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Über Besonderheiten einer Berufsgruppe und was der Betriebsrat alles tun kann
Das sogenannte Stechuhr-Urteil hat im September 2022 für einen Paukenschlag gesorgt. Wichtigste Kernaussage: In Deutschland besteht eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung! Für viele Arbeitnehmer ist es kein Problem, sich in Systeme einzuloggen oder manuell zu stempeln. Was aber, wenn es keinen festen Arbeitsplatz gibt? Wie etwa bei Zeitungszustellern. Darüber haben wir mit Betriebsrätin Angelika Schuknecht gesprochen. Außerdem über weitere Besonderheiten der Berufsgruppe und wie sie mit ihrem Betriebsratsgremium zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen beitragen kann.
Angelika Schuknecht: Es gab vor Jahren bereits ein digitales System zur Zeiterfassung, hier wurde auf einer Internetseite mit passwortgeschütztem Zugang die Arbeitsdauer von den Zustellern eingegeben. Inzwischen melden wir einmal wöchentlich die Arbeitsdauer je Bezirk handschriftlich oder per Datei. Aber nicht die Anfangs- und Endzeit.
Angelika Schuknecht: Ja, es gibt eine App, die bereits von den Journalisten genutzt wird. Das wäre für alle das Einfachste. Oder aber das bestehende System würde um den Faktor Arbeitszeit – von wann bis wann – ergänzt, so dass die Dauer automatisiert ausgerechnet wird. Außerdem könnte alles vereinfacht werden, indem die Arbeitszeitmeldung nicht pro Bezirk geschieht.
© AdobeStock | SFIO CRACHO
Angelika Schuknecht: Dafür zu sorgen, dass der Arbeitgeber so schnell wie möglich tätig wird, die Art und Weise zu ändern. Bei einer Softwareeinführung sind wir dann ohnehin mit im Boot. Außerdem gibt es noch den Punkt mit dem Datenschutz.
Angelika Schuknecht: Ein Festhalten der Zeit kombiniert mit GPS-Erfassung kommt nicht in Frage! Das wäre die pure Überwachung. Warum ist der so langsam? Wo sind die Leute? Zudem: Falls jemand eine App vom Arbeitgeber auf seinem Smartphone nicht duldet, muss er die Möglichkeit haben, ein anderes Meldesystem zu wählen.
Angelika Schuknecht: Es gibt immer noch die sogenannte Sollzeit. Sie gibt vor, wie lange man für einen bestimmten Bezirk benötigen sollte. Braucht man länger, kann die Zeit nachgemeldet werden. Das hat einige Zeit gebraucht, bis wir unsere Kollegen überzeugt hatten, das auch zu tun. Einige dachten, ihnen wird dann gleich gekündigt. Auch das Kilometer-Geld kann eingefordert werden, ist aber ein ebenso schwieriges Thema. Das Melden der Zeit und der gefahrenen Kilometer kostet Zeit, ist manchen zu viel Arbeit. Ich denke, das ist aber nicht nur bei uns Zeitungszustellern so.
Angelika Schuknecht: Besonders darauf, dass uns der Arbeitgeber mit der notwendigen persönlichen Schutzausrüstung ausstattet: Warnweste, Taschen- oder Kopflampe, Warnsignalgeber. Leider ist ein System für Alleinarbeiter, beispielsweise mit Notfallknopf oder Überwachung der Lage und Vitalzeichen, zu teuer. Das habe ich bereits herausgefunden. Wir haben immerhin 12.000 Zusteller bundesweit.
Angelika Schuknecht: Extrem wichtig! Zurzeit stellen wir unsere Kleidung fast komplett selbst. Sicherheitsmesser, Warnweste, Schutzhandschuhe und bald auch Stirnlampen bekommen wir vom Arbeitgeber. An den Arbeitsjacken arbeiten wir als Betriebsrat noch. Die Fortbewegungsmittel sind hingegen Privatsache: Auto, Fahrrad, zu Fuß – ist alles möglich und wird unterschiedlich vergütet.
Angelika Schuknecht: Nicht jeder Betrieb, der unter FUNKE existiert, wird gleichbehandelt. In einigen bekommen die Zusteller neben Jacken auch Schuhe oder zumindest einen finanziellen Anteil gestellt. Man hat den Eindruck, je länger und hartnäckiger ein Betriebsrat am Werk ist, desto besser sind die Zusteller ausgerüstet.
Angelika Schuknecht: Es ist schwierig, unsere Kollegen zufriedenzustellen, Meckerer gibt es halt immer. Kämpfen wir darum, Stirnlampen zu bekommen und es werden welche mit Akku, wollen andere welche mit Batterien. Jeder Jeck ist halt anders! Ich habe zum Beispiel lieber eine Taschenlampe, bin also auch nicht besser. (lacht)
Angelika Schuknecht: Zeitungszusteller sind Einzelkämpfer. Es hat lange gedauert, bis Kollegen uns um Hilfe gebeten haben. Durch die Einstellung „jeder für sich, Gott für uns alle“ ist es schwierig, alle oder viele unter einen Hut zu bekommen. Daher fühlen sich einige vielleicht auch nicht als Teil des Ganzen. Selbst mit unseren Betriebsratsbriefen erreichen wir nicht alle.
© AdobeStock | Tobias Kaltenbach
Angelika Schuknecht: Die meisten sind schon lange dabei, manche Jahrzehnte. Heißt, sie machen den Job gerne – ich genauso. Man hat seine Ruhe, keiner nervt. Man fängt früh an, gegen 1 Uhr oder etwas später, je nachdem, wie viele Bezirke man zu tragen hat. Bis 6 Uhr sollen die Zeitungen bei den Kunden sein. Wenn ich meine Stammbezirke mache, kann ich den Kopf fast komplett ausschalten. Natürlich ist das Wetter auch mal schlecht. Aber so eine schöne Frühlingsnacht – nicht zu warm, nicht zu kalt, mit Vollmond – hat schon was.
Angelika Schuknecht: Wir Zusteller sind nicht so leicht unterzukriegen, was das Wetter betrifft. Als es letztes Jahr ein, zwei Tage geschneit hatte mit richtig Eis und Glätte, fuhr kaum ein Bus oder eine Bahn. Aber die Zeitung war da!
Angelika Schuknecht: Wir wollen, dass unsere Leute gut ausgerüstet sind, fair bezahlt und behandelt werden. Und sich nicht scheuen, das zu sagen, was ihnen unter den Nägeln brennt. Sie sollen keine Angst um ihren Arbeitsplatz haben müssen. Außerdem wollen wir den Unterschied zwischen den Zustellern und den Angestellten, die zum Beispiel im Büro arbeiten, verringern, indem wir unseren Kollegen die fehlenden Informationen zukommen lassen. (tis)
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