Eine Spitzenposition bei den jährlich durch Streiks ausgefallenen Arbeitstagen nimmt traditionell Frankreich ein. Laut Statista waren es von 2011 bis 2020 jährlich 93 Fehltage pro 1.000 Beschäftigten. Auch in den letzten Monaten protestierten immer wieder Hunderttausende gegen Präsident Emmanuels Macrons Rentenreform. Die Proteste richten sich gegen die schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre. Über das ganze Land kam es zu Blockaden von Straßen, Bahngleisen und Raffinerien. Während die Proteste anfangs weitestgehend friedlich verliefen, kam es später immer wieder zu Gewalt und Auseinandersetzung. Öl ins Feuer gegossen hatte die Tatsache, dass die Regierung die Reform ohne Abstimmung durch die Nationalversammlung durchdrückte. Aber warum ist die Streikkultur in Frankreich derart ausgeprägt?
Ein neues Gesetz in Großbritannien
Etwas nördlich hat auch Großbritannien seine Streiklust entdeckt. Erst Anfang des Jahres hatte der britische Gewerkschaftsbund TUC zu einem landesweiten Protesttag aufgerufen. Eine halbe Millionen Beschäftigte verschiedenster Branchen haben laut Medienberichten die Arbeit niedergelegt. Sie demonstrierten für deutlich Lohnsteigerungen und bessere Arbeitsbedingungen – so weit, so klar. Es ging aber auch um das Recht, weiterhin streiken zu können. Was war passiert? Nachdem immer mehr Arbeitnehmer gegen Niedriglöhne auf die Straße gegangen waren, hat die Regierung einen Gesetzentwurf vorgebracht, der einen Mindestbetrieb in bestimmten Branchen garantieren soll. Laut ver.di, die sich mit den britischen Kollegen solidarisieren, war es anfänglich nur für die Eisenbahn gedacht. Mittlerweile gehe es auch um das Gesundheitspersonal, den Bildungsbereich, den Transportsektor, die Feuerwehren, den Grenzschutz sowie diejenigen, die radioaktiven Müll entsorgen. Es wird kritisiert, dass dies just die Branchen seien, die in den vergangenen Monaten die größte Streikbereitschaft zeigten.
Italien, Schweiz und USA
In Italien erkennt Art. 40 der Verfassung das Recht der Arbeitnehmer an, zur Vertretung ihrer eigenen Interessen die Arbeit niederzulegen. In der Schweiz wiederum sind Streiks äußerst selten – auf 1.000 Beschäftigte kommt im Schnitt nur ein ausgefallener Arbeitstag (2012 – 2022/Statista). Das Land hat eine lange Tradition, Konflikte durch Verhandlungen zu verhindern. So legen etwa Gesamtarbeitsverträge die Beschäftigungsbedingungen für Arbeitnehmer fest.
Bei einem Blick über „den großen Teich“ kommen einem bei den USA nicht selten einflussreiche Gewerkschaften und Massenstreiks in den Sinn. Das ist Vergangenheit, mittlerweile sind nur noch wenige Menschen in Gewerkschaften organisiert. „Nur“ neun ausgefallene Arbeitstage pro 1.000 Beschäftigte in den Jahren 2011 bis 2020 zeugen davon. Einer der im Ausland bekanntesten US-Streiks der letzten Jahre betraf ausgerechnet die Traumfabrik Hollywood. 2007/2008 haben dort die Drehbuchautoren für 100 Tage die Arbeit niedergelegt. Der Streik legte die Filmbranche nahezu lahm und kostete mehrere hundert Millionen Dollar. Medien berichten, dass derzeit ein neuerlicher Drehbuchautorenstreik unmittelbar bevorsteht.
In Japan und Australien läuft es auch mal anders
Dass die Japaner ein äußerst fleißiges Volk sind, ist bekannt. Auch ein Streik geht bei ihnen unter Umständen etwas anders. Vor ein paar Jahren streikten die Busfahrer in Okayama. Sie lösten damit aber kein Verkehrschaos aus, sondern verrichteten ganz normal ihre Arbeit. Einzig: Sie kassierten weder ihre Passagiere ab noch kontrollierten sie Fahrkarten – einen Tag freie Fahrt für alle also. Verlierer war ausschließlich der Arbeitgeber. Im australischen Brisbane wurden 2017 ebenfalls während eines Busstreiks die Mitfahrer umsonst mitgenommen. Das würden sicherlich auch die deutschen Pendler begrüßen. (tis)