Liebe Nutzer,
für ein optimales und schnelleres Benutzererlebnis wird als Alternative zum von Ihnen verwendeten Internet Explorer der Browser Microsoft Edge empfohlen. Microsoft stellt den Support für den Internet Explorer aus Sicherheitsgründen zum 15. Juni 2022 ein. Für weitere Informationen können Sie sich auf der Seite von -> Microsoft informieren.
Liebe Grüße,
Ihr ifb-Team
„ … stets zu unserer Zufriedenheit …“ bescheinigt einem Arbeitnehmer in der Zeugnissprache eine durchschnittliche Leistung. In der Arbeitswelt hat eine „dem Durchschnitt entsprechende Leistung“ allerdings eher einen negativen Klang. Will ein Arbeitnehmer eine überdurchschnittlich gute Beurteilung, dann muss er dafür die überdurchschnittliche Leistung genau darlegen und beweisen. So urteilte das LAG Mecklenburg-Vorpommern.
LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 02.07.2024, 5 Sa 108/23
Der Arbeitnehmer streitet mit dem Arbeitgeber über die abschließende Leistungs- und Verhaltensbeurteilung im Arbeitszeugnis.
Nach seiner im Jahr 2019 absolvierten Ausbildung zum Schulbegleiter/ Integrationsassistenten war der Arbeitnehmer im Anschluss weiterhin bei der Arbeitgeberin beschäftigt. Der Hilfeplan für den ihm zugewiesenen, im Jahr 2011 geborenen Schüler hatte unter anderem zum Ziel, dass dieser Konflikte mit Mitschülern ohne Gewalt löst, Grenzen seiner Mitmenschen wahrt und aktiv am Unterricht teilnimmt. Der Arbeitnehmer war von Oktober 2021 bis Januar 2022 arbeitsunfähig, nachdem ihm der betreute Junge mehrere Finger gebrochen hatte.
Das Arbeitsverhältnis endete Mitte August 2022. Die Arbeitgeberin erteilte dem Arbeitnehmer das folgende Arbeitszeugnis (Auszüge):
„… Herr … zeichnete sich in seinem Arbeitsfeld durch Engagement, Eigeninitiative und Fleiß aus. Er hat das ihm anvertraute Kind in dessen Persönlichkeitsentwicklung gestärkt und arbeitete erfolgreich an den Zielen des Jugendamtes.
Herr … war ein sehr engagierter und pflichtbewusster Mitarbeiter, welcher sich mit seiner Arbeit identifizierte.
Er motivierte das ihm anvertraute Kind. (…)
Herr … erfüllte seine Aufgaben in der Integrationshilfe immer selbständig, sorgfältig und stets zu unserer Zufriedenheit. Er war jederzeit bereit, sich neuen und anspruchsvollen Themen zu stellen.
Sein Verhalten zu Vorgesetzten und Kollegen war vorbildlich.
Das Arbeitsverhältnis endete betriebsbedingt.
Sowohl beruflich als auch privat wünschen wir Herrn … weiterhin viel Erfolg und alles Gute.
…“
Der Arbeitnehmer hat die Ansicht vertreten, dass er die Zeugnisnote „gut“ beanspruchen könne. Anstelle von „… stets zu unserer Zufriedenheit“ müsse es deshalb „… stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ - hilfsweise - „… und zu unserer vollen Zufriedenheit“ heißen.
Der Arbeitnehmer führte dazu unter anderem aus, ihm sei es gelungen, die Hilfepläne für den Jungen vollumfänglich umzusetzen. Im Übrigen könne er die Bewertung „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ bereits deshalb verlangen, weil eine gute Leistung eben dem Durchschnitt entspreche.
Die Arbeitgeberin entgegnete, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer in den letzten zwölf Monaten vor der Beendigung nicht beanstandungsfrei gewesen sei. Unter anderem habe der Arbeitnehmer die Arbeitszeit- und Leistungsnachweise nicht ordnungsgemäß ausgefüllt und eine Abmahnung erhalten, da er entgegen der dienstlichen Anweisung vertrauliche Informationen nicht über den Messenger Signal, sondern per WhatsApp versandt habe. Aus pädagogischer Sicht sei er mit der Betreuung des Kindes überfordert gewesen.
Gegen das klageabweisende Urteil des zuständigen Arbeitsgerichts wendet sich der Arbeitnehmer mit seiner Berufung.
Der Arbeitnehmer habe keinen Anspruch auf Erteilung eines neuen qualifizierten Arbeitszeugnisses mit einer besseren Leistungs- und Verhaltensbeurteilung, so das Gericht.
Ein Arbeitnehmer habe bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Verlange der Arbeitnehmer ein qualifiziertes Zeugnis, müssten sich die Angaben auch auf Leistung und das Verhalten im Arbeitsverhältnis erstrecken (§ 109 Abs. 1 GewO). Das Zeugnis müsse klar und verständlich formuliert sein. Es dürfe keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck hätten, eine andere als die der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen (§ 109 Abs. 2 GewO). Bei der Formulierung des Arbeitszeugnisses sei das Gebot der Zeugniswahrheit und das ausdrücklich gesetzlich normierte Gebot der Zeugnisklarheit zu beachten.
Dem Arbeitgeber obliege es grundsätzlich, das Zeugnis im Einzelnen zu verfassen. Formulierungen und Ausdrucksweise stünden in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Maßstab sei dabei ein wohlwollender verständiger Arbeitgeber. Der Arbeitgeber habe insoweit einen Beurteilungsspielraum. Genüge das Zeugnis diesen Anforderungen nicht, könne der Arbeitnehmer dessen Berichtigung oder Ergänzung beanspruchen.
Aus dem Gesetz ergebe sich kein Anspruch auf ein gutes oder sehr gutes Zeugnis, sondern nur ein Anspruch auf ein leistungsgerechtes Zeugnis.
Erteile der Arbeitgeber ein Zeugnis, welches dem Arbeitnehmer eine durchschnittliche bzw. befriedigende Leistung bescheinigt, trage der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, welche eine überdurchschnittliche Beurteilung rechtfertigen sollen. Soll dagegen dem Arbeitnehmer eine nur ausreichende oder noch schlechtere Bewertung erteilt werden, habe der Arbeitgeber vorzutragen und zu beweisen, dass er damit den Zeugnisanspruch des Arbeitnehmers erfüllt hat.
Die Arbeitgeberin sei bei der Erstellung des Arbeitszeugnisses von den allgemein gültigen Maßstäben für eine Leistungs- und Verhaltensbeurteilung ausgegangen. Mit der Formulierung „stets zu unserer Zufriedenheit“ habe sie dem Arbeitnehmer eine befriedigende Leistung im mittleren bis oberen Bereich bescheinigt. Das entspräche einer durchschnittlichen Bewertung. Diese Einschätzung erscheine schon deshalb nachvollziehbar, weil der Arbeitnehmer erst kurz vor Antritt der Tätigkeit bei der Arbeitgeberin eine einschlägige Ausbildung absolviert habe. Vielfach führe erst eine langjährige Berufserfahrung zu guten und sehr guten Leistungen.
Der Arbeitnehmer habe nicht dargelegt, dass er im Hinblick auf Leistung und Verhalten während des rund zweieinhalb Jahre dauernden Arbeitsverhältnisses besser als ein durchschnittlicher Schulbegleiter/Integrationshelfer gewesen sei. Er habe zwar durchaus Erfolge im Hinblick auf die Hilfeziele erreicht, was ihm die Arbeitgeberin in dem Zeugnis bescheinigt habe („… arbeitete erfolgreich an den Zielen des Jugendamtes“). Ob ein anderer Schulbegleiter mit einem durchschnittlichen Leistungsvermögen diese Erfolge nicht oder nicht in dieser Zeit erzielt hätte, lasse sich daraus jedoch nicht entnehmen.
Abgesehen davon seien die erzielten Erfolge bei der Begleitung des Jungen nur einzelne Elemente des Gesamturteils. Ein weiterer Gesichtspunkt sei das Verhalten des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis, z. B. die Beachtung arbeitsvertraglicher Weisungen oder die Erfüllung von Nebenpflichten.
Einen Austausch der Formulierung „stets zu unserer Zufriedenheit“ gegen die Fassung „zu unserer vollen Zufriedenheit“, d. h. einen Austausch des Wortes „stets“ gegen „voll“, könne der Arbeitnehmer nicht verlangen. Beide Bewertungen seien der Note „befriedigend“ zuzurechnen.
Immer wieder müssen sich die Arbeitsgerichte aller Instanzen mit dem Anspruch auf Zeugnisberichtigung auseinandersetzen. Ein mühsames Geschäft, wenn man bedenkt, dass hier über einzelne Formulierungen und Floskeln verhandelt wird. Arbeitnehmer haben aber nun mal ein starkes Interesse daran, dass das Zeugnis positiv formuliert ist, um sich und ihre berufliche Leistung auf dem Arbeitsmarkt vorteilhaft präsentieren zu können. Was mich an dieser Entscheidung irritiert, ist die Aussage des Gerichts, der Arbeitnehmer habe ja erst kurz vor Beginn seiner Tätigkeit seine Ausbildung abgeschlossen. Oft seien es erst viele Jahre an Berufserfahrung, die zu guten oder sehr guten Leistungen führen. Das klingt nach einem guten Rotwein, der im Alter immer besser wird. Ich war bisher eigentlich immer der Auffassung, dass die Arbeitsleistung unter Berücksichtigung aller Umstände – also auch des Umstandes, dass jemand seine Ausbildung erst abgeschlossen hat – sehr gut, gut oder weniger gut sein kann und, dass ein Zeugnisleser diesen Umstand auch richtig einzuschätzen vermag. (sf)