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Turbulente Betriebsratsgründung

© Kiro Stengel
Stand:  7.1.2025
Lesezeit:  04:15 min
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„Die Hände gingen fast einstimmig hoch, ab da konnten wir aufatmen“ – Betriebsrat Kiro Stengel im Interview

„Ich überlege oft, was wäre, wenn es den Betriebsrat nicht gäbe“, sagt Kiro Stengel. Vor gut neun Jahren hatte der 53-Jährige mit einigen Mitstreitern die Initiative ergriffen und eine Betriebsratswahl im Unternehmen initiiert. Der Weg war durchaus steinig, aber es hat sich gelohnt. Kiro Stengel über die Betriebsratsgründung und eine „turbulente Zeit“.

Kiro, was war der Auslöser, dass Du die Gründung eines Betriebsrats angestoßen hast?  

Kiro Stengel: Ich wurde als Teamleiter abgesetzt, weil ich laut der Verantwortlichen zu sehr auf der Seite der Mitarbeiter stand – ich habe für sie immer bis nach oben gekämpft. Zu der Zeit gab es zwar Vertrauensleute, an die sich Mitarbeiter wenden konnten. De facto waren das zumeist Führungspersonen, die oftmals selbst Auslöser für die Probleme waren. Darüber hinaus gab es immer wieder Themen wie Samstagarbeit oder Ähnliches. Man wusste, dass ein paar Versuche gescheitert waren, einen Betriebsrat zu gründen. Wegen all dem habe ich den Mut gefasst und einen Kollegen angesprochen, ob wir einen Betriebsrat gründen. Das war 2015, also vor zehn Jahren. 

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Wir wussten allerdings, dass wir es ohne fremde Hilfe nicht schaffen und auf der Straße landen wollten wir auch nicht.

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Und der Kollege hat gleich mitgemacht? 

Kiro Stengel: Ja, der eine Kollege war sofort dabei. Wir wussten allerdings, dass wir es ohne fremde Hilfe nicht schaffen und auf der Straße landen wollten wir auch nicht. Daher haben wir Kontakt zur Gewerkschaft aufgenommen. Wir haben lange gebraucht, einen dritten Mann zu finden, weil wir natürlich vorsichtig sein mussten. Die Wahlversammlung sollte im Februar 2016 stattfinden, bis dahin lief alles anonym.

Du sprichst von einer „turbulenten Zeit“ – was meinst Du damit?  

Kiro Stengel: Zunächst hatte uns die sehr traurige Nachricht erreicht, dass mein Kollege, der sofort bei der Gründung unterstützt hatte, urplötzlich im Weihnachtsurlaub verstorben war. Für unser Vorhaben mussten wir also erneut nach einem dritten Mitstreiter suchen. Wir konnten den Termin für die Wahlversammlung halten, da sich buchstäblich in allerletzter Sekunde jemand gemeldet hatte. Auf der Veranstaltung haben wir dann gefragt, ob sich die Belegschaft einen Betriebsrat wünscht: Die Hände gingen fast einstimmig hoch. Ab da konnten wir etwas aufatmen, weil fortan der Kündigungsschutz griff.  

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Kaum hatten wir die konstituierende Sitzung hinter uns, kam der Arbeitgeber mit dem Vorschlag, samstags Doppelschichten einzuführen.

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„Die Hände gingen fast einstimmig hoch“ – die Aussicht auf einen Betriebsrat kam in der Belegschaft also gut an.  

Kiro Stengel: Ja, selbst der eine oder andere Leiter hat sich gefreut, dass es endlich einen Betriebsrat geben sollte – der Zuspruch war also da. Kaum hatten wir die konstituierende Sitzung hinter uns, kam der Arbeitgeber mit dem Vorschlag, samstags Doppelschichten einzuführen. Da waren wir erstmal überfordert. Was dürfen wir? Wie reagiert man? Wir empfanden es damals als super „Move“, dass wir uns statt auf jeweils acht  auf zwei sechsstündige Schichten einigen konnten.  Das hat die Leute gefreut und wir haben es als Erfolg verbucht – heute würden wir das so nicht mehr machen.

Wie lief die erste Zeit, nachdem der Betriebsrat gegründet war?  

Kiro Stengel: Die war sehr gut, weil wir eine gewisse Zeit lang einen Wissensvorsprung gegenüber dem Arbeitgeber hatten. Ich glaube, der Arbeitgeber hat viele Dinge nicht mal zur Sprache gebracht, weil wir mitbestimmt hätten. Allein die Tatsache, dass wir existierten, hat schon was gebracht.  

Und wie würdest Du die Zusammenarbeit heute beschreiben? 

Kiro Stengel: Als durchaus schwierig, weil immer noch verschiedene Interessen bestehen. Wir sind mittlerweile mit der Logistik verschmolzen und da war aus Arbeitnehmersicht vieles schlimmer hinsichtlich Überstunden und so weiter. Selbst die Betriebsvereinbarungen, die geschlossen wurden, sind nicht ganz ideal. Ganz davon abgesehen wurde die ganze AG mittlerweile verkauft und es wird knallhart nach Zahlen durchgegriffen. Da würde ich mir wünschen, als Betriebsrat manchmal ernster genommen zu werden.

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Ich glaube, wenn wir nicht viele Dinge zum Guten gewendet hätten, hätte der Arbeitgeber heute Personalprobleme.

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Seit Eurer Gründung: Was konntet Ihr für die Mitarbeiter bereits umsetzen?  

Kiro Stengel: Das sind manchmal die Kleinigkeiten wie beispielsweise die Errichtung einer Raucherinsel für die Raucher. Außerdem haben wir kaum noch angewiesene Samstags- oder Mehrarbeit, da hat sich in jedem Fall viel getan. Und es gibt auch mal Goodies oder mal Geld obendrauf. Aber es ist natürlich ein Kampf, diese Kleinigkeiten zu erreichen. Manchmal überlege ich, was wäre, wenn es den Betriebsrat nicht gäbe. Ich glaube, wenn wir nicht viele Dinge zum Guten gewendet hätten, hätte der Arbeitgeber heute Personalprobleme. Wir haben viel fürs Privatleben getan, heute ist alles familienfreundlicher. Da bin ich stolz drauf.

Hat Dich die Fülle der Aufgaben als Betriebsrat überrascht?  

Kiro Stengel: Ja, weil es oft die unscheinbaren Dinge sind, die lange dauern. Es kommen ja gelegentlich die Fragen aus der Belegschaft, was wir den ganzen Tag machen. Aber selbst die Mail an die Geschäftsführung muss eben passen. Ich habe ja Arbeitsrecht am Anfang nicht so gemocht. Jetzt bin ich überrascht, wie sehr mich das mittlerweile interessiert. 

Wie bleibt man in der ganzen Zeit so positiv, wie Du es bist?  

Kiro Stengel: Es sind die kleinen Erfolge. Beispielsweise Kündigungen, die doch nicht ausgesprochen werden – das zieht uns nach oben. Und der Zusammenhalt im Gremium. Wir können gemeinsam lachen, gemeinsam kämpfen oder uns gegenseitig Rat geben. Wir sind da nicht nur Kollegen, sondern Freunde. (tis)

Kiro Stengel | © Kiro Stengel

Kiro Stengel

Kiro Stengels erster Arbeitgeber war nach seiner Ausbildung die Deutsche Bahn, wo er bis 2001 tätig war. Nachdem das Werk geschlossen wurde, landete er in einer Auffanggesellschaft und nutze die Zeit, um seinen Techniker in Informatik zu absolvieren – sein Abitur hatte er zuvor schon in der Abendschule nachgeholt. Bei seinen Weiterbildungen hat ihn immer wieder der Betriebsrat unterstützt, was gleichbedeutend Kiros erster Kontakt zu Interessenvertretern darstellte. Seit 2006 ist er bei w-support in Hartmannsdorf bei Chemnitz angestellt. Das Unternehmen mit seinen 300 Mitarbeitern gehört zur KOMSA AG und kümmert sich allen voran um Handyreparaturen.

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