Das kennt sicherlich jeder: Aufgrund von privaten Dingen hat man den Kopf nicht frei, die dunkle Jahreszeit verhagelt einem die Stimmung oder man fühlt sich aus irgendwelchen anderen Gründen völlig schlapp. Diagnose: chronische Unmotiviertheit. In Großbritannien gibt es mittlerweile einige Firmen, die ihren Mitarbeitern „Reset Days“ ermöglichen – häufig auch als „CBA“ (can’t be arsed) bezeichnet. In Deutschland werden sie oft mit „Null-Bock-Tagen“ übersetzt und könnten womöglich ein neuer Trend in der Arbeitswelt werden. Zumindest, wenn man einer britischen Beratungsfirma (MTD Training) Glauben schenken mag, wie „Business Insider“ berichtet.
Vereinzelt bereits in Deutschland möglich
Tatsächlich gibt es auch in Deutschland bereits Firmen, die Null-Bock-Tage anbieten. Eine davon ist das Berliner Unternehmen Einhorn, das Kondome und Periodenprodukte herstellt. Laut Medienberichten soll das Angebot dort gut angenommen werden und keinerlei Produktivitätseinbußen nach sich ziehen.
Aber haben die Null-Bock-Tage eine Chance, flächendeckend zu uns zu kommen? Und würde das überhaupt Sinn machen?
„Privat gesprochen wäre das sicherlich eine verlockende Möglichkeit. Beispielsweise fünf optionale Tage mehr auf dem Freizeitkonto – wer freut sich da nicht?“, sagt Kathrin Wiemann, Bildungsreferentin beim ifb für die Themen Arbeit- und Gesundheitsschutz. „Es erinnert mich ein bisschen an die beim Thema Fehlzeitenmanagement bekannte Bettkanten-Entscheidung.“ Mit Bettkanten-Entscheidung ist jene frühmorgendliche Frage an sich selbst gemeint: Gehe ich heute arbeiten? Es beschreibt also den Moment, an dem sich Arbeitnehmer aufgrund ihres Wohlbefindens entscheiden, ob sie zur Arbeit fahren oder sich krankmelden. Wie diese ausfällt, hängt mitunter von einigen weichen Faktoren ab: Wie ist die Beziehung zu meinem Vorgesetzten und den Kollegen? Wie loyal bin ich meinem Arbeitgeber und Kollegen gegenüber? Welche Auswirkungen hat mein Fehlen?
Wer sich nicht gut fühlt, sollte sich krankmelden und auskurieren.
Kathrin Wiemann, ifb-Bildungsreferentin
Generell sieht Kathrin Wiemann Null-Bock-Tage in mehreren Punkten kritisch: „Wer sich nicht gut fühlt, sollte sich krankmelden und auskurieren.“ Schließlich sei der Krankenstand eine messbare Größe, der ausgewertet und über dessen Ursachen gesprochen werden kann. Null-Bock-Tage könnten hingegen zulasten des Krankenstandes gehen und womöglich sogar gravierendere Probleme verschleiern. Außerdem spricht die Expertin noch einen weiteren Aspekt an: „Es gibt viele Berufe, in denen diese Karte nicht oder nur ganz schwer gezogen werden kann“, nennt sie zum Beispiel Pfleger, Kita-Mitarbeiter oder Mitarbeiter in Betrieben mit saisonaler Mehrarbeit etwa Logistikzentren während der Vor-Weihnachtszeit. Die Option für Mitarbeiter, einen Null-Bock-Tag einzulegen, würde die Planungen in vielen Firmen deutlich erschweren. Wobei sie beim nächsten Thema wäre: „Ich sehe da den Teamgedanken, die Loyalität gefährdet. Wer meldet sich ab, wenn man weiß, dass man so das Team in bestimmten Situationen hängen lässt?“
Wer meldet sich ab, wenn man weiß, dass man so das Team in bestimmten Situationen hängen lässt?
Kathrin Wiemann, ifb-Bildungsreferentin
Und noch ein gravierender Punkt stört Kathrin: „Ich finde den Titel höchst kritisch. Meiner Meinung nach sollte man die innerliche Resilienz haben, ‚Null Bock‘ mal einen Tag auszuhalten“, sagt sie und ergänzt: „Wenn das wesentlich häufiger vorkommt, sollte ich allgemeine Dinge hinterfragen wie das Team, in dem ich arbeite oder die Tätigkeit allgemein. Und: Was kann ich daran ändern?“
Geht es nur darum, weniger zu arbeiten?
Einige Experten – vor allem aus der Wirtschaft – sehen das ähnlich und sagen, in Deutschland gebe es bereits viele Möglichkeiten, sich von der Arbeit abzumelden. Neben dem Krankmelden ermöglichen heutzutage schon viele Firmen, spontan Urlaub oder einen Gleitzeitausgleich zu nehmen. Zudem wird kritisiert, dass es in vielen aktuellen Diskussionen in der Arbeitswelt ausschließlich darum geht, weniger zu arbeiten. Allerdings gibt es auch die Stimmen der anderen Seite, die argumentieren, solche Sonderfreizeit-Tage würde die Attraktivität von Arbeitgebern deutlich steigern. In jedem Fall kommt das Thema vermehrt in Bewerbungsgesprächen auf den Tisch, immer häufiger fragen Bewerber direkt danach.
Die Rolle des Betriebsrats
Und welche Rolle spielt nun der Betriebsrat bei den Null-Bock-Tagen? Ob ein Unternehmen dieses oder ein ähnliches Modell einführt, entscheidet allein der Arbeitgeber. Allerdings bestimmt der Betriebsrat bei der Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze mit, also die Umsetzung von allgemeinen Regeln zum Thema, und das würde wohl auch bei den Null-Bock-Tagen gelten (§ 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG). Unabhängig von den Mitbestimmungsrechten gilt: Falls Null-Bock-Tage als eine sinnvolle Option für die Arbeitnehmer und das eigene Unternehmen engeschätzt werden, kann ein Gremium natürlich immer initiativ beim Arbeitgeber eine solche Möglichkeit vorschlagen. Mehr als ein „Nein“ kann man schließlich nicht kassieren. (tis)
Was halten Sie von Null-Bock-Tagen?
Finden Sie diese Möglichkeit der Sonderfreizeit sinnvoll oder überflüssig? Schicken Sie uns hierzu gerne Ihre Meinung.