Selbst wenn Arbeitgeber und Betriebsrat sich darüber einig sind, dass ein inakzeptables Verhalten eines Vorgesetzten gegenüber einem Mitarbeiter vorliegt, gehen die Vorstellungen zum Umgang mit Mobbing meist weit auseinander.
Häufige Maßnahmen der Arbeitgeberseite
Manchmal versucht der Arbeitgeber das Problem hinter den Kulissen zu lösen und teilt nach monatelangem Hin und Her mit, dass die Führungskraft das Unternehmen „aus persönlichen Gründen“ verlassen habe. Das ist aber eher selten der Fall.
Viel häufiger kommt es vor, dass Mobbing verharmlost wird, vor allem dann, wenn die betreffende Führungskraft aus Sicht der Geschäftsführung als systemrelevant angesehen wird. Dann heißt es „die Chemie stimmt eben nicht“ oder die Situation wird als gewöhnlicher Konflikt abgetan. Für die betroffenen Mitarbeiter passiert dann weiterhin gar nichts oder die eingeleiteten Maßnahmen sind unbefriedigend.
Eine Versetzung der mobbenden Führungskraft wird fast nie in Erwägung gezogen.
Versetzung des Betroffenen
Ist es anerkannt, dass ein direkter Vorgesetzter Mobbing gegenüber einem Mitarbeiter oder einer Mitarbeiterin ausübt, behelfen Arbeitgeber sich häufiger mit einer Versetzung des oder der Betroffenen. Ihr Argument: Die Möglichkeit zu weiterem direkten Mobbing wird damit faktisch unterbunden, während der reibungslose Ablauf der Arbeit gewährleistet bleibt.
Eine Versetzung der mobbenden Führungskraft wird dagegen fast nie in Erwägung gezogen. Dabei wäre das bei nachweisbarem Mobbing ein viel deutlicheres Zeichen einer Geschäftsführung, dass die Regeln im Unternehmen für alle gelten. Sobald die Belegschaft das Gefühl hat, dass im Betrieb mit zweierlei Maß gemessen wird, kann die langfristige Wirkung auf das Vertrauen, das Engagement sowie auf das Betriebsklima fatal sein. Im Einzelfall kann eine Versetzung allerdings trotz allem die Rettung für den oder die Betroffenen sein.
Mediation
Wenn Mobbing als „normaler Konflikt“ fehlinterpretiert wird, liegt es nahe, eine Mediation anzuordnen. Mediation ist eine gesellschaftlich wertgeschätzte und inzwischen gesetzlich anerkannte Form der Konfliktbearbeitung. Aber Vorsicht: Mediation funktioniert bei Mobbing nicht, denn die elementaren Voraussetzungen einer Mediation werden nicht erfüllt. Dazu gehören erstens die freiwillige Teilnahme und gegebenenfalls der Abbruch der Mediation, sobald eine Seite nicht mehr teilnehmen will. Zweitens die Erwartung, dass beide Seiten an einer Lösung interessiert sind und drittens, dass beide Seiten in Eigenregie (also ohne inhaltliche Beteiligung des Mediators) zu einer einvernehmlichen Lösung kommen wollen.
Mobber spielen bei solchen Verfahren meist mit gezinkten Karten. Sie machen notgedrungen zwar mit, um ihr Gesicht zu wahren. Sie haben allerdings kein echtes Interesse an einer einvernehmlichen Lösung, insbesondere dann, wenn das Mobbing dazu dient, eigene berufliche Schwächen oder Compliance-Verstöße zu kaschieren. Aus Mobbersicht wäre mit der Beseitigung der gemobbten Zielperson das Problem viel besser gelöst; warum also sollten sie freiwillig nach einvernehmlichen Lösungen suchen? Das gut gemeinte Verfahren endet dann oft wie das Hornberger Schießen: viel Rauch um nichts.
Teambuilding-Maßnahmen
Teambildende Maßnahmen können ein Anstoß sein, um sich – losgelöst von den Zwängen des Arbeitsalltags – auf neue Weise kennenzulernen. Baumklettern oder Wildwasser-Rafting bringen aber keine Verbesserung, wenn die akuten Konflikte zwischen Teammitglied und Führungskraft nicht ehrlich bearbeitet werden. Manche dieser Konfliktlösungswege mögen von gutem Willen geleitet sein. Oft erzeugen sie aber auch eine Verharmlosung. Fest steht, ein ernsthaftes Mobbingproblem kann durch solche Maßnahmen eher nicht nachhaltig gelöst werden.
Eine Möglichkeit, die bisher nur selten Anwendung findet, ist eine konkret formulierte Verhaltensanordnung.
Was der Betriebsrat vorschlagen kann
Der Betriebsrat sollte deshalb für ein konsequenteres Vorgehen einstehen und beim Arbeitgeber mit besseren Vorschlägen auftreten. Einige Möglichkeiten dazu im Folgenden:
Verbindliche Verhaltensanweisung
Eine Möglichkeit, die bisher nur selten Anwendung findet, ist eine konkret formulierte Verhaltensanordnung. Darin wird festgeschrieben, welche Verhaltensweisen nicht (mehr) gezeigt werden dürfen, und vor allem, welche Verhaltensweisen im betrieblichen Miteinander künftig erwartet werden. Die Einhaltung muss überprüfbar sein und sollte auch immer wieder tatsächlich kontrolliert werden. Im Gegensatz zur Abmahnung, bei der warnend auf ein vertragswidriges Verhalten hingewiesen und eine rechtliche Konsequenz bei Zuwiderhandeln angekündigt wird, geht es hierbei um positiv formulierte Verhaltenserwartungen.
Ein Vorschlag hierzu kann vom Betriebsrat gemeinsam mit dem Betroffenen erstellt werden; den Feinschliff sollte die Personalabteilung formulieren. Die Anweisung muss konkret umsetzbar sein und soll einerseits den Schutz des oder der Betroffenen gewährleisten, aber auch allgemein gültige Kriterien für ein partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz zum Ausdruck bringen.
Verhaltenstraining
Eine Option ist auch, Beschäftigte, die wiederholt sozial-problematisches Verhalten an den Tag legen, einem gezielten Verhaltenstraining zu unterziehen. Auf dem Fortbildungsmarkt gibt es reichlich Angebote, aus denen passgenaue Trainings ausgesucht werden können, zum Beispiel zum Thema „Kritikgespräche führen“, „Meeting-Etikette“ oder zu Führungskompetenz. Der Erfolg bei solchen externen Angeboten hängt allerdings von der Lernwilligkeit des Probanden und der Übertragbarkeit der Inhalte auf den eigenen Arbeitsbereich ab. Es kann vorkommen, dass die erlernten Fähigkeiten in der betrieblichen Praxis sogar kontraproduktiv wirken und die Problematik noch verschärfen. Allerdings kann eine Personalentwicklung solche Maßnahmen auch selbst entwerfen und intern durchführen. Dabei ist eine unmittelbare Erfolgskontrolle im betrieblichen Alltag eher möglich.
Zielverbindliches Coaching
Als weitere Möglichkeit bietet sich ein sogenanntes zielverbindliches Coaching an. Üblicherweise definiert ja beim Coaching die gecoachte Person ihre Ziele bezüglich des beruflichen Entwicklungsbedarfs oder zur Behebung spezifischer Defizite selbst. Dies geschieht auch hier, aber überdies im positiven Einklang mit den Erwartungen des Unternehmens. Der Coachingprozess selbst bleibt vertraulich, selbstbestimmt und individuell. Im Falle von Mobbing oder anderem sozialunverträglichen Verhalten kann der Arbeitgeber das erwartete Ziel auch klar vorgeben. Durch die Hinzuziehung eines externen Coaches bleibt dem Betroffenen immerhin die Freiheit, in einem vertraulichen Setting einen eigenen, selbstgewählten Weg zu finden, um die Zielvorgabe zu erfüllen.
Öffentliche Missbilligung
Die Mehrzahl der Mobber ist erfahrungsgemäß erstaunlicherweise stark darauf bedacht, dass das destruktive Handeln gegenüber den Gemobbten als unternehmerisch gerechtfertigt angesehen, toleriert oder sogar heimlich gebilligt wird. Die Mobber meinen, ihr Verhalten diene dem Unternehmenserfolg, oder andere hätten zumindest dafür Verständnis. Diese Selbstgewissheit kann durch couragierte Mitarbeiter erschüttert werden, wenn diese sich öffentlich zu sagen trauen: „Das ist nicht in Ordnung!“ Vor allem ein Betriebsrat kann das problematische Verhalten als das benennen, was es ist: Mobbing. Manchmal reicht das sogar schon, um solche Übergriffe zu unterbinden.
Der Runde Tisch
Das beste Mittel für eine ergebnisorientierte Konfliktmoderation bei Mobbing ist wahrscheinlich der Runde Tisch. Dieser setzt jedoch eine sehr gute Vorbereitung voraus, bei der auch weitestgehend Klarheit über das Geschehen erlangt wird. Der Mobbingbetroffene muss sich selbst gut vorbereiten können und ihm sollte eine kompetente Person seines Vertrauens als Unterstützung zur Seite stehen. Dies ist deshalb wichtig, weil Mobbing ein asymmetrischer Konflikt ist, bei dem der Betroffene in vielerlei Hinsicht bereits in die Unterlegenheit gedrängt worden ist und alleine keinen Konflikt auf Augenhöhe führen kann, wie es etwa bei der Mediation vorgesehen ist. Am Runden Tisch beteiligt sind die Personen, die in den Mobbingkonflikt involviert sind, die entscheidungsbefugten Stellen des Betriebes und natürlich eine bestens präparierte Vertretung des Betriebsrats. Die Leitung des Rundes Tisches sollte eine integre Person übernehmen, die in das Geschehen nicht selbst involviert ist.
Hierbei werden in einer konzertierten Aktion nicht nur alle relevanten Beteiligten zusammengebracht, sondern auch alle relevanten Fakten, Vorkommnisse und Verstöße. Das Ziel ist, zeitnah ein lösungsorientiertes Maßnahmepaket zu schnüren, in dem der angemessene Schutz der Persönlichkeitsrechte von betroffenen Beschäftigten wiederhergestellt wird und zugleich betriebliche Belange wie Arbeitsabläufe, Effizienz, Kundenzufriedenheit, Führungsverhalten usw. berücksichtigt oder sogar optimiert werden. Wenn die Institution „runder Tisch“ im Rahmen einer Anti-Mobbing-Betriebsvereinbarung verankert ist, käme diesem quasi die Letztentscheidung zu geeigneten Maßnahmen zu, um das Mobbing definitiv abzustellen. Runder Tisch ist kurz gesagt: Alle zugleich an einem Tisch, alles auf dem Tisch, Klartext reden, verbindliche Regelung.
Arbeitsrechtliche Konsequenzen
Als letztes Mittel sollten schließlich auch arbeitsrechtliche Konsequenzen gegenüber den mobbenden Vorgesetzten kein Tabu sein. Eine Kündigung ist zumindest dann gerechtfertigt, wenn andere Versuche erfolglos geblieben sind und der Mobber oder die Mobberin renitent oder beratungsresistent mit seinem inakzeptablen Verhalten weitermacht. Ein Betriebsrat kann diese Konsequenz zwar beim Arbeitgeber anmahnen, allerdings kaum durchsetzen. Im Extremfall kann es aber eine Option sein, das anspruchsvolle Verfahren nach § 104 BetrVG „Entfernung betriebsstörender Arbeitnehmer“ auf den Weg zu bringen.