Happy Birthday, AÜG! Vor genau 50 Jahren, am 11.10.1972, trat das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz in Kraft. Willy Brandt war damals Bundeskanzler, Deutschland wurde in Brüssel Europameister und der Benzinpreis lag bei rund 0,57 DM (ca. 0,29 Euro).
In diesen Tagen gehörte die Arbeitsvermittlung ausschließlich zu den Aufgaben der Agentur für Arbeit (damals: Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung). Klassische Leih- bzw. Zeitarbeit, wie wir sie heute kennen, war also eigentlich verboten. Zeitarbeit ist ungleich Arbeitsvermittlung, entschied dann 1970 das Bundessozialgericht – das Chaos war perfekt. Was tun? Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz sollte Abhilfe schaffen und die Leiharbeitnehmer schützen. Obwohl es einige Veränderungen gegeben hat bei diesem Thema, ist die Kritik am Modell Zeitarbeit ungebrochen.
Ein paar Zahlen
Zeitarbeit, Leiharbeit, Arbeitnehmerüberlassung – Namen gibt es viele, sie meinen am Ende aber alle das Gleiche: Ein Arbeitnehmer ist bei einer Zeitarbeitsfirma beschäftigt; dieser Verleiher setzt den Arbeitnehmer befristet bei einem Kunden ein (Entleiher). Der Vorteil für die Arbeitgeber liegt auf der Hand: Sie können ihren Personalbedarf spontan an Auftragsschwankungen anpassen. Schwer wiegen die Nachteile für die Betroffenen: Unter anderem weniger Verdienst und eine große Unsicherheit für ihre Lebensplanung.
Schätzungen zufolge gibt es in Deutschland rund 11.000 Zeitarbeitsfirmen mit insgesamt rund 816.000 Beschäftigten (Zahlen aus 2021). Ihr Anteil an der Gesamtbeschäftigung liegt bei etwa 2,1 Prozent.
Reformen und Reförmchen
Stillstand gab es nicht bei den Regelungen rund um die Arbeitnehmerüberlassung – der große Wurf fehlt allerdings seit 50 Jahren.
Zu den Änderungen im Laufe der Jahre gehört:
- die Höchstdauer der Überlassung,
- ein Diskriminierungsverbot,
- das Verbot der Wiedereinstellung,
- das Thema Befristung.
Die wohl größte AÜG-Reform brachte 2017 Andrea Nahles auf den Weg. Hierin enthalten war unter anderem eine gleiche Entlohnung, eine neue Höchstgrenze der Einsatzzeit und eine Angleichung sonstiger Arbeitsbedingungen.
Aktuell gibt es sogar Kurzarbeit für Leiharbeitnehmer: Seit dem 01. Oktober 2022 bis zum 31. Dezember 2022 kann auch für Leiharbeiter bei Bedarf Kurzarbeit angemeldet werden. Das Bundeskabinett hat eine entsprechende Verordnung beschlossen. Schon während der Corona-Pandemie war die Leiharbeit vorübergehend in die Kurzarbeitsregelungen einbezogen worden.
Streitthema Überlassungsdauer
Zeitarbeit soll keine Dauerarbeitsplatze ersetzen. So weit sind sich eigentlich alle einig. Wie lange aber darf der Einsatz eines Leiharbeitnehmers maximal dauern? Diese Frage war immer wieder ein Streitthema. Im Jahr 2002 hatte die damalige Regierung im Rahmen der Hartz-Reformen den Höchstüberlassungszeitraum für Leiharbeitnehmer von zwei Jahren ersatzlos gestrichen. Im Dezember 2011 wurde das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz wie folgt ergänzt: „Die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher erfolgt vorübergehend.“ Über die Auslegung gab es immer wieder Streit.
Im April 2017 wurde ergänzt: Die gesetzliche Höchstdauer für das Verleihen eines Arbeitnehmers beträgt grundsätzlich 18 Monate. Diese vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung kann durch Tarifvertrag verlängert werden.
Aktuell beschäftigte sich auch der EuGH mit dem Thema. Sind 55 Monate noch „vorübergehend“? Im Ergebnis ließ das Gericht die Frage, bis wann der Einsatz bei einem Kunden noch „vernünftigerweise“ als vorübergehend anzusehen ist, aber offen (EuGH vom 17. März 2022, Az. C-232/20).
Rolle des Betriebsrats
Nur in wenigen Verleihfirmen gibt es einen Betriebsrat. Als gutes Beispiel voran geht hier z.B. Randstad. Oft scheitert die Gründung schon daran, dass man die Kollegen nicht vor Ort trifft – gearbeitet wird ja beim Entleiher. Trotzdem ist es möglich – und sinnvoll! – einen Betriebsrat zu gründen.
Der Betriebsrat des Entleihbetriebs hat beim Einsatz von Leiharbeitnehmern ein Mitbestimmungsrecht – und für die Belange der Leiharbeitnehmer ein offenes Ohr. Achtung: Leiharbeitnehmer dürfen den Betriebsrat wählen, wenn sie länger als drei Monate im Betrieb beschäftigt sind (§ 7 BetrVG). Sie sind im Entleihbetrieb aber nicht wählbar (§ 14 AÜG).