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Eine Arbeitnehmerin hat keinen Anspruch auf das höhere Gehalt, das vergleichbaren Leiharbeitnehmern gezahlt wird. Dies hat das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern entschieden. Der Grundsatz in § 8 Abs.1 AÜG gewährleiste keinen Schutz der Stammarbeitnehmer; sondern schütze umgekehrt Leiharbeitnehmer vor einer Schlechterstellung gegenüber einem vergleichbaren Stammarbeitnehmer.
LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 09.01.2024, 5 Sa 37/23
Die Parteien streiten darüber, ob sich die Beschäftigung der Klägerin rechtlich als Arbeitnehmerüberlassung darstellt und sie deshalb Auskunft über die Vergütung anderer Beschäftigter verlangen kann.
Die Klägerin ist bei der Beklagten als Call-Center-Agentin in einem Servicecenter beschäftigt. Diese beschäftigt bundesweit rund ca. 2.500 Mitarbeiter an 21 Standorten, von denen sie selbst mit etwa 900 einen Arbeitsvertrag hat. Sonst setzt die Beklagte in großem Umfang Leihkräfte ein, von denen mehr als 1.500 aus konzernangehörigen und rund 70 aus konzernfremden Unternehmen stammen.
Am Standort der Klägerin stehen nur die Klägerin und eine oder zwei weitere Personen in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten. Bei den anderen handelt es sich um Arbeitnehmer oder Beamte der Deutschen Post, die nach dem Postpersonalrechtsgesetz an die Beklagte entliehen bzw. dort zugewiesen sind – so auch die unmittelbare Vorgesetzte der Klägerin.
Die Klägerin sieht sich als Leiharbeitnehmerin an, da der Betrieb gerade nicht von der Beklagten geführt werde. Die Leitung der Betriebsstätte liege ausschließlich in anderen Händen. Sie sei tatsächlich in einer anderen Arbeitsorganisation eingegliedert. Als Leiharbeitnehmerin könne sie deshalb Auskunft über die für vergleichbare Arbeitnehmer geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts verlangen, um ihre Ansprüche auf Gleichstellung geltend machen zu können.
Das Arbeitsgericht Schwerin hat die Klage erstinstanzlich abgewiesen, weil die Klägerin nicht als Leiharbeitnehmerin eingesetzt sei.
Das LAG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen, denn die Beklagte hat die Klägerin nicht iSv § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG als Leiharbeitnehmerin an eine Entleiherin überlassen. Nach § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG handelt es sich um Arbeitnehmerüberlassung, wenn ein Arbeitgeber im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit Arbeitnehmer einem Dritten (Entleiher) zur Arbeitsleistung überlässt. Arbeitnehmer werden zur Arbeitsleistung überlassen, wenn sie in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert sind und seinen Weisungen unterliegen (§ 1 Abs. 1 S. 2 AÜG). Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des AÜG ist durch eine spezifische Ausgestaltung der Vertragsbeziehungen zwischen Verleiher und Entleiher einerseits (dem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag) und zwischen Verleiher und Arbeitnehmer andererseits (dem Leiharbeitsvertrag) sowie durch das Fehlen einer arbeitsvertraglichen Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Entleiher gekennzeichnet. Notwendiger Inhalt eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrags ist laut Bundesarbeitsgericht die Verpflichtung des Verleihers gegenüber dem Entleiher, diesem zur Förderung von dessen Betriebszwecken Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen.
Im Falle der Arbeitnehmerüberlassung wird das Weisungsrecht nach § 106 GewO nicht von dem Vertragsarbeitgeber, sondern von dem Entleiher, also einem Dritten, ausgeübt. Wer in einem Unternehmen oder Betrieb berechtigt ist, das Direktionsrecht des Arbeitgebers wem gegenüber auszuüben, richtet sich nach der jeweiligen Betriebshierarchie. Die Weisungsbefugnisse können sich aus Geschäfts- und Dienstanweisungen, Organigrammen, Aufgabenzuweisungen etc. ergeben. Welches Rechtsverhältnis der Tätigkeit von Organen und Führungskräften innerhalb des Unternehmens oder Betriebs zugrunde liegt, ist dabei nicht ausschlaggebend. Maßgeblich ist allein, wessen Betriebszwecke sie zu fördern haben.
Die Klägerin erbringt ihre Arbeitsleistung als Call-Center Agentin nicht als Leiharbeitnehmerin. Ein Arbeitnehmer wird nicht deshalb zu einem Leiharbeitnehmer, weil seine direkten Vorgesetzten und die Mehrzahl der Mitarbeiter im Betrieb nicht in einem Arbeitsverhältnis zu der Arbeitgeberin stehen, sondern als Leiharbeitnehmer aus einem anderen (konzernangehörigen) Unternehmen oder als zugewiesene Beamte beschäftigt sind. Die Klägerin unterliegt auch nicht dem Direktionsrecht eines Dritten. Die Vorgesetzten der Klägerin stehen zwar nicht in einem Arbeits- oder Beamtenverhältnis zur Beklagten. Sie verfolgen jedoch mit ihrer Tätigkeit allein die Betriebszwecke der Beklagten, indem sie den Betrieb des Servicecenters organisieren und absichern. Damit tragen sie zum wirtschaftlichen Ergebnis der Beklagten bei.
Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten auch keinen Anspruch auf Auskunft über die wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts der anderen Call-Center Agenten nach § 13 AÜG. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus § 13 AÜG noch aus einer sonstigen Vorschrift, z.B. Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 242 BGB). Der Gleichstellungsgrundsatz des § 8 Abs. 1 AÜG dient dem Schutz der Leiharbeitnehmer vor einer Schlechterstellung gegenüber einem vergleichbaren Stammarbeitnehmer. Er schützt jedoch nicht die Stammarbeitnehmer. Ein Anspruch auf Gewährung des Entgelts der besser vergüteten Leiharbeitnehmer ergibt sich daraus nicht. Die Beklagte ist vorliegend nicht Entleiherin der Klägerin, sondern vielmehr ihre Vertragsarbeitgeberin. Die Beklagte beschäftigt zwar Leiharbeitnehmer, die Klägerin gehört jedoch nicht zu diesem Personenkreis.
Komplizierte und vielschichtige Konstellationen wie die vorliegende, sind kein Einzelfall. Eine gerichtliche Klarstellung ist daher hilfreich. Vergütungsgerechtigkeit muss daher auf anderem Wege zu erzielt oder verbessert werden. (dz)