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Im Interview: Betriebsrat und Vertrauensperson der Schwerbehindertenvertretung Torsten Bogadtke
Druck, Überwachung und überschaubare Bezahlung. Gravierende Probleme, denen Betriebsräte in Callcentern gegenüberstehen. Davon berichtet auch Torsten Bogadtke, selbst Betriebsrat in einem Callcenter. Zudem erklärt der 62-Jährige, warum eine Schwerbehindertenvertretung so wichtig ist, weshalb ihm egal ist, was sein Arbeitgeber von ihm hält und aus welchen Gründen selbst der Toilettengang im Callcenter nicht immer ganz einfach ist.
Torsten Bogadtke: Wir sehen jeden Tag, dass der Betriebsrat eines der bedeutendsten Instrumente ist. Häufig meint der Arbeitgeber, er könne tun, was er will. Nicht mal aus Boshaftigkeit, sondern weil er es zum Teil nicht besser weiß. Deshalb ist es so wichtig, das Gespräch zu suchen. Bei uns gibt es Standorte, da unterhalten sich nur Anwälte, aber das ist nicht zielführend. Die wenigsten Callcenter in Deutschland haben Tarifverträge, zumindest kenne ich keins. Der Betriebsrat kann also Betriebsvereinbarungen mit dem Arbeitgeber schließen. Mein Ziel ist es, das Beste für die Mitarbeiter rauszuholen
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Torsten Bogadtke: Enorm wichtig! Aufgrund der Bürotätigkeiten ist die Arbeit in Callcentern für Menschen mit Behinderung besonders geeignet. Deshalb liegen die Quoten auch weit über der gesetzlichen Norm von fünf Prozent – bei uns liegt sie beispielsweise bei 9,4 Prozent. Die Bildung einer Schwerbehindertenvertretung ist zwingend vorgeschrieben und doch wurde erst nach acht Jahren Betriebsbestehen die SBV gebildet, nachdem auch der Betriebsrat gegründet worden war.
Torsten Bogadtke: Hauptthemen sind Verhandlungen mit dem Arbeitgeber über Arbeitszeiten, allen voran Überstunden, Löhne, Urlaub, Einhaltung der Sozialgesetze und allgemein die Beachtung unseres Mitspracherechts. Als SBV dürfen wir hingegen nur verhandeln, nicht mitbestimmen. Wir müssen unsere Überwachungspflicht zur Einhaltung der Gesetze wahrnehmen und sind verpflichtet, den Arbeitgeber bei Verstößen darauf hinzuweisen, der dann sofortige Abhilfe schaffen muss. Insofern hat die SBV mehr Mitwirkungsrechte als der Betriebsrat!
Torsten Bogadtke: Die psychische Belastung ist eines der wichtigsten Themen, da der Druck durch die Auftraggeber stetig erhöht wird. Die meisten, die auf mich zukommen, versuchen Arbeitszeitmodelle zu finden, mit denen sie umgehen können. Die Arbeit verlangt eine hohe Konzentrationsfähigkeit, dabei sind viele ohnehin schon vorbelastet. Daher haben wir auch eine hohe Fluktuation von bis zu 40 Prozent. Für mich Herausforderung und Verantwortung, die besten Bedingungen rauszuholen, damit die Mitarbeiter bleiben. Häufig wird man vom Arbeitgeber deshalb als Gegner gesehen, dabei sind wir eigentlich Mitstreiter.
Torsten Bogadtke: Wegen der DSGVO ist Überwachung nur noch begrenzt möglich. Allerdings werden einzelne Vorgänge geprüft und sogenannte Performance-Gespräche geführt. Eine Aufzeichnung findet statt, wenn der Kunde zustimmt. Mitarbeiter sind von Anfang an damit konfrontiert und haben sich normalerweise im Arbeitsvertrag einverstanden erklärt. Aber darf er dies widerrufen? Datenschutzrechtlich muss das noch geprüft werden. Auch, ob er dann gekündigt werden dürfte.
Torsten Bogadtke: Dem Mitarbeiter ist es am liebsten, wenn die Aufzeichnung abgelehnt wird. Nicht das Abhören an sich ist problematisch, sondern die Auswertung.
Torsten Bogadtke: Das stimmt! Es ist eine besondere Art der Überwachung, weil alle Zeiten nach verschiedenen Arten aufgezeichnet werden. Unproduktive Zeiten werden bemängelt und müssen begründet werden. Selbst Toilettengänge können gecheckt werden. Man kann sich aber vorstellen, dass das insbesondere bei schwerbehinderten Kollegen nicht immer ganz einfach ist.
Torsten Bogadtke: Wer, wie viel erbringen muss, ist eine Festlegung im Direktionsrecht, welches der Arbeitgeber für sich und den unternehmerischen Erfolg nutzt. Die Belastung im Vertrieb ist erheblich höher, da gibt es harte Vorgaben. Erreichst du diese nicht, dann gibt es Gespräche. Im Kundenservice geht es hingegen um Vorgänge und die sind unterschiedlicher Natur. Also auch nicht zu vergleichen. Eine Normative des Arbeitgebers gibt es trotzdem!
Torsten Bogadtke: Der Betriebsrat hat nach langen Verhandlungen eine Betriebsvereinbarung zu Überstundengrenzen erreicht. Zudem wird mittlerweile der Urlaub über das Mindestmaß nach fünf Jahren Betriebszugehörigkeit gewährt. Die SBV hat durch die sogenannten Muss-Bestimmungen etwas mehr Möglichkeiten, Arbeitnehmer zu schützen. Das klappt hier vor Ort ganz gut, im Gesamtkonzern sind einige Schwerbehindertenvertretungen allerdings noch zu harmlos.
Torsten Bogadtke: Generell geht es um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Callcenter allgemein. Das Unternehmen und die Arbeitnehmer leiden unter der immensen Fluktuationsquote. Schichten, Pausenzeiten, Urlaubszeiten, gerechte Bezahlung – all das muss angegangen werden. Damit die Mitarbeiter mit mehr Spaß und weniger Druck arbeiten können.
Torsten Bogadtke: Wir haben eine Work@Home-Betriebsvereinbarung, die es dem Arbeitnehmer ermöglicht, eine bestimmte Zeit im Monat von zuhause arbeiten zu können. Dafür verliert er allerdings unter Umständen seinen persönlichen Arbeitsplatz. Das ist bei schwerbehinderten Mitarbeitern, die bestimmte Bedürfnisse bezüglich der Ausstattung haben, natürlich völliger Quatsch. Auch da kämpfen wir. Ob ich beim Arbeitgeber beliebt bin oder nicht, ist mir ziemlich egal. Für mich sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wichtig. Denn die sind es, die für den Erfolg des Unternehmens stehen.
Torsten Bogadtke: Weil viele woanders nur schwer Arbeit finden würden. Einige sind – wie es oft heißt – schwer vermittelbar, deshalb ist der Anteil der schwerbehinderten Mitarbeiter auch so hoch.
Torsten Bogadtke: Eine berechtigte Frage! Ich habe nach meiner Reha infolge eines Arbeitsunfalls 2009 kein Unternehmen gefunden, was mich angestellt hätte. Meine Belastungsgrenzen waren damals sehr niedrig. Heute ist mein Terminkalender voll und ich leiste meinen Beitrag, dass die Leute im Unternehmen bleiben. Wir schaffen Voraussetzungen für viele Menschen und der Gesetzgeber lässt mir relativ freie Hand, wie ich die Arbeit organisiere. Außerdem kann ich dem Betriebsrat eine gewisse Expertise geben. Die Wahlen beweisen, dass ich nicht alles falsch mache. Wenn wir einen Verschlimmerungs- oder Gleichstellungsantrag durchbringen, das freut mich. Denn davon profitieren die Leute und gibt der Arbeit einen Sinn. Und das macht dann auch Spaß. (tis)
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