Negative Schlagzeilen begleiten die sogenannte Gigafactory des US-Elektroautoherstellers Tesla in Grünheide im Grunde schon seit der Ankündigung des Baus und spätestens seit der Eröffnung im März 2022. Es geht um Umweltkritik, Konflikte um Wasser, Arbeitsdruck, Streit zwischen Betriebsrat und Gewerkschaft sowie einer scheinbaren Standortkrise (wir berichteten). Doch das, über was der „Stern“ jetzt recherchiert hat, setzt dem Ganzen de Krone auf: In Grünheide soll es auffallend viele Arbeitsunfälle geben.
Arbeitsunfälle an der Tagesordnung?
Unter Berufung auf bisher nicht benannte Dokumente von Behörden und Rettungsdiensten sollen Arbeitsunfälle seit der Gigafactory-Eröffnung nahezu an der Tagesordnung sein. Beispielsweise sei einem Mitarbeiter eine 50 Kilogramm schwere Holzkiste auf den Kopf gefallen, ein anderer sei mit dem Fuß in einen Dosierofen mit glühendem Aluminium eingebrochen. Außerdem zählten offenbar amputierte Gliedmaßen sowie Verletzungen durch Verbrennungen und Salzsäure zu den Unfallfolgen.
Ich habe die größte Sorge, dass irgendwann jemand zu Tode kommt.
Dirk Schule, Bezirksleiter der IG Metall für Berlin, Brandenburg und Sachsen
„Wir sind schon seit längerem besorgt über die Arbeitssicherheit bei Tesla in Grünheide“, so der Bezirksleiter der IG Metall für Berlin, Brandenburg und Sachsen, Dirk Schulze, zum „Stern“. „Ich habe die größte Sorge, dass irgendwann jemand zu Tode kommt.“ Angesprochen auf die Berichterstattungen zeigte sich auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil bei n-tv und RTL besorgt: „Arbeitsschutz schützt in Deutschland im Zweifelsfall auch Leben und deshalb bin ich tief besorgt über die Nachrichten, die da über ein großes Unternehmen in die Öffentlichkeit gekommen sind.“ Er erwarte konsequente Länder-Kontrollen.
Betriebsrat in der Pflicht
Ganz generell ist es die Grundpflicht eines Arbeitgebers, erforderliche Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu treffen, um die Sicherheit und die Gesundheit der Beschäftigten zu garantieren. „Außerdem ist Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz nicht nur ein Gebot sozialer Verantwortung, sondern auch wirtschaftlich vernünftig“, zeigt sich Cordula Wild von den Berichten rund um Tesla erschüttert. Beim ifb ist sie Produktmanagerin für den Arbeits- und Gesundheitsschutz. „Ich musste wiederholt hinschauen, um sicherzugehen, dass es sich wirklich um einen Artikel aus dem Jahr 2023 handelt.“ Aber nicht nur der Arbeitgeber, auch die Interessenvertreter sind in Sachen Arbeitsschutz in der Pflicht: „Es gehört zu den allgemeinen Aufgaben des Betriebsrats, darüber zu wachen“, so die Expertin. Daher sollte der Betriebsrat jederzeit über grundlegende Gesetze, Verordnungen und Regelungen Bescheid wissen.
Berichte über Umweltvergehen
Neben den Arbeitsunfällen berichtet der „Stern“ darüber hinaus von 26 Umwelt-Havarien, wie aus Informationen des Brandenburger Landesamts für Umwelt hervorgeht. Diese Vorfälle sind allein schon deshalb so heikel, weil die Gigafactory zu großen Teilen in einem Wasserschutzgebiet gebaut ist – auch das wurde im Vorfeld kritisiert. Zu den Vorfällen sollen ausgelaufenen Stoffe wie Lacke oder Diesel sowie Brände zählen. Tesla räumte wohl Zwischenfälle auf dem Fabrikgelände ein, bei keinem habe es sich jedoch um einen Störfall im Sinne der Störfallverordnung gehandelt. Das hat auch das Landesumwelt bestätigt und spricht von Betriebsstörungen.
Derzeit arbeiten nach Tesla-Angaben 10.000 Menschen in Grünheide. In Zukunft könnten es bis zu 22.500 Mitarbeiter sein, die Produktionskapazität soll dann auf eine Million Autos ausgebaut werden – so das Ziel. Das Werk in Grünheide wird uns also in Zukunft sicherlich noch häufiger beschäftigen. (tis)