Es fängt meist harmlos an: Kritik an der Arbeit, wie sie jeder mal erlebt, die Kollegen grüßen morgens nicht. Ist das schon Mobbing? Seit zwanzig Jahren berät der Diplom-Psychologe Ludwig Gunkel Menschen, die am Arbeitsplatz gezielt ausgegrenzt und gemobbt werden. „Entscheidend ist dabei eine systematische und zeitlich kompakte Bearbeitung des Falls,“ erklärt er. „Und zwar unabhängig davon, wie die Lösungsmöglichkeiten eingeschätzt werden.“ Wichtig sei dabei auch ein rechtzeitiges Eingreifen der verantwortlichen Führungskraft, die im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht für die Bearbeitung von Mobbing-Vorwürfen und eventuelle Organisation von Beschwerden verantwortlich ist.
Die tatsächlichen Sachverhalte und die Lösungsoptionen zeigen sich dann erst im Laufe des Arbeitsprozesses und brauchen und sollten nicht vorab eingeschätzt werden. Auch der Betriebsrat kann diesen Prozess initiieren – denn das Betriebsverfassungsgesetz ermächtigt ihn dazu nach BetrVG § 84 beziehungsweise 85. Bei entsprechender Qualifikation und Vereinbarung kann auch ein Betriebsratsmitglied so auch die Rolle des Konfliktberaters übernehmen, beispielsweise wenn er oder sie als MobbingberaterIn geschult ist. Diese acht Schritte können Ihnen helfen, wenn in Ihrem Betrieb Mobbingvorwürfe erhoben werden:
1. Konflikte wahrnehmen
Je früher eine Konflikteskalation oder eine Mobbingsituation erkannt wird, desto eher ist eine für alle Beteiligten konstruktive Lösung möglich. Allerdings entspricht es der Dynamik von Konflikten, dass die betroffene Gruppe sie nach außen vertuscht. Darum sollten Führungskräfte und Betriebsräte Konfliktsymptome aufmerksam wahrnehmen und abwägen, ob ein Eingreifen sinnvoll oder notwendig ist.
2. Betroffene beraten
Mit besonderer Sensibilität müssen von Mobbing Betroffene von der Führungskraft oder dem Betriebsrat, dem sie sich offenbaren, angehört werden. Sie sind oft so verängstigt und entmutigt, dass sie sich eine konstruktive Lösung ihres Problems nicht mehr vorstellen können und durch eine Konfliktbearbeitung eine weitere Verschlechterung ihrer Position befürchten. Aktionismus, Bagatellisieren oder Unverständnis sind darum völlig unangemessen. Zuhören und die Situation des Betroffenen nachvollziehen zu versuchen, ist zu Beginn wichtig. Erst nachdem der Betroffene stabilisiert ist, können die Situation analysiert und Ziele und Wege erarbeitet werden.
3. Voraussetzungen zur Konfliktklärung schaffen
Die zuständigen Personen im Unternehmen müssen einbezogen werden. Ein neutraler Konfliktmoderator wird ausgewählt. Die Verantwortung der Führungsebene muss klar sein, die Rückendeckung des Betriebs- oder Personalrates ist unverzichtbar.
4. Einzelgespräche mit allen Beteiligten
In diesen Gesprächen geht es darum, Vertrauen zu schaffen und eine Gesprächsbasis herzustellen und alle Beteiligten zur Lösungssuche zu motivieren. Die Hintergründe des Konflikts, psychologische und arbeitsrechtliche Verantwortungen sind zu erkunden und Lösungsmöglichkeiten auszuloten.
5. Gespräch mit allen Beteiligten und / oder Pendel-Diplomatie
Auf Basis der Einzelgespräche wird versucht, eine gemeinsame Problembeschreibung zu erreichen. Darauf aufbauend werden konkrete Lösungen erarbeitet und auf ihre Tragfähigkeit und Praktikabilität bewertet.
6. Umsetzung der Konfliktlösungen
Um die Verbindlichkeit zu erhöhen sollten die Vereinbarungen auf jeden Fall schriftlich fixiert und von allen unterschrieben werden. Die besprochenen Lösungen und getroffenen Vereinbarungen werden umgesetzt. Wenn die Möglichkeit besteht werden die Auslöser der Mobbingsituation besprochen. Die Betroffenen werden soweit wie möglich rehabilitiert.
7. Erfolg sichern
Die Umsetzung der Lösungen wird regelmäßig überprüft, bei Bedarf wird nachgesteuert.
8. Prävention
Abschließend wird erkundet, welche betrieblichen Bedingungen zur Entstehung oder Eskalation des Konflikts beigetragen haben und wie diese verändert werden können. Entsprechende präventive Maßnahmen helfen, erneute Konflikte zu verhindern.
Bei eskalierten Konflikten und Mobbing kann die bestmögliche und nachhaltige Lösung nur gefunden werden, wenn sich die Führung klar zu einer zielgerichteten Konfliktbearbeitung bekennt und ein fachkompetenter – interner oder externer – Konfliktberater mit der Aufgabe betraut wird. Aufgabe des Betriebsrates ist es eine Konfliktbearbeitung bei Bedarf zu initiieren und zu unterstützen.