise nur überwinden, wenn wir mit mehr Arbeit Wohlstand und soziale Sicherheit ermöglichen“, meint der Geschäftsführer der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände, Steffen Kampeter.

Viel Stoff zum Nachdenken bieten jetzt aktuelle Meldungen aus Island.

Seitdem taucht das Thema immer wieder auf – und die Diskussion geht weiter. Viel Stoff zum Nachdenken bieten jetzt aktuelle Meldungen aus Island. Denn in dem Land, in dem traditionell recht viel gearbeitet wird, zeigen Studien: Eine verkürzte Arbeitswoche kann zu mehr Produktivität führen – und das bei einem höheren Wohlbefinden der Beschäftigten.

Neue Erkenntnisse aus Island

Schon 2015 startet in Island der erste Versuch zu Reduzierung der Arbeitszeit mit rund 2.500 Beschäftigten. 2017 folgte eine zweite Studie mit etwa 400 Teilnehmern. Die Bandbreite an Berufen und Branchen war dabei bunt gemischt; die Arbeitszeit reduzierten alle von 40 auf 35 oder 36 Stunden. Das Gehalt blieb gleich.

Ein "überwältigender Erfolg"

Die Ergebnisse wurden nun von der isländischen Non-Profit-Organisation Alda (Association for Democracy and Sustainability) gemeinsam mit dem britischen Thinkthank Autonomy ausgewertet. Will Stronge, Forschungsdirektor bei Autonomy, bezeichnete die verkürzte Arbeitszeit als einen „überwältigenden Erfolg“. Wenig überraschend wirkte sich die zusätzliche Freizeit positiv auf die Arbeitnehmer aus: Sie litten weniger unter Burnout und Stress und fühlten sich grundsätzlich glücklicher. Gleichzeitig blieben aber die Produktivität und die erbrachte Leistung in den meisten Fällen gleich oder verbesserten sich sogar! Erreicht wurde dies beispielsweise durch eine Anpassung der Abläufe oder eine Reduzierung der Meetings.

Eine Debatte zur richtigen Zeit

Ob die Ergebnisse wissenschaftlich valide sind und sich ohne weiteres auf Deutschland übertragen lassen würden, sei mal dahingestellt. Aber die Idee dahinter könnte eine Grundlage für eine längst überfällige, ernsthafte Diskussion in Deutschland sein: Arbeitszeit ist ungleich Produktivität! Der Zeitpunkt dafür ist gut, denn für viele Arbeitnehmer waren die letzten Monate äußerst anstrengend: Belastungen auf der Arbeit, Zusatzaufgaben im Betriebsrat, Home-Schooling, Kurzarbeit — all das hat den meisten viel abverlangt.

Mehr Freizeit statt Lohnerhöhung?

Bereits im Herbst 2019 ergab eine Erhebung der Gewerkschaft Verdi, dass 57 % der Beschäftigten mehr Freizeit einem Mehr an Geld vorziehen würden. Ähnliche Ergebnisse zeigten Befragungen bei Mitarbeitern der Deutschen Bahn und in der Metallindustrie.

Allein die Digitalisierung spricht weder für – noch gegen eine flächendeckende Reduzierung der Arbeitszeit.

Vier-Tage-Woche und Digitalisierung

Die Partei Die Linke forderte in einem Positionspapier zur Digitalisierung unter anderem eine 30-Stunden-Woche als „neue Vollzeitnorm“ für alle Beschäftigten. Ist das ein Ansatz? Arbeit wird wegen der Digitalisierung ja eh weniger, meinen manche. Da käme eine Vier-Tage-Woche doch gerade richtig, oder? Nein, meinen Experten. Tatsächlich führt die Digitalisierung auf lange Sicht eher zu anderer Arbeit – nicht zu weniger Arbeit.

Allein die Digitalisierung spricht also weder für – noch gegen eine flächendeckende Reduzierung der Arbeitszeit. Aber auch hier käme dem Argument einer verbesserten Produktivität natürlich ein hohes Gewicht zu.  

Vier-Tage-Woche wegen der Corona-Krise?

Steffen Kampeter macht gegenüber der „Zeit“ deutlich: Man brauche mehr Arbeit und nicht weniger, um die Krise zu überwinden. Präsident Michael Hüter des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) warnt im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk sogar vor eine Verlängerung der Krise durch einen solchen Schritt. Steigende Arbeitskosten bei einem Lohnausgleich könnten ein Risiko für Arbeitsplätze bedeuten. Nur eine flexible Handhabung für Branchen und durch einzelne Betriebe erachtet er als machbar.

Manche Betriebsräte sehen im Personalnotstand gerade ein Argument für eine Vier-Tage-Woche.

Das sagen Betriebsräte dazu

Einige Berufe stehen schon jetzt massiv unter Druck, Fach- und Arbeitskräftemangel führt zu Überstunden. Beispiel Krankenschwestern, Pflegepersonal – wie soll dieser der Personalnotstand aufgefangen werden bei einer generellen Vier-Tage-Woche? Manche Betriebsräte sehen in dem Personalnotstand gerade ein Argument für eine Vier-Tage-Woche. Es gelte – gerade bei Personalnotstand! – die Beschäftigten zu schützen, so dass sie gesund bleiben. Das ist am Ende gut für alle.

In anderen Branchen steht dem ein Risiko gegenüber: Eine vier-Tage-Woche könnte Fachkräfte und benötigtes Know-how weiter verknappen. Also ein zweischneidiges Schwert?

Individualität statt Vorschrift

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, hat sich jüngst für mehr Möglichkeiten ausgesprochen, Arbeitszeiten individuell zu gestalten. Die Vier-Tage-Woche gesetzlich vorzuschreiben, hält er für falsch. Im Kern ist dieser Gedanke nicht schlecht. Denn eigentlich geht es bei der Diskussion nicht um einen freien Tag, also z.B. ein verlängertes Wochenende, sondern auch um die Möglichkeit, z.B. an fünf Tagen jeweils etwas kürzer zu arbeiten. Diskussion sollte sich also um verkürzte Arbeitszeiten bei gleichem Geld drehen.

Und gute Argumente dafür gibt es reichlich. Bessere Gesundheit, gleichbleibende oder sogar bessere Produktivität und zufriedene Mitarbeiter – die Studien aus Island zeigen, dass wir beim Thema individuelle Arbeitszeit einiges an Nachholbedarf haben. Im Zweifel sollten alle Skeptiker der Arbeitgeberseite vielleicht einmal den Schritt für einen eigenen Versuch wagen?

Ein Beispiel aus der Praxis

EJOT ist ein Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie in Ostdeutschland, das diesen Schritt geht. Für die rund 560 Mitarbeiter im Landkreis Gotha gilt seit dem 1. Januar 2021 Meldungen zufolge die 35-Stunden-Woche. Arbeitszeit und Vergütung wurden an den in Nordrhein-Westfalen geltenden Tarifvertrag angepasst.

Was daraus wird? Wir werden berichten! (CB)

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