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Unter Bruttolohn- und Gehaltslisten versteht man eine Auflistung aller vom Arbeitgeber an einzeln erkennbare Arbeitnehmer erbrachten Bruttoleistungen. In diese in Papierform oder elektronisch geführten Listen steht dem Betriebsrat ein Einblicksrecht zu. Einer näheren Begründung für dessen Ausübung bedarf es in der Regel nicht. Ausübungsbefugt sind der Betriebsausschuss oder ein nach § 28 BetrVG gebildeter Ausschuss. In Betrieben mit kleiner gleich 200 Arbeitnehmern steht das Einsichtsrecht dem Betriebsratsvorsitzenden oder einem anderen mit der Führung der laufenden Geschäfte beauftragten Betriebsratsmitglied zu.
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Aufstellungen aller Bruttoleistungen in Geld oder Sachleistungen, die der Arbeitgeber den Arbeitnehmern für die Arbeitsleistung im Rahmen ihrer Arbeitsverhältnisse erbringt.
© AdobeStock | Angelina Bambina
Die Voraussetzungen des Einblicksanspruches sind in § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BetrVG geregelt.
Das Recht auf Einsichtnahme steht dem Betriebsrat als solchem zu. Dieser muss als Antragsteller in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren auf Gewährung von Einsicht auftreten. Dessen Ausübung darf jedoch nur von den Mitgliedern des Betriebsausschusses oder einem nach § 28 BetrVG gebildeten Ausschuss erfolgen. Eine nicht zu rechtfertigende Beschränkung des Einsichtsrechts auf Betriebe mit 100 bzw. 200 Arbeitnehmern liegt darin nicht. Vielmehr soll durch diese Einschränkung der gebotenen Vertraulichkeit der Erkenntnisse Rechnung getragen werden. In kleineren Betrieben steht das Einsichtsrecht dem Betriebsratsvorsitzenden oder einem mit der Führung der laufenden Geschäfte betrauten Mitglied zu (§ 27 Abs. 3 BetrVG).
§ 80 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BetrVG gibt dem Betriebsrat einen Anspruch auf Gewährung von Einblick in die Bruttolohn- und -gehaltslisten. Der Anspruch wird vom Arbeitgeber durch die Vorlage zur Einsicht erfüllt. Dabei müssen das oder die Betriebsratsmitglied(er) die Möglichkeit der vom Arbeitgeber unbeobachteten und ungestörten Anfertigung von Notizen haben. Auf eine Aushändigung der Bruttolohn- und -gehaltslisten hat der Betriebsrat keinen Anspruch. Dadurch kann es zur Notwendigkeit der Anfertigung zeitraubender Notizen kommen.
Der Betriebsrat kann nur Einsicht in Unterlagen verlangen, die der Arbeitgeber zumindest in Form einer elektronischen Datei tatsächlich besitzt. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, nicht vorhandene Unterlagen erst zu erstellen (BAG v. 7.5.2019 - 1 ABR 53/17 in NZA 2019, 2018 ).
Die Mitbestimmungs- und Überwachungsrechte des Betriebsrats sind auf den Betrieb begrenzt. Daher hat der örtliche Betriebsrat keinen Anspruch auf Einsicht in unternehmensweite Bruttoentgeltlisten. Für die Einhaltung der überbetrieblichen Lohngerechtigkeit ist der Gesamtbetriebsrat zuständig (BAG v. 26.9.2017 - 1 ABR 27/16 in NZA 2018, 108).
Das Recht zur Einsichtnahme besteht in Listen mit Klarnamen, also ohne Anonymisierung.
Das Einsichtsrecht umfasst alle Lohn- und Gehaltsbestandteile tariflicher wie außertariflicher Art, unabhängig davon, ob es sich um einmalige oder wiederkehrende Leistungen des Arbeitgebers handelt oder ob sie kollektivrechtlich oder einzelvertraglich vereinbart sind. Auch im Hinblick auf individuell vereinbarte übertarifliche Vergütungen muss der Betriebsrat gegenüber dem Arbeitgeber keinen besonderen Anlass zur Einsichtnahme darlegen. Der Betriebsrat benötigt die Kenntnis der effektiv gezahlten Vergütungen, um sich ein Urteil darüber bilden zu können, ob insoweit ein Zustand innerbetrieblicher Lohngerechtigkeit existiert oder nur durch eine andere betriebliche Lohngestaltung erreicht werden kann.
Die Beschränkung auf die Bruttolisten stellt sicher, dass Dritten Informationen über besondere persönliche Verhältnisse (z. B. Besteuerung, Lohnpfändungen) unzugänglich bleiben. Die Einsichtnahme bedarf nicht des Einverständnisses der betroffenen Arbeitnehmer (Fitting, BetrVG, 32. Aufl. 2024, § 80 Rn.77).
Bei außertariflichen (AT) Angestellten hat der Betriebsrat nur bei Darlegung eines besonderen Interesses ein Einblicksrecht in die Listen der Bruttogehälter dieser Angestellten (BAG v.18.9.1973 - 1 ABR 7/73).
Das Wort "jederzeit" bedeutet, dass die Ausübung des Rechts keiner Begründung bedarf.
Es genügt eine gewisse ausreichende Wahrscheinlichkeit für das Bestehen von Aufgaben des Betriebsrats (BAG v. 30.9.2008 - 1 ABR 54/07 in NZA 2009, 502 Rn. 28, 32). Ein Aufgabenbezug ist regelmäßig schon deshalb gegeben, weil der Betriebsrat darüber zu wachen hat, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze und Tarifverträge durchgeführt werden (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG). Hierzu gehört auch die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Beachtung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes (§ 75 Abs. 1 BetrVG, BAG v. 26.9.2017 - 1 ABR 27/16 in NZA 2018, 108). Dieser wichtige Aspekt der Gleichbehandlung und Beachtung der Diskriminierungsverbote nach § 1 AGG rechtfertigt im Rahmen der Ausübung seiner Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 und 11 BetrVG das Einsichtsbegehren immer.
Die gewünschte Zeitpunkt muss lediglich einen Bezug zur derzeitigen Betriebsarbeit haben. Das Einblicksrecht darf jedoch nicht rechtsmissbräuchlich wahrgenommen werden. Darin läge ein funktionswidriges Informationsverlangen. Deshalb ist eine Einsichtnahme im Monatsrhythmus besonders zu begründen.
Das Recht auf Einblick in die Bruttolohn- und -gehaltslisten verdrängt nicht den allgemeinen Unterrichtungsanspruch des Betriebsrats gegenüber dem Arbeitgeber (§ 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG) in Angelegenheiten der Vergütung der Arbeitnehmer (BAG v. 10.10.2006 - 1 ABR 68/05 in NZA 2007,99). Der Betriebsrat kann daher ausnahmsweise eine zeitweise Überlassung der Listen verlangen, wenn er die Listen längere Zeit zur Wahrnehmung bestimmt darzulegender Aufgaben benötigt, z.B. zur Prüfung, ob einzelne Lohnbestandteile unter Verstoß gegen die in § 1 AGG untersagten Differenzierungsmerkmale in unterschiedlicher Höhe gewährt werden. Eine Beschränkung der Überlassung auf eine Liste mit lediglich Angaben zu diesen Bestandteilen ist denkbar. Der Anspruch kann dann auf § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG gestützt werden (BAG v. 10.10.2006 - 1 ABR 68/05 in NZA 2007,99, GK-BetrVG, 12. Aufl. 2022, § 80 Rn. 110).
Diese Erkenntnis ist von Bedeutung, wenn die vom Arbeitgeber geführten Listen mangels Aufschlüsselung nicht aussagekräftig sind. Dies ist vorstellbar. Denn § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG lassen sich keine Mindestanforderungen an eine solche Liste entnehmen (BAG v. 30.9.2008 - 1 ABR 54/07 in NZA 2009, 502 Rn. 26). Der Betriebsrat kann dann über den allgemeinen Auskunftsanspruch nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ergänzende schriftliche Auskünfte fordern (BAG v.29.9.2020 - 1ABR 32/19 in NZA 2021, 53). Diese sind ihm ebenfalls nur zur Einsichtnahme zugänglich zu machen (Fitting, BetrVG, 32. Aufl. 2024, § 80 Rn.70). Ein Anspruch auf deren dauerhafte Überlassung kommt in Betracht, wenn er diese Daten dauerhaft für die Erledigung anstehender konkreter Aufgaben benötigt, z.B. die Erstellung einer Vergütungsgruppenordnung mit Richtbeispielen.
Die Grenzen dieses allgemeinen Auskunftsanspruches liegen dort, wo ein Beteiligungsrecht offensichtlich nicht in Betracht kommt, z.B. bezüglich der Gehälter der leitenden Angestellten.
Ergänzend zu § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG sieht § 13 Abs. 3 EntgTranspG einen Anspruch auf Herstellung nach Geschlecht aufgeschlüsselter detaillierter Entgeltlisten vor (BAG v. 7.5.2019 - 1 ABR 53/17 in NZA 2019, 1218). Dabei geht es um die Überprüfung der Einhaltung des Entgeltgleichheitsgebotes. Das EntgTranspG sieht für Arbeitnehmer in Betrieben mit in der Regel mehr als 200 Beschäftigten in § 10 einen individuellen Auskunftsanspruch nach Maßgabe des § 11 EntgTranspG vor. Der Betriebsrat wird in § 13 EntgTranspG in dessen Umsetzung einbezogen. Deshalb hat der Arbeitgeber dem in diesen Betrieben wegen ihrer Arbeitnehmerzahl immer bestehendem Betriebsausschuss oder einem nach § 28 Abs. 1 Satz 3 BetrVG beauftragtem Ausschuss Einsicht in nach § 13 Abs. 3 EntgTranspG aufgeschlüsselt erstellte Bruttolohn- und -gehaltslisten zu gewähren. Fehlende oder ergänzungsbedürftige Listen hat er gegebenenfalls herzustellen oder aufzubereiten.
Datenschutzrechtliche Grenzen stehen dem Anspruch des Betriebsrats auf Einblick in die Bruttoentgeltlisten nicht entgegen. Das Gewähren von Einblick in die Bruttoentgeltlisten stellt eine Verarbeitung personenbezogener Daten dar (Art. 4 Nr. 1 und Nr. 2 DSGVO). Eine solche Verarbeitung ist erlaubt, wenn diese zur Ausübung der sich aus dem BetrVG ergebenden Rechte und Pflichten des Betriebsrats. (§ 26 Abs.1 Satz 1 Alt. 4 BDSG) dürfen. Nach § 80 Abs. 2. S.2 Halbs. 2 BetrVG gehört es gerade zu seinen Aufgaben, in die Brutto Lohn- und Gehaltslisten Einblick zu nehmen. Diese dürfen auch nicht anonymisiert werden, da der Betriebsrat ansonsten seinen Pflichten nicht nachkommen kann (BAG v. 7.5.2019 - 1 ABR 53/17 in NZA 2019, 1218).
§ 80 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 2 BetrVG, Art. 4 Nr.1 und Nr. 2 DSGVO, § 26 Abs. 1 S. 1 Alt. 4 BDSG)
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