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Behinderung der BR-Arbeit durch einen Aushang des Arbeitgebers

Es stellt einen Verstoß gegen das Verbot der Behinderung der Betriebsratsarbeit dar, wenn der Arbeitgeber in Aushängen und auf einer Betriebsversammlung behauptet, ein Betriebsratsmitglied habe durch die Forderung nach einer hohen Abfindung das Vertrauen der Belegschaft missbraucht. Wird die Veröffentlichung durch Intranet, App und Aushang auch auf andere Betriebe erstreckt, stellt dies einen groben Verstoß gegen die vertrauensvolle Zusammenarbeit dar.

LAG Nürnberg, Beschluss vom 14.11.2022, 1 Ta BVGa 4/22

Stand:  14.2.2023
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Das ist passiert

Der Streit der Parteien begann mit einer Betriebsvereinbarung über ein „Freiwilligenprogramm“. In dieser war die Abfindungssumme im Falle des freiwilligen Ausscheidens auf 250.000 EUR gedeckelt; zudem war darin eine „Turboprämie“ für Beschäftigte vereinbart, die sich besonders schnell zu einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses bereit erklärten.

Dem Vorwurf des Arbeitgebers zufolge soll ein freigestelltes Betriebsratsmitglied nach Verabschiedung der Betriebsvereinbarung für sein eigenes Ausscheiden eine Abfindungssumme von zunächst 750.000 Euro (und später 360.000 Euro) ins Spiel gebracht haben. Der Arbeitgeber beantragte deswegen beim zuständigen Arbeitsgericht den Ausschluss aus dem Betriebsrat wegen grober Pflichtverletzung.

Im vorliegenden Verfahren geht es jedoch um den Vorwurf der Behinderung der Betriebsratsarbeit durch den Arbeitgeber. Denn zugleich wurden Aushänge mit dem Titel: „Betriebsrat missbraucht Vertrauen“ im Unternehmen verteilt. Darin heißt es:

„Die Geschäftsführung hat am 08.06.2022 beim Arbeitsgericht in Coburg den Ausschluss eines freigestellten Betriebsratsmitglieds wegen grober Verletzung seiner Pflichten beantragt. Der Betriebsrat hatte für sein eigenes Ausscheiden aus unserer Firma eine Abfindung in Höhe von 750.000 Euro verlangt, wogegen er selbst für unsere Mitarbeiter eine maximale Abfindung in Höhe von 250.000 Euro verhandelt hatte. Nach der Betriebsratswahl reduzierte er seine Forderung auf 360.000 Euro.
Wir sehen es als Missbrauch der Verantwortung gegenüber unserer Belegschaft an, wenn ein Betriebsrat aus seiner Stellung einen derartigen persönlichen Vorteil zu ziehen versucht und sich damit über die Interessen der von ihm vertretenen Belegschaft stellt.
Dieser Verstoß gegen das Verbot der Begünstigung lässt eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zum Wohle der Arbeitnehmer – wie es das Betriebsverfassungsgesetz im § 2 Abs. 1 verlangt – nach Meinung unserer Firmenleitung nicht zu.
Gesellschafter und Geschäftsführer wünschen sich eine offene und ehrliche Zusammenarbeit mit Betriebsräten, die das Wohl der Mitarbeiter vor ihre eigenen Interessen stellen.“

Dieser Text war außerdem im standortübergreifenden Intranet abrufbar; zudem wurden ähnliche Vorwürfe seitens des Arbeitgebers auch auf einer Betriebsversammlung wiederholt.

Der Betriebsrat macht als Kläger mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung geltend, dass er mit dem Aushang und den Äußerungen in seiner Tätigkeit als Betriebsratsmitglied benachteiligt werde. Die Behauptungen träfen nicht zu. Einer der Gesellschafter habe ihn zu einem Gespräch gerufen und gesagt, er solle es sich gut überlegen und einen Aufhebungsvertrag annehmen, anderenfalls werde er ihn in der Belegschaft diffamieren. Danach habe sich dieser per Mail erkundigt, ob er das Angebot annehmen werde. Dies habe er per Mail abgelehnt. Mit der Veröffentlichung des Aushangs sei sein Ruf erheblich beschädigt worden.

Der Arbeitgeber war hingegen der Ansicht, er habe ein berechtigtes Interesse daran, die Tatsache der Einleitung eines Verfahrens auf Ausschluss aus dem Betriebsrat und seine eigene rechtliche Bewertung hierzu der Belegschaft mitzuteilen. Die wahrheitsgemäße Mitteilung über die Einleitung des Verfahrens stelle keine Behinderung der Betriebsratstätigkeit dar.

Das entschied das Gericht

Ärgert sich ein Arbeitgeber über eine angeblich überzogene Abfindungsforderung eines Betriebsratsmitgliedes im Zusammenhang mit einem Freiwilligenprogramm, darf er das nicht betriebs- oder sogar unternehmensweit kundtun. Die gesamte Formulierung lasse bei den Lesern zudem den Eindruck entstehen, dass hier eine schwere Verfehlung eines Betriebsrats vorliege. Dies gehe über eine angemessene und sachliche Kommentierung weit hinaus. Auch der Umstand, dass der Kläger im Schreiben nicht namentlich genannt sei, ändere hieran nichts.

Das Gericht untersagt dem Arbeitgeber, im unternehmens- oder betriebsweit eingerichteten Intranet, in Aushängen, in Betriebsversammlungen oder sonst in der Betriebsöffentlichkeit zu erklären, ein freigestelltes Betriebsratsmitglied habe für sein Ausscheiden eine Abfindung von 750.000 oder 360.000 Euro verlangt, dies sei als Missbrauch der Verantwortung gegenüber der Belegschaft und/oder als Verstoß gegen das Begünstigungsverbot und/oder als Versuch anzusehen, sich einen persönlichen Vorteil zu verschaffen.

Zu dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG) gehöre auch, den Betriebspartner nicht gegenüber nicht am direkten betriebsverfassungsrechtlichen Verhältnis beteiligten Dritten schlecht zu machen und Persönlichkeitsrechtsverletzungen von Betriebsratsmitgliedern zu unterlassen. Dritten gegenüber dürften auch wahre Tatsachen nicht veröffentlicht werden, jedenfalls soweit ein besonderes Bedürfnis hierfür nicht bestehe. Ein solches sei in keiner Weise erkennbar.

Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung wird dem Arbeitgeber ein Ordnungsgeld von bis zu 10.000 Euro angedroht. Allerdings, so das Gericht, fehlte es am Eilbedürfnis.

Wartet das Betriebsratsmitglied mit verschiedenen Anträgen – etwa demjenigen auf Widerruf solcher Äußerungen – nach einem abweisenden Beschluss des Arbeitsgerichts fast drei Monate, nach Zustellung mehr als zweieinhalb Monate, bis zur Begründung der Beschwerde, deren Begründungsfrist er sich hat verlängern lassen, ist in der Regel davon auszugehen, dass er selbst kein Eilbedürfnis für sein Begehren sieht. Dies gilt zumindest dann, wenn seit dem letzten Ereignis, das mit der begehrten Unterlassung oder dem begehrten Widerruf zu tun hat, zu diesem Zeitpunkt fast drei Monate vergangen sind.

Bedeutung für die Praxis

Wichtig ist: Diskreditierende Äußerungen über den Betriebsrat und seine Tätigkeit sind nicht durch die Meinungsfreiheit des Arbeitgebers gedeckt!

Der Begriff der Behinderung des Betriebsrats umfasst jede unzulässige Erschwerung, Störung oder Verhinderung der Betriebsratstätigkeit, so das Gericht. Diese kann auch durch eine Unterrichtung der Arbeitnehmer erfolgen, wenn diese in einer Art und Weise erfolgt, die die Grundsätze der vertrauensvollen Zusammenarbeit missachtet und die Betriebsratsmitglieder in einem unberechtigt negativen Licht erscheinen lassen. (dz/cbo)

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