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Kann der Betriebsrat die künftige Unterlassung von Gehaltskürzungen bei Betriebsratsmitgliedern verlangen?

Es geht um einen Vorwurf der Behinderung der Betriebsratsarbeit: Der Arbeitgeber nahm während der Corona-Zeit nach digitalen Betriebsratssitzungen Gehaltskürzungen bei den BR-Mitgliedern vor. Einen Anspruch auf Unterlassung der Gehaltskürzung in der Zukunft habe der Betriebsrat nicht, so das LAG Köln. 

LAG Köln, Beschluss vom 20.01.2023,  9 TaBV 33/22

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Redaktion
Stand:  23.5.2023
Lesezeit:  01:45 min
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Das ist passiert

Die Parteien streiten über die Frage der Behinderung der Betriebsratsarbeit durch die Arbeitgeberin, ein bundesweit tätiges Textilunternehmen. Der Betriebsrat einer Filiale wollte während der Corona-Pandemie seine BR-Arbeit per Videokonferenz von zu Hause aus durchführen. Die Arbeitgeberin sei darüber informiert worden. Dennoch wiesen bei verschiedenen Betriebsratsmitgliedern die Gehaltsabrechnungen anschließend Fehlzeiten für die Betriebsratssitzungen aus. Der Betriebsrat sah darin einen Angriff auf seine Betriebsratsarbeit und beantragte bei Gericht die Unterlassung der Behinderung seiner Arbeit. Konkret forderte er, die Gehaltsabzüge zu unterlassen. Die Arbeitgeberin behauptet dagegen, die Gehaltsabzüge hätten gar nichts mit den Betriebsratssitzungen zu tun. Die Betroffenen hätten sich vor Ort weder an- noch abgemeldet, also könne man gar nicht beurteilen, ob tatsächlich einer Betriebsratsarbeit nachgegangen worden sei, oder ob die Betroffenen unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben waren. Außerdem könne der Betriebsrat gar nicht das Unterlassen von Gehaltskürzungen verlangen, weil das nichts anderes sei als das Erheben eines Vergütungsanspruchs. Den könne aber nur der Betroffene selbst durchsetzen, nicht der Betriebsrat. Dagegen vertrat der Betriebsrat die Auffassung, die Gehaltskürzungen seien ein Instrument zur Behinderung der Betriebsratsarbeit. Darum gebe es zur Abwehr einen Anspruch des Betriebsrats auf Unterlassung solcher Maßregelungen. Es gehe dabei nicht um die Zahlung an sich, denn es sei nicht auf die Auszahlung bereits einbehaltenen Gehalts geklagt worden, sondern auf Unterlassung künftiger Kürzungen, quasi als „Bestrafung“ für die Abwesenheiten der Betriebsratsmitglieder in der Filiale während der Videokonferenzen.

Das entschied das Gericht

Das LAG Köln wies die Berufung des Betriebsrats ab und folgte im Wesentlichen dem Hauptargument der Arbeitgeberin: Ein Unterlassen der Nichtzahlung des Gehalts wäre in Wahrheit kein Unterlassen, sondern ein künftiges Tun (also: die Zahlung des Gehalts). Den Anspruch auf Gehaltszahlung könne aber nicht der Betriebsrat, sondern nur der betroffene Arbeitnehmer durchsetzen.  Ein Anspruch des Betriebsrats auf Unterlassung für künftige Gehaltskürzungen ergebe sich weder wegen grober Verstöße der Arbeitgeberin gegen betriebsverfassungsrechtliche Verpflichtungen aus § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG noch wegen einer Behinderung von Betriebsratstätigkeiten aus § 78 Satz 1 BetrVG.

Bedeutung für die Praxis

Dieses Urteil des LAG Köln beleuchtet ein interessantes Dilemma. Wie kann sich ein Betriebsrat erfolgreich dagegen wehren, wenn die Arbeitgeberin zur Gängelung des Betriebsrats einfach Gehalt von einzelnen Betriebsratsmitgliedern einbehält? Eine Klage der betroffenen Mitglieder auf Zahlung des einbehaltenen Gehalts kann lange dauern. Da sieht es zunächst rascher erfolgversprechend aus, den vermuteten Sanktionscharakter der Gehaltskürzungen im Wege eines Unterlassungsantrags zu rügen. Schließlich möchte der Betriebsrat ja seine gewählte Praxis in naher Zukunft fortsetzen.

Das Argument des Gerichts, das Unterlassen der Nichtzahlung des Gehalts wäre in Wahrheit ein Tun, ist natürlich richtig. Aber ein höchst formales Argument. Damit bekommt die Arbeitgeberin eine unheimlich mächtige Waffe in die Hand, mit der sie ihren Betriebsrat faktisch durch die Gehaltskürzungen bei einzelnen Mitgliedern eben doch behindern kann. Im vorliegenden Fall hat die Arbeitgeberin nicht in Abrede gestellt, dass sie Zeiten erforderlicher Betriebsratstätigkeiten nicht als Fehlzeiten werten darf. Daher ist auch die entsprechend hilfsweise vom Betriebsrat beantragte Feststellung ins Leere gegangen. Im Endeffekt hatte der Betriebsrat in diesem Verfahren vor allem deshalb schlechte Karten, weil sich die Arbeitgeberin sehr geschickt angestellt und auf die fehlende Arbeitszeiterfassung verwiesen hat. In diese „Falle“ wäre der Betriebsrat nicht so ohne weiteres gegangen, wenn er penibel ersatzweise protokolliert hätte, von wann bis wann exakt welches Mitglied von zuhause aus welche Betriebsratsarbeit gemacht hat. Dann wäre es bei Gehaltskürzungen im anschließenden Gerichtsverfahren womöglich deutlicher geworden, dass es in Wahrheit tatsächlich um Betriebsratsstörung geht. (mb)

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