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Außerordentliche Kündigung wegen Bedrohung: Versehentlich falsche Angabe von Sozialdaten gegenüber dem Betriebsrat

Orientierungssätze der Richterinnen und Richter des BAG:
1. Eine ernstliche Drohung des Arbeitnehmers mit Gefahren für Leib oder Leben von Vorgesetzten oder Arbeitskollegen und/oder deren Verwandten, für die kein allgemeiner Rechtfertigungsgrund eingreift, kommt „an sich“ als wichtiger Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB in Betracht.
2. Die Verwendung eines „Lügendetektors“ (polygraphische Untersuchung mittels Kontrollfragentests) ist - auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren - ein völlig ungeeignetes Beweismittel.
3. Die unzutreffende Mitteilung von Sozialdaten eines Arbeitnehmers bei der Anhörung des Betriebsrats zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG bleibt jedenfalls unschädlich, wenn die Falschangabe nur versehentlich erfolgt, das Gremium ohne das Erfordernis eigener Nachforschungen Kenntnis von den zutreffenden Sozialdaten hat und es durch die abweichende Angabe im Anhörungsschreiben nicht „verunsichert“ wird.

BAG, Urteil vom 28.02.2023, 2 AZR 194/22

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Redaktion
Stand:  23.5.2023
Lesezeit:  01:45 min
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Das ist passiert

Die Parteien streiten vorrangig über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung. Der von der Kündigung betroffene Mitarbeiter soll seinen Personaldisponenten und dessen Familie in einem Gespräch bedroht haben.
Bei der Anhörung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung gab die beklagte Arbeitgeberin versehentlich an, der Kläger sei ledig und kinderlos. Dem Gremium war bekannt, dass der Kläger verheiratet ist und ein Kind hat und widersprach den beabsichtigten Kündigungen u. a. unter mit Hinweis auf die Unterhaltspflichten des Klägers.

Das entschied das Gericht

Eine ernstliche Drohung des Arbeitnehmers mit Gefahren für Leib oder Leben u.a. von Vorgesetzten und deren Verwandten, für die kein allgemeiner Rechtfertigungsgrund eingreift, kommt nach ständiger Rechtsprechung „an sich“ als wichtiger Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB in Betracht.
Die Würdigung des Berufungsgerichts, es bestünden keine konkreten Anhaltspunkte, die Zweifel iSv. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an der Richtigkeit der Feststellung des Arbeitsgerichts nach § 286 Abs. 1 ZPO begründeten, der Kläger habe den Personaldisponenten der Beklagten, der fünf Tage zuvor eine Abmahnung in seinen – des Klägers – Briefkasten eingeworfen hatte, in dem Gespräch am 12. Februar 2020 bedroht mit den Worten „Ihr Ochsen, wenn ich noch einmal einen von Euch vor meiner Haustür oder meinem Briefkasten sehe, werde ich Euch schlagen, dann kann nicht mal die Polizei Euch helfen.“ und „Ochse, Du musst in Zukunft auf Dich und Deine Familie achten.“, ist frei von revisibelen Rechtsfehlern.
Es habe sich um ernstliche Drohungen gehandelt, eine vorherige Abmahnung sei entbehrlich und auch die weitere Interessenabwägung falle zulasten des Klägers aus. Im Rahmen der revisionsrechtlich nur beschränkt überprüfbaren Interessenabwägung hat das Landesarbeitsgericht dem Kläger seine Unterhaltspflichten und eine als beanstandungsfrei unterstellte vorherige Beschäftigungszeit zugutegehalten, sodass es weder auf einen Bezug der Unterhaltspflichten zum Kündigungsvorwurf auf die Berechtigung der ihm – dem Kläger – erteilten Abmahnungen ankam.
Die außerordentliche Kündigung ist auch nicht entsprechend § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG wegen unzureichender Beteiligung des Betriebsrats unwirksam. Es fehlt dazu bereits an einer bewusst unrichtigen oder irreführenden Unterrichtung über die Person des zu kündigenden Arbeitnehmers, die schon für sich genommen zur Unwirksamkeit der Kündigung führen könnte. Zudem waren dem Gremium der Familienstand des Klägers sowie dessen Unterhaltspflicht für ein Kind bekannt. Der Betriebsrat ist durch die abweichenden Angaben im Unterrichtungsschreiben nicht verunsichert worden und hat den beabsichtigten Kündigungen gerade auch unter Hinweis darauf widersprochen, dass der Kläger verheiratet und einem Kind unterhaltspflichtig sei. Dies belegt, dass ihm durch die versehentliche Falschangabe durch die Beklagte im Unterrichtungsschreiben kein Einwand abgeschnitten wurde. Er konnte aufgrund des bei ihm bestehenden Kenntnisstands sachgerecht zur Kündigungsabsicht Stellung nehmen.
Die Revision wendet sich nicht gegen die zutreffende, im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung stehende Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei nicht gegenbeweislich an einen „Lügendetektor“ anzuschließen gewesen, weil es sich – auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren – um ein völlig ungeeignetes Beweismittel handele.

Bedeutung für die Praxis

Trotz der Entscheidung hinsichtlich der hier nicht irreführenden falschen Sozialdaten sollte bei der Überprüfung von Kündigungsanhörungen seitens des Betriebsrats auf solche Angaben immer ein Augenmerk gelegt werden, da es sich im vorliegenden Fall (alle im Gremium kennen die familiären Verhältnisse des zu Kündigenden) um eine - auch schwer zu beweisende - Ausnahme handeln dürfte. Das BAG hat den abwegigen Vortrag zum „Lügendetektor“ in seinen Orientierungssätzen noch einmal zur Klarstellung aufgegriffen, obwohl dieser nicht Gegenstand der Revision war. (dz)
 

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